Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Handwerkskammer fordert Exit-Strategie für Betriebe
Allein im Kreis Biberach sind 163 Kosmetiker und 218 Friseure wegen Corona geschlossen
KREIS BIBERACH (sz) - Der Impfstoff wird wegen der Lieferengpässe aller Voraussicht nach bis ins Frühjahr 2021 hinein knapp bleiben. Umso mehr wünsche sich und brauche das Handwerk jetzt eine Strategie von der Politik, wie in den kommenden Wochen die Einschränkungen für die Bevölkerung allgemein und speziell für die Wirtschaft gestaltet werden sollen. Die Handwerkskammern haben deshalb für das baden-württembergische Handwerk einen Vorschlag für eine Exit-Strategie erarbeitet.
Diese Strategie schlägt eine behutsame, dem Gesundheitsschutz entsprechende
Öffnung für Handwerksbetriebe und Bildungseinrichtungen ab dem 15. Februar 2021 vor. Denn die Lage für die betroffenen Handwerksbetriebe verschärfe sich von Tag zu Tag mehr. Mit jeder weiteren Verlängerung der Maßnahmen leiden die Handwerksbetriebe zunehmend unter den Auswirkungen des Lockdowns. Allein im Gebiet der Handwerkskammer Ulm von der Ostalb bis zum Bodensee sind mehr als 3000 der insgesamt 19 500 Betriebe von den aktuellen Schließungen direkt betroffen. In diesen Betrieben – hauptsächlich Friseur- und Kosmetikbetriebe – arbeiten knapp 10 000 Beschäftigte. „Es kann nicht einfach immer weiter und weiter so gehen. Es ist für sehr viele Betriebe jetzt zwölf“, so Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm. Weil auch die zugesagten Finanzhilfen des Bundes weiter auf sich warten lassen oder bislang nur teilweise ausgezahlt werden, werde die Situation zunehmend existenzgefährdend. Deshalb wachse im regionalen Handwerk der Unmut und das Unverständnis.
Die Betriebe benötigen jetzt eine klare Perspektive: Sie brauchen die finanziellen Unterstützungsleistungen und sie brauchen Klarheit, wann und in welcher Form sie wieder öffnen dürfen. Sonst droht die Stimmung zunehmend zu kippen. Daher brauche es jetzt eine Exit-Strategie. Das Handwerk schlägt ein schrittweises Vorgehen für Öffnungen vor – in Kombination mit effektiven Hygienekonzepten. Bei einer Inzidenz unter 100 sollen alle Gewerke im Handwerk, also auch körpernahe Dienstleistungen wie Friseure und Kosmetiker, ihrer Tätigkeit wieder uneingeschränkt nachgehen dürfen. In der Stadt Ulm und den sechs Landkreisen im Gebiet der Handwerkskammer Ulm gibt es insgesamt 1381 Kosmetikbetriebe und 1699 Friseurbetriebe. Davon befinden sich 174 Kosmetiker/219 Friseure im Alb-DonauKreis, 163/218 im Landkreis Biberach, 217/236 im Bodenseekreis, 121/130 im Landkreis Heidenheim, 283/402 im Ostalbkreis, 281/361 im Landkreis Ravensburg und 142/133 im Stadtgebiet Ulm.
Auch für die Aus- und Weiterbildung, insbesondere in den überbetrieblichen Bildungsstätten des Handwerks, ist ein strategisches Vorgehen vonnöten. „Nicht nur Abiturprüfungen stehen an, auch viele Gesellenund Meisterprüfungen. Sie gilt es ernst zu nehmen und den Kandidaten keine Steine in den Weg ihrer beruflichen Entwicklung zu legen“, sagt Mehlich.
„Es ist für sehr viele Betriebe jetzt zwölf.“
Tobias Mehlich