Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Draghi und sein Kabinett der „liebsten Feinde“
Italiens neue Einheitsregierung leistet Amtseid – Die Aufgaben sind groß und die Zeit drängt
ROM (dpa) - In Italien haben der neue Regierungschef Mario Draghi und sein parteiübergreifendes Einheitskabinett ihre Arbeit für einen Neustart des von Corona geschwächten Landes aufgenommen. Welchen Kurs der frühere Zentralbankchef genau steuern will, dazu schwieg er sich bis Sonntag in der Öffentlichkeit aus. Nach Medienberichten forderte der 73-Jährige beim ersten Kabinettstreffen kurz nach dem Amtseid am Samstag das Ende alter Rivalitäten. Die Zeitung „La Repubblica“sieht um Draghi eine Einsatztruppe der „liebsten Feinde“versammelt.
„Unsere Regierung wird eine des Umweltschutzes sein“, zitierten Zeitungen am Sonntag den früheren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) aus dem Treffen mit den 23 Ministern und Ministerinnen im Palazzo Chigi, seinem Amtssitz. Trotz der dürren Informationen machten Beobachter den Öko-Hinweis als Signal an die EU aus. Brüssel hatte im Gegenzug für milliardenschwere Corona-Hilfen mehr „grünen“Wandel von den Mitgliedern gefordert.
Ähnliches gilt für mehrere Namen von Draghis Kabinettsliste – wie Daniele Franco, Ex-Manager der Banca d’Italia, als Finanzminister. Franco wird in Rom als Garant gesehen, dass Brüssel sich auf einen sinnvoll gesteuerten Umgang mit EUHilfszahlungen verlassen kann.
Die Regierung des parteiunabhängigen Ökonomen Draghi stützt sich einerseits auf die Parteien der alten Mitte-Links-Regierung des gescheiterten Premiers Giuseppe Conte. Die meisten Posten gingen dabei an die populistische Fünf-Sterne-Bewegung. Zudem sitzen große Teile der konservativ-rechten Opposition am Tisch. Hinzu kommen acht Experten aus Wirtschaft, Justiz und Wissenschaft. Die meisten von ihnen gelten als Vertraute Draghis oder des Staatschefs Sergio Mattarella.
In der breiten Basis liegt Draghis Chance. Sie ist zugleich eine von mindestens fünf großen Herausforderungen, die viele Medien ausgemacht haben: Der innere Zusammenhalt seines Teams gilt seit Bekanntgabe der Namen als Knackpunkt. Weitere zentrale Baustellen sind: das Sichern der rund 209 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds, eine beschleunigte Corona-Impfkampagne, der Kampf gegen die Wirtschaftskrise und der gegen die drohende soziale Misere.