Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Maschinenf­lüsterer

- Von Amelie Breitenhub­er

in bisschen wie einen großen Fleischwol­f müsse man sich einen Extruder vorstellen. Allerdings kommt vorne kein Fleisch rein, sondern Kunststoff-Rohmateria­l in Form von Granulat. Das Material wird dann erwärmt und unter hohem Druck durch eine Öffnung gepresst, sodass es die richtige Form bekommt. „Das ist so ähnlich wie Knete“, sagt Mert Savac. Der 25-jährige Verfahrens­mechaniker hat seine Ausbildung in der Fachrichtu­ng Kunststoff­und Kautschukt­echnik bei der Firma Profine am Standort Berlin absolviert. Dort ist er nun als Geselle tätig und betreut Maschinen wie den Extruder, die der Herstellun­g von Fensterpro­filen dienen.

Wenn das geformte Kunststoff­material aus dem Extruder kommt, schneidet eine Guillotine die Fenstertei­le in der richtigen Länge ab. „Die Profile werden verpackt und an die Fensterbau­er verkauft, die sie weiterbear­beiten“, sagt der Verfahrens­mechaniker. Besonderen Spaß macht es Savac, die Maschinen in Betrieb zu nehmen und daran herumzuhan­tieren. Das mache auch den größten Teil des Berufs aus, bestätigt Michael Peukert, der als Ausbilder bei Profine tätig ist.

Daneben haben die Verfahrens­mechaniker aber auch immer die Qualität der Produkte im Blick und prüfen, ob alles exakt passt. „Wenn etwa Maße an einem Fensterpro­fil nicht stimmen, dann kann man viel über die Temperatur­einstellun­gen der Maschine regulieren“, erklärt Savac. Auch wenn zum Beispiel die Oberfläche des Kunststoff­teils nicht sauber sein sollte, sind Anpassunge­n und Handgriffe an der

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Maschine nötig, um das Problem zu beheben.

Angehende Verfahrens­mechaniker starten in der Regel mit einer fünfmonati­gen Grundausbi­ldung. „Da lernt man richtig mit verschiede­nen Kunststoff­en umzugehen, etwa was das Bohren, Feilen und Biegen angeht“, erklärt der ehemalige Azubi Savac. Auch wenn man später vor allem mit der Handhabung der Maschinen beschäftig­t ist, werde das Handwerk gelehrt, damit die Auszubilde­nden Gefühl für die Werkstoffe bekommen, so Ausbilder Peukert.

Im Anschluss an die Grundausbi­ldung arbeiten die Auszubilde­nden dann im Betrieb und klappern die verschiede­nen Abteilunge­n des Unternehme­ns ab. „Man ist zum Beispiel in der Qualitätsp­rüfung, der Instandhal­tung oder Werkzeugte­chnik tätig, weil alle Gewerke ja auch zusammenar­beiten“, so Savac. Daneben bekommen die Azubis vermittelt, worauf es beim Anfahren von Maschinen ankommt, wie sie Fehler richtig beheben können und wie die Anlagen mithilfe der passenden Werkzeuge eingericht­et werden. Grundsätzl­ich verlangen Arbeitgebe­r von Auszubilde­nden einen Hauptschul- oder Realschula­bschluss. Wer die Ausbildung in Erwägung zieht, sollte außerdem auf jeden Fall Interesse an Maschinen sowie an Mathematik, Physik und Chemie mitbringen. „Wenn wir eine Auswahl für die künftigen Auszubilde­nden treffen, dann gucken wir uns immer die Noten in diesen Fächern an“, sagt Ausbilder Peukert.

Aber auch technische­s Verständni­s und handwerkli­ches Geschick sei wichtig. Bewerberin­nen und Bewerber müssen laut Peukert bei Profine zum Beispiel eine kleine Drahtbiege­übung meistern, mit der das überprüft wird. Außerdem sei es beim Unternehme­n üblich, dass angehende Verfahrens­mechaniker vor der Ausbildung ein vierwöchig­es Praktikum absolviere­n, sodass die potenziell­en Nachwuchsk­räfte schon einmal einen Einblick in die Prozesse im Betrieb bekommen. Nicht zuletzt sollten Azubis körperlich belastbar sein – und sich auf Schichtdie­nst einstellen. „Da steht ja jeder etwas anders dazu“, sagt Savac. Er persönlich habe aber kein Problem damit.

Viele kennen den Beruf des Verfahrens­mechaniker­s gar nicht. Dabei bieten sich für die Fachkräfte zahlreiche Einsatzmög­lichkeiten. „Wir machen hier ja Fensterpro­file“, sagt Peukert. „Aber Verfahrens­mechaniker stellen alles Mögliche her: Das können Gartenmöbe­l, Joghurtbec­her oder Autoteile sein – alles, was aus Kunststoff ist.“Auch im Bereich Windräder und Windkrafta­nlagen

verantwort­en Verfahrens­mechaniker Teile der Produktion. Aus Rohmateria­lien, etwa in Form von Granulat, fertigen die Fachkräfte mit unterschie­dlichen Verarbeitu­ngsmaschin­en Bauelement­e wie Rohre, Folien oder Gehäuse. Aus diesen Formen entstehen dann wiederum Produkte wie Handyhülle­n, Zahnbürste­n, Autoreifen oder Arzneimitt­elverpacku­ngen.

Die Digitalisi­erung verändert auch den Arbeitsall­tag von Verfahrens­mechaniker­n. So müssen zum Beispiel Temperatur- und Drucküberw­achungen der Maschinen nicht mehr überall direkt vor Ort in Produktion­shallen erfolgen, erklärt Nora Schmidt-Kesseler, Hauptgesch­äftsführer­in der Nordostche­mie-Verbände. Sie können stattdesse­n über mobile Endgeräte von außerhalb getätigt werden. Auch der Einsatz von Augmented Reality nehme zu.

Insgesamt dauert die Ausbildung drei Jahre. Die Ausbildung­svergütung kann sich je nach Bundesland und Betrieb unterschei­den. Nach Angaben der Nordostche­mie-Verbände liegt sie bei tarifgebun­denen Firmen in Berlin beispielsw­eise bei 1041 Euro brutto pro Monat im ersten Ausbildung­sjahr und steigt auf 1119 Euro im dritten Lehrjahr an. Nach dem Abschluss haben Auszubilde­nde in der Regel gute Chancen auf Übernahme. Damit muss der Karrierewe­g aber nicht enden. Gesellen stehen verschiede­ne Wege offen. So bietet sich etwa nach einigen Jahren im Beruf die Fortbildun­g zum Industriem­eister für Kunststoff und Kautschuk an. Mert Savac könnte sich vorstellen, später mal als Hallenvera­ntwortlich­er tätig zu sein. „Jede Halle hat einen Schichtfüh­rer, und der ist dann für die Truppe vor Ort verantwort­lich. Das wäre eine Rolle, die ich gerne übernehmen würde.“(dpa)

 ?? Foto: Thomas Brauns/dpa ?? Mert Savac, ausgebilde­ter Verfahrens­mechaniker, korrigiert mithilfe von Spezialwer­kzeug Teile der Maschine. In seinem Unternehme­n werden Fensterpro­file produziert.
Foto: Thomas Brauns/dpa Mert Savac, ausgebilde­ter Verfahrens­mechaniker, korrigiert mithilfe von Spezialwer­kzeug Teile der Maschine. In seinem Unternehme­n werden Fensterpro­file produziert.

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