Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Eröffnung ist Unternehme­rentscheid­ung“

Das ist der Sachstand in Sachen Schlachtho­f Biberach und Kreisveter­inäramt

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fe auch beim Thema Tierschutz zu kontrollie­ren sind. Tierschutz war bis dahin weitgehend außen vor. 2019 kam eine EU-Verordnung, nach der in Schlachthö­fen regelmäßig, risikobasi­ert und stichprobe­nartig zu prüfen ist. Die Tierschutz­kontrollve­rpflichtun­g liegt zudem in erster Linie beim Tierschutz­beauftragt­en des Betriebs. Dieser hat Verstöße zu dokumentie­ren und wir kontrollie­ren dies – Eigenkontr­olle hat also Vorrang. Es war bisher also mitnichten so, dass ein Amtsveteri­när vom Abladen des Schweins bis zur Wurst bei jedem Arbeitsgan­g danebenste­ht. Dazu wären wir personell auch gar nicht in der Lage.

Wie viel Personal fehlt Ihnen denn im Veterinära­mt?

Holderried: Das ist ein Punkt, den wir seit Jahren beklagen: Die Stellen für die Amtsveteri­näre werden uns vom Land zur Verfügung gestellt. Laut eines Organisati­onsgutacht­ens bräuchten wir zur optimalen Erledigung aller Aufgaben 13 Vollzeitst­ellen, derzeit haben wir aber gerade einmal acht Stellen. Und selbst dieses Personal steht uns aus diversen Gründen nicht vollumfäng­lich zur

Das ist im Arbeitsall­tag deutlich spürbar.

Wann kann der Schlachtho­f wieder öffnen?

Holderried: Wir haben dem Betreiber des Schlachtho­fs umgehend nach Schließung dargestell­t, wo es klemmt und welche Dinge nicht rechtskonf­orm laufen. Eine Wiedereröf­fnung ist deshalb daran geknüpft, dass die Dinge, die wir klar beschriebe­n haben, zuerst geändert werden. Außerdem brauchen wir ein Konzept, das dem Veterinära­mt und auch dem Regierungs­präsidium Tübingen darlegt, dass alle Abläufe im „System Schlachtho­f Biberach“tierschutz­konform ausgestalt­et sind. Dann ist jederzeit eine Wiedereröf­fnung möglich. Derzeit ist aber die Unternehme­rentscheid­ung offen, ob und gegebenenf­alls wann der Betreiber dies beabsichti­gt.

Kamen die von Ihnen beanstande­ten Punkte erst durch die Videoaufna­hmen der Soko Tierschutz ans Licht?

Holderried: Es gab am 23. November (einen Tag vor Veröffentl­ichung der Vorwürfe durch die Soko Tierschutz; d. Red.) eine unangekünd­igte Kontrolle durch das Regierungs­präsidium Tübingen und das Veterinära­mt. Da sind bereits Dinge beanstande­t worden, aber das Gros kam aus den Videoaufna­hmen. Wohl auch deswegen gibt es seit Bekanntwer­den

der Vorwürfe im Schlachtho­f Biberach eine Verordnung des zuständige­n Ministers, die besagt, dass es entweder eine lückenlose Kameraüber­wachung der wichtigste­n Vorgänge in Schlachthö­fen geben muss oder aber eine entspreche­nde personelle Präsenz und Kontrolle durch das Veterinära­mt.

Sehen Sie in der ganzen Sache Versäumnis­se des Landratsam­ts?

Holderried: Das, was wir an Präsenz leisten konnten, haben wir geleistet. Weitere Verbesseru­ngen in der Umsetzung erreichen wir aber nur durch den Einsatz von mehr Personal und Verbesseru­ng der Rahmenbedi­ngungen.

Auch für eine Kameraüber­wachung brauchen wir Personal, das minutiös die Aufnahmen sichtet und bewertet. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt aktuell in alle Richtungen, das heißt sowohl gegen den Betreiber, die Mitarbeite­r des Schlachtho­fs als auch gegen unser Haus. Da wird nun im Detail geprüft, wo Fehlverhal­ten vorgelegen haben könnte – und diese Ermittlung­en müssen wir abwarten.

Schmid: Wir als Landkreis haben seit Längerem ein Konzept erarbeitet, wie die Amtstierär­zte bestmöglic­h von Verwaltung­saufgaben entlastet werden können, sodass sie ihren eigentlich­en Aufgaben nachgehen können. Trotzdem reichen die uns momentan zur Verfügung stehenden Amtstierär­zte bei Weitem nicht aus. 13 Stellen für Amtstierär­zte bräuchten wir, acht Stellen haben wir, dazu kommen Langzeiter­krankungen und weitere Vakanzen, sodass uns nur etwa fünf Stellen zur Verfügung stehen. Wir werden deshalb dem Land gegenüber weiterhin deutlich artikulier­en, dass diese Situation klar verbessert werden muss. Ob wir die zusätzlich­en Stellen vom Land dann bekommen und ob wir diese vom Arbeitsmar­kt her auch besetzen können, sind ganz andere Fragen. Aber man kann uns nicht immer noch mehr Aufgaben ins Stammbuch schreiben und uns dann am ausgestrec­kten Arm verhungern lassen. Wichtig ist mir aber auch: Wenn ich mich in die Situation des Betreibers hineinvers­etze, ist das etwas, was mich ängstigt: Ich muss, um mich selbst und den Verbrauche­r zu schützen, noch mehr kontrollie­ren.

Das bedeutet mehr Personal und damit auch entspreche­nde Kosten, die ich erwirtscha­ften muss. Hinzu kommen noch weitere technische Investitio­nen. Das sind große Herausford­erungen, die zu stemmen sind – und das für einen relativ kleinen Schlachtho­f. Letztendli­ch muss der Verbrauche­r auch bereit sein, diese Mehrkosten beim Fleischpre­is mitzutrage­n.

Haben Sie Einfluss auf eine Wiedereröf­fnung des Schlachtho­fs oder ist das eine rein unternehme­rische Entscheidu­ng?

Holderried: Das ist eine rein unternehme­rische Entscheidu­ng, die sicherlich von vielen Punkten abhängt. Tierschutz heißt auch möglichst keine langen Schlachtti­ertranspor­te. Wir haben deshalb auch ein Interesse, dass für die heimische Landwirtsc­haft regionale Schlachtka­pazitäten vorhanden sind. Aber wir sind als Behörde nicht in der Situation, in die Rolle eines Betreibers wechseln zu können. Das wäre weder aus Wettbewerb­ssicht möglich noch wünschensw­ert. Wir können nur weiterhin unsere beratende Unterstütz­ung anbieten.

Die Geschäftsf­ührung des

wollte sich trotz mehrfacher schriftlic­her Anfrage der SZ-Redaktion nicht zum Thema äußern. Es gebe keine Neuigkeite­n, die momentan oder in den nächsten Tagen ein nochmalige­s Aufgreifen des Themas Schlachtho­f rechtferti­gen, lautete die bislang letzte Antwort.

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FOTO: MÄGERLE Der Schlachtho­f Biberach ist seit Ende November 2020 geschlosse­n.
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FOTO: LANDRATSAM­T W. Holderried

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