Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Wie falsche Polizisten Senioren neppen
Banden aus der Türkei ziehen ihnen das Geld aus der Tasche – Zwei vor Gericht in Ulm
ULM - Millionengewinne macht eine Bande aus der Türkei mit dem mittlerweile bekannten, aber immer noch erfolgreichen Trick, falsche Polizisten einzusetzen, um Senioren um Bargeld, Gold und Schmuck zu erleichtern. Allein an einem einzigen Januarwochenende registrierte die Polizei in der Region 40 Betrugsfälle dieser Art, bei denen vermutlich Deutschtürken von Call-Centern im Ausland aus ihrem lukrativen Telefon-Geschäft nachgingen. Am stärksten sind Ulmer Bürger betroffen. Wie erfolgreich die Betrüger arbeiten, zeigt ein Fall aus der Region.
Der Betrug hat mittlerweile in ganz Deutschland den sogenannten Enkeltrick abgelöst, weil die Erfolgsaussichten für die Kriminellen viel größer sind. Die Opfer werden von einem Betrüger angerufen, der sich in perfektem Deutsch als zuständiger Kriminalbeamter ausgibt und behauptet, in der Nachbarschaft des oder der Angerufenen sei eingebrochen worden. Und eines der nächsten Opfer solle der oder die Angerufene sein. Die Polizei biete sich als Helfer an und bringe die Vermögenswerte
aller Art in Sicherheit.
Auf dem Display des Telefons erscheint durch einen technischen Trick oft die Notrufnummer 110, was Vertrauen der Opfer schaffen soll und in einigen Fällen funktioniert. Zur Bank solle das mögliche Opfer eines künftigen Einbruchs die Wertsachen nicht bringen, weil Mitarbeiter der Bank mit den Tätern unter einer Decke steckten. Man will nicht glauben, wie viel ältere Menschen vor allem in Ulm den Betrügern auf den Leim gehen.
Zu einem ausgemachten Zeitpunkt, so der Betrüger am Telefon weiter, komme dann ein Polizeikollege vorbei und bringe die Wertsachen in Sicherheit. Doch die sehen die Menschen nie wieder. Ein sogenannter Kurier holt die Ware ab und verschwindet auf Nimmerwiedersehen.
Die falschen Polizisten werden telefonisch oder über Facebook von der Türkei aus in Deutschland angeheuert und bekommen ein Fahrtgeld pro Tag von 1500 Euro. Dann übernimmt ein anonymer Mann, der die Beute in die Türkei fährt. Dieses Vorgehen hat jetzt eine Gerichtsverhandlung zutage gefördert. Die Drahtzieher konnten größtenteils bisher nicht ermittelt werden. Lediglich die Kuriere, die durch den satten Lohn angelockt werden, wurden in mehreren Fällen erwischt.
So musste sich im vergangenen Jahr ein 25-jähriger Mann aus Lonsee vor dem Ulmer Landgericht verantworten, der für die Bande als Abholer gearbeitet hatte und in die Rolle eines falschen Polizisten geschlüpft war. Die große Strafkammer verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Die Richter hielten dem Mann zugute, dass er von Beginn an kooperativ mit Polizei und Gericht zusammengearbeitet und wertvolle Einblicke in die raffinierte Arbeitsweise der Drahtzieher gegeben hat. Seine Aussagen führten zur Festnahme zweier weiterer falscher Polizisten im Neu-Ulmer Raum. Damals erbeutete der Lonseer für die Bande im Hintergrund in wenigen Monaten rund 380 000 Euro.
Wie rasant die Erfolgszahlen der Macher in der Türkei gewachsen sind, zeigt sich an einem weiteren Prozess am Ulmer Landgericht gegen einen falschen Polizisten aus dem Januar dieses Jahres. Da waren 15 Einzeltaten mit einer Schadenssumme von rund 800 000 Euro angeklagt. Der Angeklagte hatte im Zeitraum von Oktober und November 2020 innerhalb von vier Wochen diese Beute als falscher Polizist gemacht und sie an die Hintermänner übergeben. In einem Fall hat ein Mann allein 435 000 Euro (mit Goldbarren) an den falschen Kriminalbeamten übergeben. Die Taten verteilen sich auf den Großraum Ulm und vereinzelt auch auf Augsburg und München.
Auch dieser Angeklagte machte vor Gericht reinen Tisch und gab alles zu. Doch dieses Mal griff die Kammer durch und verurteilte den falschen Polizisten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten.