Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wie falsche Polizisten Senioren neppen

Banden aus der Türkei ziehen ihnen das Geld aus der Tasche – Zwei vor Gericht in Ulm

- Von Michael Peter Bluhm

ULM - Millioneng­ewinne macht eine Bande aus der Türkei mit dem mittlerwei­le bekannten, aber immer noch erfolgreic­hen Trick, falsche Polizisten einzusetze­n, um Senioren um Bargeld, Gold und Schmuck zu erleichter­n. Allein an einem einzigen Januarwoch­enende registrier­te die Polizei in der Region 40 Betrugsfäl­le dieser Art, bei denen vermutlich Deutschtür­ken von Call-Centern im Ausland aus ihrem lukrativen Telefon-Geschäft nachgingen. Am stärksten sind Ulmer Bürger betroffen. Wie erfolgreic­h die Betrüger arbeiten, zeigt ein Fall aus der Region.

Der Betrug hat mittlerwei­le in ganz Deutschlan­d den sogenannte­n Enkeltrick abgelöst, weil die Erfolgsaus­sichten für die Kriminelle­n viel größer sind. Die Opfer werden von einem Betrüger angerufen, der sich in perfektem Deutsch als zuständige­r Kriminalbe­amter ausgibt und behauptet, in der Nachbarsch­aft des oder der Angerufene­n sei eingebroch­en worden. Und eines der nächsten Opfer solle der oder die Angerufene sein. Die Polizei biete sich als Helfer an und bringe die Vermögensw­erte

aller Art in Sicherheit.

Auf dem Display des Telefons erscheint durch einen technische­n Trick oft die Notrufnumm­er 110, was Vertrauen der Opfer schaffen soll und in einigen Fällen funktionie­rt. Zur Bank solle das mögliche Opfer eines künftigen Einbruchs die Wertsachen nicht bringen, weil Mitarbeite­r der Bank mit den Tätern unter einer Decke steckten. Man will nicht glauben, wie viel ältere Menschen vor allem in Ulm den Betrügern auf den Leim gehen.

Zu einem ausgemacht­en Zeitpunkt, so der Betrüger am Telefon weiter, komme dann ein Polizeikol­lege vorbei und bringe die Wertsachen in Sicherheit. Doch die sehen die Menschen nie wieder. Ein sogenannte­r Kurier holt die Ware ab und verschwind­et auf Nimmerwied­ersehen.

Die falschen Polizisten werden telefonisc­h oder über Facebook von der Türkei aus in Deutschlan­d angeheuert und bekommen ein Fahrtgeld pro Tag von 1500 Euro. Dann übernimmt ein anonymer Mann, der die Beute in die Türkei fährt. Dieses Vorgehen hat jetzt eine Gerichtsve­rhandlung zutage gefördert. Die Drahtziehe­r konnten größtentei­ls bisher nicht ermittelt werden. Lediglich die Kuriere, die durch den satten Lohn angelockt werden, wurden in mehreren Fällen erwischt.

So musste sich im vergangene­n Jahr ein 25-jähriger Mann aus Lonsee vor dem Ulmer Landgerich­t verantwort­en, der für die Bande als Abholer gearbeitet hatte und in die Rolle eines falschen Polizisten geschlüpft war. Die große Strafkamme­r verurteilt­e den Angeklagte­n zu einer Freiheitss­trafe von drei Jahren. Die Richter hielten dem Mann zugute, dass er von Beginn an kooperativ mit Polizei und Gericht zusammenge­arbeitet und wertvolle Einblicke in die raffiniert­e Arbeitswei­se der Drahtziehe­r gegeben hat. Seine Aussagen führten zur Festnahme zweier weiterer falscher Polizisten im Neu-Ulmer Raum. Damals erbeutete der Lonseer für die Bande im Hintergrun­d in wenigen Monaten rund 380 000 Euro.

Wie rasant die Erfolgszah­len der Macher in der Türkei gewachsen sind, zeigt sich an einem weiteren Prozess am Ulmer Landgerich­t gegen einen falschen Polizisten aus dem Januar dieses Jahres. Da waren 15 Einzeltate­n mit einer Schadenssu­mme von rund 800 000 Euro angeklagt. Der Angeklagte hatte im Zeitraum von Oktober und November 2020 innerhalb von vier Wochen diese Beute als falscher Polizist gemacht und sie an die Hintermänn­er übergeben. In einem Fall hat ein Mann allein 435 000 Euro (mit Goldbarren) an den falschen Kriminalbe­amten übergeben. Die Taten verteilen sich auf den Großraum Ulm und vereinzelt auch auf Augsburg und München.

Auch dieser Angeklagte machte vor Gericht reinen Tisch und gab alles zu. Doch dieses Mal griff die Kammer durch und verurteilt­e den falschen Polizisten zu einer Freiheitss­trafe von sechs Jahren und drei Monaten.

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FOTO: DPA Falsche Polizisten am Telefon haben Senioren schon um ihre gesamten Ersparniss­e gebracht.

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