Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Corona, geh woanders spielen!“– Ein „Luftschloss“für den Zauber der Bühne
Hanna Pelikan und Saskia Hinze leiten das mobile Kinder- und Jugendtheater Luftschloss – Gespräch über Goethes Faust, Probenarbeit in der Videokonferenz – und Hoffnung
NEU-ULM - So ein Luftschloss ist ein Ort für Traumtänzer, eine Gedankenprachtburg mit hundert Zinnen und Erkern, das aber nur in der Fantasie existiert. Luftschluss, also nähe Elfenbeinturm, Ecke Wolkenkuckucksheim? Das Neu-Ulmer „Theater Luftschloss“will Mut machen, gerade für solche Träumereien, für mehr Fantasie im Leben – aber mit Bodenhaftung. Echt, wirklich und unmittelbar.
Das mobile Kinder- und Jugendtheater bietet Erlebnisse auf und hinter der Bühne an, gestaltet Workshops zum Schreiben und Filmen, auch Ausstellungen. Mit jungen Menschen arbeitet das Theater auf Bühnen, an Schulen und Kulturorten in und um Neu-Ulm. Auch in der Corona-Krise planen die beiden Chefinnen des Theaters immer weiter. Hanna Pelikan erklärt: „Wir haben bisher durchaus Glück gehabt, wir sind einigermaßen gut durch die Krise gekommen. Aber natürlich fragen auch wir uns immer wieder, wie lange das alles noch gut geht.“
Die Ideen scheinen dem Theater trotzdem nicht auszugehen. Saskia Hinze, die andere Chefin des Projekttheaters,
erklärt, woran sie gerade mit ihrer Kollegin im Büro tüftelt: „Unser neustes Projekt soll eine
Ausstellung werden. Wir haben 300 Kinder und Jugendliche gefragt: Wie hast du die Corona-Zeit erlebt?“Die
Grundidee: Kinder und Jugendliche haben etwas zu erzählen über den Lockdown. Schule geschlossen, Treffen mit Freunden nicht möglich – was fehlt ihnen da am meisten? Gibt es trotzdem schöne Momente?
Ihre Antworten haben die Kinder und Jugendlichen auf Zetteln notiert und dem Theater Luftschloss anvertraut. Der Titel der Aktion strotzt dabei vor Trotz: „Corona, geh woanders spielen! – Was würdest du dem Coronavirus sagen?“Schon zweimal wurde die Ausstellung verschoben, jetzt soll sie Ende März in der Stadtbücherei Neu-Ulm eröffnen.
Das Theater Luftschloss verwirklicht seine Ideen mit Zuschüssen, vor allem von Stadt, Kreis und Land, von Projekt zu Projekt. Theaterpädagogik und Workshops, Fortbildungen und Kunstvermittlung – dabei baut das Duo auch auf Begegnung und Vielfalt. Zum Beispiel im Generationen-Ensemble, das jetzt immer wieder im Netz per Videoschalte probt. „In unserem Generationen-Ensemble spielen Schauspieler von 11 bis 61 Jahren. Die digitale Probenarbeit per Video läuft da gerade erstaunlich konzentriert. Wir sind selbst überrascht“, erzählt Hinze und lacht.
Dabei hat sich das Ensemble jetzt den Klassiker aller Klassiker vorgenommen. Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Pelikan möchte noch nicht zu viel verraten, aber viele Hobbydarsteller aus dem Ensemble sollen die Chance bekommen, sich an den Faust und den Pudel heranzuwagen: „Für uns war schnell klar, dass wir die beiden Hauptrollen Faust und Mephisto mit mehreren Personen besetzen. Vier Schauspieler spielen den Faust, vier den Mephisto.“Das Duo hat seine eigenen Erfahrung gesammelt, wie man solche Werke aus der Schwergewichtsklasse jeder Generation vermitteln kann. Hinze erzählt: „Wir haben auch schon Shakespeares Hamlet mit Schülern einer Mittelschule auf die Bühne gebracht, und Hamlet ist ein Teenie, der gegen seine Eltern rebelliert. Da sehen die Kinder und Jugendlichen, dass es auch ihre Lebenswelt trifft.“
Wenn die Theatermacherinnen erzählen, scheint durch, wie viel Philosophie in ihren Projekten steckt: „Wir wollen Kunst und Kultur für Kinder und Jugendliche nicht nur pädagogisch vermitteln“, erklärt Pelikan. „Einerseits geht es ums Lernen, andererseits einfach um Kunst an sich, mit allem Spaß und Ernst. Das sind für uns die zwei Seiten einer Medaille.“Theaterarbeit, nicht nur mit jungen Menschen, bedeutet immer auch ein Stück Charakterbildung. Denn die Kunst ist oft genug unberechenbar: „Man muss viel planen, aber auch umwerfen, spontan sein. Es geht dabei auch um Unsicherheitskompetenz: Ein Schauspieler muss es aushalten, wenn er auf der Bühne überrascht wird und gerade einmal nicht weiter weiß.“
In diesen Tagen erlebt das Luftschloss-Duo immer wieder Lichtblicke in der Corona-Krise. „Was uns Hoffnung macht, ist gerade oft die Planung der anderen. Institutionen kommen auf uns zu und wollen mit uns Projekte gestalten, auch wenn die Lage momentan noch so ungewiss ist“, sagt Pelikan.
Die Theaterpädagogin hofft auf die wärmeren Tage im Jahr, auf Open-Air-Projekte. Sehr gerne würden sie wieder einmal ein Musical an der Vöhringer Mittelschule gestalten. Pelikan glaubt an die Kraft und an die Widerstandsfähigkeit der Kultur, auch in der Pandemie: „Das ist das Wesen von Kunst und Kultur, die seit der griechischen Antike und schon viel länger alle Krisen überlebt haben.“