Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Evobus steht nicht zum Verkauf“
Abspaltung der Nutzfahrzeug-Sparte von Mercedes wirft Zukunftsfragen in Neu-Ulm auf
NEU-ULM - Das eingemottete Werk in Neu-Ulm ist für Martin Daum, Vorstandsmitglied von Daimler und Vorstandsvorsitzender von Daimler Trucks, eines der „sichtbarsten Bilder“der Corona-Krise. „Ich verstehe die Sorgen der Mitarbeiter“, sagt der 61-Jährige. Um dann deutlich zu machen: „Wir stehen voll und ganz zum Reisebus.“
Große Pläne der Evobus-Mutter hatten Fragen im Werk Neu-Ulm aufgeworfen. Daimler will einen grundlegenden Wandel der Unternehmensstruktur herbeiführen. Aufsichtsrat und Vorstand von Daimler haben beschlossen, das Truck- und Bus-Geschäft für eine eigenständige Börsennotierung abzutrennen. Bei einem virtuellen „runden Tisch“am Freitag erläuterten Daum und Michael Brecht, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, das Vorhaben.
Daum bezeichnet es als „Verschwörungstheorie“, wenn behauptet werde, dass künftig nach der Aufteilung des Geschäfts in zwei unabhängige Unternehmen und Börsennotierung eines Mehrheitsanteils von Daimler Trucks, der Bussparte „eine schützende Hand“fehle. Das neue Unternehmen werde bärenstark. Angst vor einer feindlichen Übernahme habe er nicht. Falls es dafür Interessenten gebe, wäre etwa der Mitbewerber Volvo schon längst von einer anderen Firma übernommen worden. Daum: „Evobus steht nicht zum Verkauf. Zu 0,00 Prozent.“Der Bus sei ein „absoluter Profitbringer“.
Veränderungen würden immer wieder Urängste hervorrufen. Doch die seien hier völlig unangebracht. „Ich bin ein absoluter Fan unserer Bussparte.“Daimler sei mit Bussen Weltmarktführer. Und das bleibe auch in Zukunft in einer eigenen Gesellschaft so. Die Probleme im Werk NeuUlm seien nicht struktureller Art. Allein Corona sei daran schuld. Da aber Reisen eines der Grundbedürfnisse der Menschen sei, werde auch der Reisebus wieder gefragt sein. Das Werk Neu-Ulm werde wieder voll da sein, wenn flächendeckend geimpft worden sei.
Brecht, der Gesamtbetriebsrat, sieht die Politik gefragt, dafür Sorge zu tragen, dass die Reiseunternehmen, die Hauptkunden des Neu-Ulmer Werks, nicht unter die Räder der Krise kommen. Grundsätzlich begrüßt der Arbeitnehmervertreter den Schritt: „Die Transformation unserer Industrie schreitet schnell voran. Damit wir Schritt halten können, müssen wir mutiger und mit schnelleren Entscheidungen Investitionen in Innovationen tätigen.“
Truck-Boss Daum geht nach eigenen Angaben davon aus, dass er auch Chef des neuen Unternehmens sein werde. Daimler Trucks werde als weltweit größter und technologisch führender LKW- und Bushersteller seinen Weg zum emissionsfreien Güterund Personenverkehr beschleunigen. Das bedeute mehr Tempo bei der Entwicklung von Antrieben mit Brennstoffzellen. Durch den Börsengang werde mehr Geld für Innovationen zur Verfügung stehen, was dann letztlich allen Standorten zugutekomme. Das mache die neue Firma deutlich stärker und wettbewerbsfähiger.
Beabsichtigt ist, dass der Mehrheitsanteil von Daimler Trucks an die heutigen Daimler-Aktionäre übertragen wird. Daimler Trucks wird im Zuge dessen volle unternehmerische Freiheit erlangen sowie eine eigenständige Struktur mit einem unabhängigen Aufsichtsratsvorsitzenden besitzen.
Hansjörg Müller, der Betriebsratsvorsitzende des Werks in Neu-Ulm, sieht die Entwicklung gelassen. Es habe sich seit fast zwei Jahren angedeutet. „Ich bin nicht nervös.“Die 3850 Stellen der Stammbelegschaft in NeuUlm seien durch einen Vertrag der Zukunftssicherung bis Ende 2024 gesichert. Müller hat keine Zweifel daran, dass das Papier auch nach der Abtrennung gelte. Denn an der Struktur ändere sich für Evobus eigentlich nichts.
Auch Petra Wassermann, die erste Bevollmächtige der IG Metall, ist relativ gelassen, denn der Schritt sei zwar letztlich plötzlich gekommen, aber absehbar gewesen. „Klar ist, dass Daimler das Wohl der Aktionäre im Blicke hat.“Wassermann hofft, dass der Schritt auch den Mitarbeitern guttue. Das wäre der Fall, wenn wirklich das Geld aus dem Börsengang in den Standort gesteckt werde. Der „Worstcase“wäre laut Wassermann, wenn die Aufspaltung als Vorwand für Sparmaßnahmen hergenommen werde.
„Vielleicht gibt es auch Chancen für uns“, sagt Müller. Mit batterieelektrischen und Brennstoffzellen-getriebenen Antrieben und Neuerungen in Sachen automatisierten Fahrens definierte Daum bereits, wie die Zukunft des Geschäfts aussehen soll.
Daimler Trucks ist der weltweit
von Lastern und Bussen mit führender Marktposition in Europa, Nordamerika und Asien und hat mehr als 35 Hauptstandorte. Mit mehr als 100 000 Mitarbeitern vereint Daimler Trucks sieben Marken unter einem Dach: Bharat-Benz, Freightliner, Fuso, Mercedes-Benz, Setra, Thomas Built Buses und Western Star.
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