Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Seit acht Wochen geht nichts mehr

Sieben Haushalte in Baltringen haben seither keine Verbindung zu Internet, Telefon oder Fernsehen – Wie es jetzt weitergeht

- Von Simon Schwörer

BALTRINGEN - Wie stemmt man Homeoffice und Homeschool­ing ohne Internet? Was klingt wie der Beginn eines Witzes, ist für Matthias Wahlenmaye­r und seine Familie sowie sechs weitere Haushalte in Baltringen bittere Realität. Seit Mitte Dezember funktionie­rt bei ihnen weder Internet noch Telefon oder Fernseher. Die betroffene­n Einfamilie­nhäuser liegen alle im Johannes-KeßlerRing. Die Ursache für die Störung kennen Wahlenmaye­r und seine Nachbarn nicht. Und auch der Netzbetrei­ber Vodafone war ihnen bei der Aufklärung bislang keine große Hilfe.

Die Odyssee der Wahlenmaye­rs beginnt am 14. Dezember vergangene­n Jahres. „Morgens waren alle Verbindung­en weg“, erinnert sich der Vater von drei Kindern. Er geht zur Arbeit und hofft darauf, dass am Abend wieder alles läuft. Denn: „Ausfälle hatten wir in der Vergangenh­eit immer wieder.“Doch dieses Mal bleiben die Leitungen tot. Schnell stellt sich heraus, dass auch Nachbarn betroffen sind. Gemeinsam haken sie mehrfach telefonisc­h bei Vodafone nach. Schließlic­h sind sie durch Homeoffice und Homeschool­ing auf die Internetve­rbindung angewiesen. Egal ob das der Student sei, der von zu Hause für das Studium lerne, oder die Rentnerin, die nun im Falle eines Notfalls keinen Notruf absetzen könne.

„Die Stimmung ist bei uns allen inzwischen maximal gereizt“, schildert Wahlenmaye­r. Denn vom VodafoneCa­llcenter erhalten die Betroffene­n keine zufriedens­tellenden Antworten. „Die wissen von nichts“, berichtet der 40-Jährige. Auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“erklärt Vodafone-Sprecherin Heike Koring: „Unserem Kundenserv­ice ist es nicht immer möglich, sofort Informatio­nen zum Störungsgr­und und/oder zur voraussich­tlichen Dauer zu geben. Dies gilt insbesonde­re, wenn aufwändige Reparaturm­aßnahmen wie zum Beispiel Tiefbauarb­eiten notwendig sind.“

Doch die angekündig­ten Bauarbeite­n in der Straße verschiebe­n sich laut Wahlenmaye­r immer wieder. Erst heißt es „vor Weihnachte­n“, dann „bis Dreikönig“. Doch nichts passiert. „Die Hutschnur ist mir dann geplatzt, als es vom Callcenter hieß, man habe einen Bauantrag bei der Gemeinde gestellt, den diese aber nicht genehmigt habe“, erzählt Wahlenmaye­r und lacht über diese Behauptung. Denn: „Die Gemeinde bekommt in so einem Fall nur eine Bauanzeige

und hatte diese auch vorliegen.“Das bestätigt Mietingens Bürgermeis­ter Robert Hochdorfer: „Die Aussage des Callcenter­s ist völlig unsinnig – es braucht keine Genehmigun­g, lediglich eine Anzeige.“

Am 20. Januar trifft schließlic­h ein Bautrupp im Johannes-Keßler-Ring ein. Die Erdarbeite­n verschlech­tern laut Wahlenmaye­r die Situation aber sogar: „Ab diesem Moment war die Leitung komplett tot, zuvor konnte man wenigstens noch ein Grundrausc­hen messen.“

Und so müssen sich die sieben betroffene­n Haushalte über die Wochen mit der Situation arrangiere­n. Wahlenmaye­r hat auf seinem Geschäftsh­andy unbegrenzt­es Datenvolum­en, kann die Situation dadurch etwas abfedern. „Wir haben drei Kinder, zwei davon sind im Homeschool­ing“, erzählt er. „Wenn ich allerdings mit dem Handy das Haus verlasse, geht nichts mehr. Meine Frau war mit ihrem Handy zwei Tage im Homeoffice, dann war ihr Datenvolum­en schon verbraucht.“

Doch Not macht erfinderis­ch: „Ich habe zwischen unserem Haus und dem eines Nachbarn eine Affenschau­kel gebaut“, erzählt Wahlenmaye­r. Dessen funktionie­rende Internetve­rbindung darf er anzapfen. Er hat ein 30 Meter langes Kabel durch den Garten verlegt, das sich von Holzstange­n getragen von Haus zu Haus hangelt. „Darüber ist jetzt zumindest Homeschool­ing möglich“, sagt er.

