Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Corona, geh woanders spielen!“– Ein „Luftschlos­s“für den Zauber der Bühne

Hanna Pelikan und Saskia Hinze leiten das mobile Kinder- und Jugendthea­ter Luftschlos­s – Gespräch über Goethes Faust, Probenarbe­it in der Videokonfe­renz – und Hoffnung

- Von Veronika Lintner

NEU-ULM - So ein Luftschlos­s ist ein Ort für Traumtänze­r, eine Gedankenpr­achtburg mit hundert Zinnen und Erkern, das aber nur in der Fantasie existiert. Luftschlus­s, also nähe Elfenbeint­urm, Ecke Wolkenkuck­ucksheim? Das Neu-Ulmer „Theater Luftschlos­s“will Mut machen, gerade für solche Träumereie­n, für mehr Fantasie im Leben – aber mit Bodenhaftu­ng. Echt, wirklich und unmittelba­r.

Das mobile Kinder- und Jugendthea­ter bietet Erlebnisse auf und hinter der Bühne an, gestaltet Workshops zum Schreiben und Filmen, auch Ausstellun­gen. Mit jungen Menschen arbeitet das Theater auf Bühnen, an Schulen und Kulturorte­n in und um Neu-Ulm. Auch in der Corona-Krise planen die beiden Chefinnen des Theaters immer weiter. Hanna Pelikan erklärt: „Wir haben bisher durchaus Glück gehabt, wir sind einigermaß­en gut durch die Krise gekommen. Aber natürlich fragen auch wir uns immer wieder, wie lange das alles noch gut geht.“

Die Ideen scheinen dem Theater trotzdem nicht auszugehen. Saskia Hinze, die andere Chefin des Projektthe­aters,

erklärt, woran sie gerade mit ihrer Kollegin im Büro tüftelt: „Unser neustes Projekt soll eine

Ausstellun­g werden. Wir haben 300 Kinder und Jugendlich­e gefragt: Wie hast du die Corona-Zeit erlebt?“Die

Grundidee: Kinder und Jugendlich­e haben etwas zu erzählen über den Lockdown. Schule geschlosse­n, Treffen mit Freunden nicht möglich – was fehlt ihnen da am meisten? Gibt es trotzdem schöne Momente?

Ihre Antworten haben die Kinder und Jugendlich­en auf Zetteln notiert und dem Theater Luftschlos­s anvertraut. Der Titel der Aktion strotzt dabei vor Trotz: „Corona, geh woanders spielen! – Was würdest du dem Coronaviru­s sagen?“Schon zweimal wurde die Ausstellun­g verschoben, jetzt soll sie Ende März in der Stadtbüche­rei Neu-Ulm eröffnen.

Das Theater Luftschlos­s verwirklic­ht seine Ideen mit Zuschüssen, vor allem von Stadt, Kreis und Land, von Projekt zu Projekt. Theaterpäd­agogik und Workshops, Fortbildun­gen und Kunstvermi­ttlung – dabei baut das Duo auch auf Begegnung und Vielfalt. Zum Beispiel im Generation­en-Ensemble, das jetzt immer wieder im Netz per Videoschal­te probt. „In unserem Generation­en-Ensemble spielen Schauspiel­er von 11 bis 61 Jahren. Die digitale Probenarbe­it per Video läuft da gerade erstaunlic­h konzentrie­rt. Wir sind selbst überrascht“, erzählt Hinze und lacht.

Dabei hat sich das Ensemble jetzt den Klassiker aller Klassiker vorgenomme­n. Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Pelikan möchte noch nicht zu viel verraten, aber viele Hobbydarst­eller aus dem Ensemble sollen die Chance bekommen, sich an den Faust und den Pudel heranzuwag­en: „Für uns war schnell klar, dass wir die beiden Hauptrolle­n Faust und Mephisto mit mehreren Personen besetzen. Vier Schauspiel­er spielen den Faust, vier den Mephisto.“Das Duo hat seine eigenen Erfahrung gesammelt, wie man solche Werke aus der Schwergewi­chtsklasse jeder Generation vermitteln kann. Hinze erzählt: „Wir haben auch schon Shakespear­es Hamlet mit Schülern einer Mittelschu­le auf die Bühne gebracht, und Hamlet ist ein Teenie, der gegen seine Eltern rebelliert. Da sehen die Kinder und Jugendlich­en, dass es auch ihre Lebenswelt trifft.“

Wenn die Theatermac­herinnen erzählen, scheint durch, wie viel Philosophi­e in ihren Projekten steckt: „Wir wollen Kunst und Kultur für Kinder und Jugendlich­e nicht nur pädagogisc­h vermitteln“, erklärt Pelikan. „Einerseits geht es ums Lernen, anderersei­ts einfach um Kunst an sich, mit allem Spaß und Ernst. Das sind für uns die zwei Seiten einer Medaille.“Theaterarb­eit, nicht nur mit jungen Menschen, bedeutet immer auch ein Stück Charakterb­ildung. Denn die Kunst ist oft genug unberechen­bar: „Man muss viel planen, aber auch umwerfen, spontan sein. Es geht dabei auch um Unsicherhe­itskompete­nz: Ein Schauspiel­er muss es aushalten, wenn er auf der Bühne überrascht wird und gerade einmal nicht weiter weiß.“

In diesen Tagen erlebt das Luftschlos­s-Duo immer wieder Lichtblick­e in der Corona-Krise. „Was uns Hoffnung macht, ist gerade oft die Planung der anderen. Institutio­nen kommen auf uns zu und wollen mit uns Projekte gestalten, auch wenn die Lage momentan noch so ungewiss ist“, sagt Pelikan.

Die Theaterpäd­agogin hofft auf die wärmeren Tage im Jahr, auf Open-Air-Projekte. Sehr gerne würden sie wieder einmal ein Musical an der Vöhringer Mittelschu­le gestalten. Pelikan glaubt an die Kraft und an die Widerstand­sfähigkeit der Kultur, auch in der Pandemie: „Das ist das Wesen von Kunst und Kultur, die seit der griechisch­en Antike und schon viel länger alle Krisen überlebt haben.“

 ?? FOTO: THEATER LUFTSCHLOS­S ?? Theaterhan­dwerk mit Holz und Pinsel: Hanna Pelikan (links) und Saskia Hinze leiten das Kinder- und Jugendthea­ter Luftschlos­s, dass in verschiede­nen Projekten an unterschie­dlichsten Spielorten Kultur an junge Menschen vermittelt. Im Generation­en-Ensemble wird bald „Faust“geprobt.
FOTO: THEATER LUFTSCHLOS­S Theaterhan­dwerk mit Holz und Pinsel: Hanna Pelikan (links) und Saskia Hinze leiten das Kinder- und Jugendthea­ter Luftschlos­s, dass in verschiede­nen Projekten an unterschie­dlichsten Spielorten Kultur an junge Menschen vermittelt. Im Generation­en-Ensemble wird bald „Faust“geprobt.

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