Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Regeln müssen erreichbar sein
Der Leumund der Autoindustrie ist schlecht – und dieses Urteil ist in weiten Teilen gerechtfertigt. Der Dieselskandal hat gezeigt, dass die Unternehmen lange alles daran gesetzt haben, die strenger werdenden Regeln zu umgehen, anstatt technologische Lösungen zu finden, um Emissionen wirkungsvoll zu senken. Nicht zu vergessen ist dabei allerdings auch das unheilvolle Wirken einer unionsgeführten Bundesregierung, die EU-Vorgaben über Jahre immer wieder versucht hat abzuschwächen. Der Draht der Autoindustrie ins Kanzleramt und ins Bundesverkehrsministerium war kurz, und die Manager konnten meist darauf setzen, dass Richtlinien aus Brüssel in Deutschland nicht konsequent umgesetzt werden und dass Behörden wie das Kraftfahrtbundesamt sie nachlässig überprüfen.
Vor diesem Hintergrund ist jedes Misstrauen gegen die Unternehmen der Autoindustrie zu verstehen und auch die Frage gerechtfertigt, ob die Konzerne mit ihren Klagen den notwendigen Wandel nicht einfach nur noch etwas verzögern wollen. Doch die Realität sieht ganz anders aus: Die Konzerne und ihre Zulieferer haben sich auf den Weg gemacht und suchen nach Lösungen, um die individuelle Mobilität in Zeiten des Klimawandels nachhaltig zu machen.
Diesen Weg müssen die politisch Verantwortlichen in Brüssel wie in Berlin unterstützen – egal wie falsch die Konzerne in den Jahren zuvor gehandelt haben. Der Grund ist einfach: Es steht zu viel auf dem Spiel. Die Autoindustrie zählt in Deutschland und noch mehr in Baden-Württemberg zu den wichtigen Branchen, die den Wohlstand und die materielle Sicherheit von Hunderttausenden von Menschen sichern.
Ein verantwortungsvolles politisches Handeln gibt der Industrie die Chance, den Wandel vom Verbrenner zum Elektroantrieb wirtschaftlich erfolgreich zu bestehen. Es geht nicht um laxe, sondern um strenge, aber erreichbare Vorgaben. Der Weg in die elektromobile Welt ist unumkehrbar, aber die Konzerne brauchen noch für einige wenige Jahre die Umsätze aus dem Geschäft mit Benzin- und Dieselautos. Ohne diese Einnahmen wird die für das Gemeinwesen wichtige Branche nachhaltig geschädigt.