Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Den Verfolger im Nacken
Ein stürmisches Wochenende liegt hinter Baden-Württemberg. Am Samstag fegte ein kräftiger Wind übers Land, am Sonntag zerstoben endgültig die Hoffnungen der CDU, im Südwesten wieder die politische Führungsrolle zu übernehmen.
Das Debakel der Christdemokraten zeichnete sich ab. Ihr Biberacher Abgeordneter Thomas Dörflinger fürchtete ernstlich um seine Wiederwahl, in einem Landstrich, der vor nicht allzu langer Zeit noch schwarze Bastion war. Der Grüne Robert Wiest, 27 Jahre jung und politisch ein nahezu unbeschriebenes Blatt, saß ihm im Nacken. Mit 5,2 Prozentpunkten Vorsprung behauptete Dörflinger am Ende sein Direktmandat. Seine Verluste sind geringer als die der Landes-CDU. Der Wahltag sei für ihn wie ein Zeugnistag, hatte er im Vorfeld gesagt. Die mageren Zensuren muss er in erster Linie aber nicht sich selbst zuschreiben. Wie wohl alle CDU-Bewerber litt er unter den miserablen Umfragewerten der Spitzenkandidatin Eisenmann. Gestützt, vielleicht sogar gerettet hat Dörflinger, dass es ein Wahlkampf unter Pandemiebedingungen war, in dem die Herausforderer kaum Gelegenheit hatten, im direkten Kontakt mit den Wählern zu punkten. Wer schon hinreichend bekannt ist, hat da sicher den Vorteil auf seiner Seite.
Wiest dürfte wie seine Partei insgesamt vom Glanz des „Landesvaters“Kretschmann profitiert haben. Ein Ergebnis zu holen wie Josef Weber, der ungleich bekanntere Grünen-Bewerber 2016, ist dennoch eine Leistung.
Die AfD hat ein Drittel Stimmanteile eingebüßt, bleibt aber drittstärkste Kraft. Das Flüchtlingsthema, das ihr 2016 Wähler in Scharen zutrieb, fehlte dieses Mal. Manche mögen auch genug haben vom Pöbelton und von rechtsextremen Umtrieben. Die FDP segelt leicht hinter dem positiven Landestrend, die SPD ließ im Wahlkreis weiter Federn und ist ein Schatten früherer Tage. Unter „Ferner liefen“landen die Linke und die der Corona-Krise entsprungenen Protestparteien.