Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Teurer Kraftstoff
Warum Rohöl und andere Rohstoffe boomen und was das für die Preise von Benzin, Diesel und Heizöl bedeutet
FRANKFURT - Die Ölpreise an den Rohstoffmärkten haben in den vergangenen Woche zum Höhenflug angesetzt: Am Dienstag erreichten sie den höchsten Preis seit mehr als einem Jahr – auch wenn die Notierungen zum Wochenende wieder leicht nachgaben, liegen sie seit gut einem Monat über dem Niveau von vor Beginn der Corona-Krise. Kurzfristig lässt sich das mit Entwicklungen in den USA erklären: Die weltweite Leitwährung Dollar hat etwas geschwächelt. Da Öl aber auf den Weltmärkten in Dollar gehandelt wird, wird Öl für Länder außerhalb des Dollar-Raumes billiger. Das wiederum steigert die Nachfrage und damit den Preis. Denn noch etwas kommt hinzu: Die kalte Witterung in Teilen der USA führt zu Förderausfällen und Schwierigkeiten bei der Verarbeitung und im Transport des Energieträgers. Experten gehen davon aus, dass diese Einschränkungen zu einem Förderausfall von rund einer Million Barrel pro Tag führen.
Doch auch auf längere Sicht sind die Ölpreise seit November fast kontinuierlich in die Höhe geklettert. Das hängt vor allem mit der starken Nachfrage nach Rohöl aus Asien zusammen – insbesondere aus China. Das Land wurde als Erstes mit der Pandemie konfrontiert, handelte energisch und restriktiv. Dadurch hatte das Land, in dem die Pandemie als erstes ausgebrochen war, sie auch schnell quasi hinter sich gebracht und konnte die Wirtschaft wieder öffnen. Im letzten Quartal des Krisenjahres 2020 ist die chinesische Wirtschaft wieder um 6,5 Prozent gewachsen und damit wieder die Konjunkturlokomotive Nummer eins in der Welt. Eine ölhungrige Konjunkturlokomotive.
Doch auch in anderen Regionen der Welt zieht die Wirtschaft wieder an, vor allem im Bereich der Industrie. So befindet sich auch hierzulande die Industrie wieder auf Erholungskurs – und das bedeutet eine erhöhte Nachfrage nach Öl an den Weltmärkten. Das merken Autofahrer auch an der Zapfsäule. Denn hier machen die Spritpreise – ein wenig zeitverzögert – in aller Regel die Bewegung an den Rohölmärkten mit. Im Zuge der Verwerfungen während der Pandemie lag der Dieselpreis zeitweise bei nur noch rund einem Euro. Autofahrer müssen also deutlich tiefer in die Tasche greifen und spüren den Höhenflug der Ölpreise in der Geldbörse.
Doch nicht nur Öl, auch andere Rohstoffe verteuern sich aktuell deutlich: Preise für Metalle wie Kupfer oder Platin haben in den vergangenen Tagen den höchsten Stand seit mehreren Jahren erreicht – Kupfer kletterte am Dienstag auf den höchsten Stand seit neun Jahren. Hier spielt vor allem der übergeordnete Trend zu nachhaltigeren Technologien mit hinein: Die Elektrifizierung der Welt wird durch Kupfer geleitet. Platin wird auch in Katalysatoren von Autos verwendet, die perspektivisch wohl wieder steigende Abnehmer finden werden.
Preistreibend wirkt auch, dass viele Rohstoffproduzenten in den vergangenen Monaten auf Grund geringer Nachfrage Überkapazitäten abgebaut und Investitionen zurückgefahren haben. Die steigende Nachfrage trifft also auf der anderen Seite auf ein eingeschränktes Angebot. Und an den Finanzmärkten schließlich suchen Investoren händeringend nach profitträchtigen Anlagemöglichkeiten,
weil die anhaltenden Nullzinsen Anleiherenditen quasi ausradiert haben.
Diese Entwicklungen schließlich zeigen sich auch in den Inflationserwartungen. Während im Verlauf der Krise die Inflation ebenso wie zeitweise die Ölpreise in den negativen Bereich gerutscht sind, erwarten Ökonomen mit dem wirtschaftlichen Aufwärtstrend und den besseren Perspektiven
wegen der laufenden Impfungen in Zukunft auch wieder anziehende Preisteuerung. „Der Rohölpreis hat zum Jahresauftakt wieder deutlich angezogen, der Inflationsdruck steigt damit“, fasst Volkswirt Alexander Buhrow von der DZ Bank das zusammen. „Die Marktteilnehmer sollten daher nicht überrascht sein, wenn die monatliche Inflationsrate im Jahresverlauf 2021 temporär die Marke von zwei Prozent überschreitet.“Voraussetzung ist natürlich, dass eine dritte Welle der Pandemie mit den wirtschaftlichen Folgen noch abgewendet werden kann.
Zwei Prozent bei der Inflation sind bekanntlich eine magische Grenze. Denn die Europäische Zentralbank sieht ihr Ziel stabiler Preise bei einer Inflation knapp unter zwei Prozent gegeben. Ob das von Dauer sein wird, ist allerdings fraglich. Zwar wird die Inflation beispielsweise in Deutschland auch wieder anziehen, weil etwa die krisenbedingte Mehrwertsteuersenkung zu Jahresbeginn weggefallen ist. Allerdings dürfte andererseits auch die Arbeitslosigkeit im Nachgang der Krise etwas steigen, was die Kaufkraft insgesamt wieder senkt und damit auch den Preisdruck dämpft.