Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Seit acht Wochen geht nichts mehr
Sieben Haushalte in Baltringen haben seither keine Verbindung zu Internet, Telefon oder Fernsehen – Wie es jetzt weitergeht
BALTRINGEN - Wie stemmt man Homeoffice und Homeschooling ohne Internet? Was klingt wie der Beginn eines Witzes, ist für Matthias Wahlenmayer und seine Familie sowie sechs weitere Haushalte in Baltringen bittere Realität. Seit Mitte Dezember funktioniert bei ihnen weder Internet noch Telefon oder Fernseher. Die betroffenen Einfamilienhäuser liegen alle im Johannes-KeßlerRing. Die Ursache für die Störung kennen Wahlenmayer und seine Nachbarn nicht. Und auch der Netzbetreiber Vodafone war ihnen bei der Aufklärung bislang keine große Hilfe.
Die Odyssee der Wahlenmayers beginnt am 14. Dezember vergangenen Jahres. „Morgens waren alle Verbindungen weg“, erinnert sich der Vater von drei Kindern. Er geht zur Arbeit und hofft darauf, dass am Abend wieder alles läuft. Denn: „Ausfälle hatten wir in der Vergangenheit immer wieder.“Doch dieses Mal bleiben die Leitungen tot. Schnell stellt sich heraus, dass auch Nachbarn betroffen sind. Gemeinsam haken sie mehrfach telefonisch bei Vodafone nach. Schließlich sind sie durch Homeoffice und Homeschooling auf die Internetverbindung angewiesen. Egal ob das der Student sei, der von zu Hause für das Studium lerne, oder die Rentnerin, die nun im Falle eines Notfalls keinen Notruf absetzen könne.
„Die Stimmung ist bei uns allen inzwischen maximal gereizt“, schildert Wahlenmayer. Denn vom VodafoneCallcenter erhalten die Betroffenen keine zufriedenstellenden Antworten. „Die wissen von nichts“, berichtet der 40-Jährige. Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“erklärt Vodafone-Sprecherin Heike Koring: „Unserem Kundenservice ist es nicht immer möglich, sofort Informationen zum Störungsgrund und/oder zur voraussichtlichen Dauer zu geben. Dies gilt insbesondere, wenn aufwändige Reparaturmaßnahmen wie zum Beispiel Tiefbauarbeiten notwendig sind.“
Doch die angekündigten Bauarbeiten in der Straße verschieben sich laut Wahlenmayer immer wieder. Erst heißt es „vor Weihnachten“, dann „bis Dreikönig“. Doch nichts passiert. „Die Hutschnur ist mir dann geplatzt, als es vom Callcenter hieß, man habe einen Bauantrag bei der Gemeinde gestellt, den diese aber nicht genehmigt habe“, erzählt Wahlenmayer und lacht über diese Behauptung. Denn: „Die Gemeinde bekommt in so einem Fall nur eine Bauanzeige
und hatte diese auch vorliegen.“Das bestätigt Mietingens Bürgermeister Robert Hochdorfer: „Die Aussage des Callcenters ist völlig unsinnig – es braucht keine Genehmigung, lediglich eine Anzeige.“
Am 20. Januar trifft schließlich ein Bautrupp im Johannes-Keßler-Ring ein. Die Erdarbeiten verschlechtern laut Wahlenmayer die Situation aber sogar: „Ab diesem Moment war die Leitung komplett tot, zuvor konnte man wenigstens noch ein Grundrauschen messen.“
Und so müssen sich die sieben betroffenen Haushalte über die Wochen mit der Situation arrangieren. Wahlenmayer hat auf seinem Geschäftshandy unbegrenztes Datenvolumen, kann die Situation dadurch etwas abfedern. „Wir haben drei Kinder, zwei davon sind im Homeschooling“, erzählt er. „Wenn ich allerdings mit dem Handy das Haus verlasse, geht nichts mehr. Meine Frau war mit ihrem Handy zwei Tage im Homeoffice, dann war ihr Datenvolumen schon verbraucht.“
Doch Not macht erfinderisch: „Ich habe zwischen unserem Haus und dem eines Nachbarn eine Affenschaukel gebaut“, erzählt Wahlenmayer. Dessen funktionierende Internetverbindung darf er anzapfen. Er hat ein 30 Meter langes Kabel durch den Garten verlegt, das sich von Holzstangen getragen von Haus zu Haus hangelt. „Darüber ist jetzt zumindest Homeschooling möglich“, sagt er.
Andere Nachbarn hätten dagegen ihre mobile Internetverbindung aufgerüstet. Das bedeute zusätzliche Kosten. „Aber auch der Vodafone-Vertrag läuft weiter“, sagt Wahlenmayer genervt. Auf Mails, eine Entschädigung betreffend, habe er bisher keine Antwort erhalten. Wie Vodafone gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“erklärt, sind mögliche Ausgleichszahlungen in den individuellen Verträgen der Kunden geregelt.
Als Reaktion auf die langwierige Störung nun den Anbieter zu wechseln, ist für Wahlenmayer keine Option. „Wir sind hilflos ausgeliefert. Es gibt eigentlich nur diesen Anbieter, denn die Telekom hat hier ein zu schwaches Netz.“
Doch seit acht Wochen haben sie nun gar kein Netz. Das sei ein Unding – auch für die Freizeitgestaltung. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen seien die Beschäftigungsmöglichkeiten sowieso schon eingeschränkt, sagt Wahlenmayer. „Wenn es Sommer
wäre, würde ich mich in der Freizeit aufs Fahrrad setzen. Aber in den vergangenen Wochen hat es nur geregnet.“Und jetzt könne man nicht mal einen Film schauen.
„Zurzeit bleiben alle daheim und dann funktionieren die Verbindungen nicht – das ist ein Trauerspiel“, resümiert auch Bürgermeister Hochdorfer. Ihm ist das Problem in Baltringen bekannt. „Ich weiß davon, die Betroffenen haben sich Mitte Januar bei mir gemeldet“, sagt er. Daraufhin habe er mit dem Kommunalberater bei Vodafone Kontakt aufgenommen. Dieser habe ihm geschildert, dass die Behebung bereits beauftragt sei. Die Gemeinde sei bei der Sache zwar unbeteiligt, dennoch verspricht Hochdorfer: „Ich werde nochmal auf den Kommunalberater zugehen.“
„Wir bitten die betroffenen Kabelkunden noch um etwas Geduld und um Entschuldigung für ihre vorübergehenden Unannehmlichkeiten“, sagt Vodafone-Sprecherin Koring. Laut ihr ist die Ursache für die Störung ein Kabelfehler im Erdreich. „Mithilfe von Tiefbauarbeiten wurde bereits ein Bauteil ausgetauscht. Umfangreiche Messungen und Fehleranalysen haben ergeben, dass ein weiterer Defekt vorliegt.“Am Freitag sagte sie: „Für heute ist erneut ein Tiefbautermin geplant. Im Idealfall wird die Störung bei diesem Termin beseitigt.“Die Techniker arbeiteten mit Hochdruck daran, dass der Empfang schnellstmöglich wieder zur Verfügung stehe.
Auskünfte, auf die die Betroffenen bisher vergeblich warteten. „Es gab keine Informationen darüber, was kaputt ist und wie lange es noch dauert“, sagt Wahlenmayer. „Wenn wir wüssten, was geplant ist, könnten wir uns ja darauf einstellen“, meint er. Da helfe nur noch Galgenhumor: „So eine Unfähigkeit ist nur zum Lachen.“
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