Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die Rückkehr des Leitwolfes
Beim Spiel zwischen dem VfB Stuttgart und Hertha BSC Berlin sind die Blicke vor allem auf Weltmeister Sami Khedira gerichtet
STUTTGART - Pal Dardai lebt den Traum von Millionen Jungs. Der Ungar war Fußballprofi und verdient sein Geld mittlerweile als Trainer. Nachdem er bereits zwischen 2015 und 2019 die Profis von Hertha BSC betreut hatte, folgte der 44-Jährige im Januar erneut als Nachfolger von Bruno Labbadia als Cheftrainer beim kriselnden Hauptstadtclub. Und dennoch, als Kind hatte Dardai eigentlich einen anderen Berufswunsch: „Ich wollte Tierarzt werden. Ich kenne die Tiere, alle Tiere kenne ich. Ob Haustiere oder Wildtiere, ihr könnt Fragen stellen, ich werde eine sehr gute Antwort geben“, verriet der 44-Jährige den Journalisten bei der Pressekonferenz vor dem Auswärtsspiel beim VfB Stuttgart am Samstag (15.30 Uhr/Sky) und demonstrierte zugleich sein Wissen: „In Australien lebt das rote Känguru. Dieses Känguru kann neun Meter weit springen, drei Meter hoch springen und läuft mit 60 km/h“, zog der Trainer einen Vergleich zu Stürmer Dodi Lukebakio, der vor allem von seiner Geschwindigkeit und Sprungkraft lebt.
Welches Tier seinem neuen Mittelfeldorganisator Sami Khedira am ehesten gleicht, ließ Dardai offen, klar ist aber, dass die Hertha den Weltmeister von 2014 als Anführer geholt hat, der den auf Platz 15 abgerutschten Club wieder in die Spur bringen soll.
„Sami ist für mich ein Stabilisator“, sagte sein Trainer. Bei seinem NeunMinuten-Debüt in der Vorwoche gegen die Bayern zeigte der Khedira bereits, welchen Wert er für die Berliner haben könnte. Im dichten Schneetreiben präsentierte sich der 33-Jährige als Mitreißer, Mutmacher, Wachrüttler – und Teamplayer: „Das ist keine One-Man-Show. Das ist eine Mannschaft“, sagte er nach der knappen 1:2Niederlage gegen den Dauermeister.
Am ehesten passt auf all diese Attribute
wohl der Vergleich „Leitwolf“. Dass er führen kann, hat Sami Khedira ausreichend bewiesen: beim VfB Stuttgart, beim dem er ausgebildet wurde und mit dem er 2007 Deutscher Meister wurde, bei Real Madrid (Meister, Pokalsieger, ChampionsLeague-Sieger), Juventus Turin (unter anderem fünf Meisterschaften) und in der deutschen Nationalelf, mit der er 2014 den Weltmeistertitel holte. Nur scheint das Alphatier mittlerweile ein wenig altersmüde. Für Juventus absolvierte er in den vergangenen acht Monaten gerade mal ein Pflichtspiel, seit seinem Wechsel zu Hertha in der Vorwoche kamen nur neun Minuten hinzu. Ein Startelf-Einsatz kommt für den gebürtigen Stuttgarter bei der Rückkehr in seine Heimatstadt deshalb zu früh. „Irgendwann kommt der Moment, wo er eine Halbzeit spielt oder noch mehr“, sagte Dardai, der das Vertrauen im defensiven Mittelfeld vorerst lieber dem Ex-Stuttgarter Santiago Ascacibar ausspricht.
Beim VfB freut man sich dennoch auf die Rückkehr des Meisters von 2007. „Ich glaube, es tut der Bundesliga gut, so einen Spieler wieder zurückzugewinnen“, sagte Trainer Pellegrino Matarazzo und meinte: „Der VfB Stuttgart kann schon ein Stück weit stolz sein, so einen großartigen Spieler begleitet und auch entwickelt zu haben. Ich freue mich darauf, ihn kennenzulernen.“
Allzu lange wollte sich der Coach der Schwaben jedoch nicht mit dem Gegner aufhalten, sein Blick gilt der eigenen Mannschaft. Und da macht ihm ausgerechnet die von Khedira seit Jahren so gut ausgefüllte Position im zentralen Mittelfeld Sorgen. Kapitän Gonzalo Castro, normalerweise auf der Acht gesetzt, soll nach einem Muskelfaserriss im Oberschenkel am Freitag zwar das Abschlusstraining absolvieren, ob er aber schon eine Option für das Spiel ist, sei noch offen, sagte Matarazzo. „Es wird eng.“Verzichten muss er auf jeden Fall länger auf Stürmer Nicolás González, der mit einem Faserriss mindestens vier Wochen fehlen wird und aktuell zur Reha in seiner Heimat Argentinien weilt.
Beim Vorhaben, nach zuletzt nur einem Sieg aus den vergangenen fünf Bundesliga-Partien endlich wieder dreifach zu punkten, müssen also andere die Verantwortung übernehmen. Eventuell springt ja einer der Jungen in die Bresche – so wie einst Sami Khedira vor seinem Weg zum Weltstar.