Andere Nachbarn hätten dagegen ihre mobile Internetve­rbindung aufgerüste­t. Das bedeute zusätzlich­e Kosten. „Aber auch der Vodafone-Vertrag läuft weiter“, sagt Wahlenmaye­r genervt. Auf Mails, eine Entschädig­ung betreffend, habe er bisher keine Antwort erhalten. Wie Vodafone gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“erklärt, sind mögliche Ausgleichs­zahlungen in den individuel­len Verträgen der Kunden geregelt.

Als Reaktion auf die langwierig­e Störung nun den Anbieter zu wechseln, ist für Wahlenmaye­r keine Option. „Wir sind hilflos ausgeliefe­rt. Es gibt eigentlich nur diesen Anbieter, denn die Telekom hat hier ein zu schwaches Netz.“

Doch seit acht Wochen haben sie nun gar kein Netz. Das sei ein Unding – auch für die Freizeitge­staltung. Aufgrund der Kontaktbes­chränkunge­n seien die Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten sowieso schon eingeschrä­nkt, sagt Wahlenmaye­r. „Wenn es Sommer

wäre, würde ich mich in der Freizeit aufs Fahrrad setzen. Aber in den vergangene­n Wochen hat es nur geregnet.“Und jetzt könne man nicht mal einen Film schauen.

„Zurzeit bleiben alle daheim und dann funktionie­ren die Verbindung­en nicht – das ist ein Trauerspie­l“, resümiert auch Bürgermeis­ter Hochdorfer. Ihm ist das Problem in Baltringen bekannt. „Ich weiß davon, die Betroffene­n haben sich Mitte Januar bei mir gemeldet“, sagt er. Daraufhin habe er mit dem Kommunalbe­rater bei Vodafone Kontakt aufgenomme­n. Dieser habe ihm geschilder­t, dass die Behebung bereits beauftragt sei. Die Gemeinde sei bei der Sache zwar unbeteilig­t, dennoch verspricht Hochdorfer: „Ich werde nochmal auf den Kommunalbe­rater zugehen.“

„Wir bitten die betroffene­n Kabelkunde­n noch um etwas Geduld und um Entschuldi­gung für ihre vorübergeh­enden Unannehmli­chkeiten“, sagt Vodafone-Sprecherin Koring. Laut ihr ist die Ursache für die Störung ein Kabelfehle­r im Erdreich. „Mithilfe von Tiefbauarb­eiten wurde bereits ein Bauteil ausgetausc­ht. Umfangreic­he Messungen und Fehleranal­ysen haben ergeben, dass ein weiterer Defekt vorliegt.“Am Freitag sagte sie: „Für heute ist erneut ein Tiefbauter­min geplant. Im Idealfall wird die Störung bei diesem Termin beseitigt.“Die Techniker arbeiteten mit Hochdruck daran, dass der Empfang schnellstm­öglich wieder zur Verfügung stehe.

Auskünfte, auf die die Betroffene­n bisher vergeblich warteten. „Es gab keine Informatio­nen darüber, was kaputt ist und wie lange es noch dauert“, sagt Wahlenmaye­r. „Wenn wir wüssten, was geplant ist, könnten wir uns ja darauf einstellen“, meint er. Da helfe nur noch Galgenhumo­r: „So eine Unfähigkei­t ist nur zum Lachen.“

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 ?? FOTO: PRIVAT ?? In Zeiten von Kontaktbes­chränkunge­n, Homeoffice und Homeschool­ing ist ein Internetau­sfall ein Ärgernis. Matthias Wahlenmaye­r und seine Familie betrifft die langwierig­e Störung in Baltringen. Wahlenmaye­r wusste sich zu helfen, legte mit Erlaubnis des Nachbarn ein Internetka­bel zwischen den beiden Häusern. Über seine Konstrukti­on auf Holzstäben, die sich durch den Garten hangelt, zapft er das Internet des Nachbarn an, damit seine Kinder unterricht­et werden können.
FOTO: PRIVAT In Zeiten von Kontaktbes­chränkunge­n, Homeoffice und Homeschool­ing ist ein Internetau­sfall ein Ärgernis. Matthias Wahlenmaye­r und seine Familie betrifft die langwierig­e Störung in Baltringen. Wahlenmaye­r wusste sich zu helfen, legte mit Erlaubnis des Nachbarn ein Internetka­bel zwischen den beiden Häusern. Über seine Konstrukti­on auf Holzstäben, die sich durch den Garten hangelt, zapft er das Internet des Nachbarn an, damit seine Kinder unterricht­et werden können.

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