Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Angst vor Hass aus Gotteshäusern
Dänemark will Übersetzungspflicht für Predigten einführen – Wie Baden-Württemberg und Bayern mit Glaubensgemeinschaften umgehen
RAVENSBURG - Das Parlament in Dänemark will in der zweiten Märzhälfte darüber entscheiden, ob künftig alle fremdsprachigen Predigten ins Dänische übersetzt werden müssen. Das Ziel des Regierungsvorschlags der Sozialdemokraten ist es, Inhalte von Predigten transparenter zu machen – vor allem die der muslimischen Imame. Wie geht Deutschland bislang mit diesen Fragen um? Und was halten Gläubige davon?
Was ist in Dänemark geplant und welche Kritik gibt es daran?
Nach dem aktuellen Gesetzentwurf müssten muslimische Imame alle ihre Predigten übersetzen und an das dänische Kirchenministerium senden. Dänemarks sozialdemokratische Regierung verwirklicht damit ihr Wahlversprechen, den politischen und extremistischen Islam im Land stärker zu kontrollieren. Die Regel würde jedoch für alle fremdsprachigen Predigten gelten, also beispielsweise auch für die deutschsprachigen Pfarrer der nordschleswischen Gemeinden Dänemarks. Paul Erik Brodersen ist Vorstand einer deutschsprachigen Kirche in Haderslebe, eine 22 000-EinwohnerStadt rund 50 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Er sieht im Gesetz einen Angriff auf die Religionsfreiheit und fordert, den Entwurf zu verwerfen. Der deutsch-dänischen Zeitung „Der Nordschleswiger“sagte er: „Der notwendige Einsatz gegen Extremismus muss auf andere Weise bewerkstelligt werden.“
Kritik kommt auch vom früheren Chef des dänischen Geheimdienstes. Hans Jørgen Bonnichsen sagte gegenüber der größten regionalen Tageszeitung Dänemarks „JydskeVestkysten“, dass der Aufwand für die Behörden kaum zu stemmen wäre. Allein die Vielzahl von Sprachkompetenzen, die mobilisiert werden müssten, würde die Behörde zu stark belasten.
Ist so eine Verordnung für BadenWürttemberg denkbar?
Eine Regel wie die in Dänemark wurde in Baden-Württemberg bisher noch nicht diskutiert, antwortet das Kultusministerium auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Die
Sprache sei jedoch ein ganz entscheidender Faktor der Integration. „Daher ist es durchaus wünschenswert und auch bezogen auf das dänische Modell sehr nachvollziehbar, dass auch Predigten in Gemeinden mit Menschen, die dauerhaft hierzulande leben, in der Landessprache verstanden werden.“
Auch um die Gesellschaft vor Angriffen von Verfassungsfeinden wirksam zu schützen, „kommen Maßnahmen wie die genannten grundsätzlich in Betracht“. Laut dem Kultusministerium würde die Freiheit der Religionsausübung durch die dänische Regel unangetastet bleiben. „Zum Schutze der Grundfesten unserer Demokratie können wir uns keine rechtsfreien Räume leisten.“
Wie reagieren fremdsprachige Gemeinden in Baden-Württemberg auf diese Überlegung?
Maxim Schmidt predigt als Abt der orthodoxen Kirche in Ulm häufig auf russisch. Eine zwingende Übersetzung der Gottesdienste würde vor allem die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Staat und der überwältigenden Mehrheit der friedlichen Gläubigen behindern, sagt Schmidt. Die Predigten in der Muttersprache seien außerdem wichtig, sie würden den Gläubigen Halt geben. „Durch eine derartige Regelung werden muttersprachliche Predigten vom kostbaren Gut plötzlich zur Gefahr.“Ein solcher Generalverdacht könne im Gegenteil zu mehr Misstrauen gegenüber dem Staat und Radikalisierung führen.
Emel Coban ist ehemalige Dialogbeauftragte der Mehmet-Akif-Moschee in Friedrichshafen und ist immer noch aktiv in der Gemeinde. Die Moschee gehört zum türkisch-islamischen Ditib-Verband. Ditib ist die größte islamische Organisation Deutschlands und sieht sich immer wieder mit der Kritik konfrontiert, ein politischer Arm des türkischen Präsidenten in Deutschland zu sein. Das kritisierte auch schon Gökay Safuoglu,
Landesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg. „Man darf den Verband aber nicht unter Generalverdacht stellen“, so Safuoglu, es gebe zwar auch vereinzelte Mitglieder mit radikalen Tendenzen – der Großteil der Ditib-Moscheen baue jedoch auf Offenheit und Zusammenarbeit. Coban findet das Vorgehen in Dänemark übertrieben und stößt sich daran, dass alle fremdsprachigen Gläubigen durch diese Regel in Verdacht geraten. „Wir stellen unsere Freitagsgebete online, bei uns passiert nichts hinter verschlossenen Türen“, stellt Coban klar. Eine derartige Politik spalte die Gesellschaft, dabei gelte es, die gemeinsamen Ziele der Glaubensrichtungen in den Vordergrund zu stellen.
Gibt es andere Regeln, die in Bezug auf fremdsprachige Prediger bereits durchgesetzt wurden?
Ja, seit Oktober 2020 brauchen ausländische Prediger hinreichende
Deutschkenntnisse, um hier arbeiten zu dürfen. Das Sprachniveau wird laut baden-württembergischen Innenministerium beim Ausstellen der Visa in den jeweiligen Botschaften überprüft. Hintergrund dieser Verordnung sei, dass Geistliche nur mit guten Sprachkenntnissen ihrer prägnanten Rolle und Vorbildfunktion in Deutschland gerecht werden könnten.
Emel Coban und die muslimische Gemeinde in Friedrichshafen sind offen für diese Verordnung – das Ziel des Glaubensverbandes sei sowieso, vermehrt deutsch-türkische Imame in den Gemeinden einzusetzen. Seit den 1960er-Jahren kommen Imame aus der Türkei, davon will man sich langsam lösen, sagt Coban. „Diese Imame erreichen die jungen Menschen hier nicht mehr sehr gut, Geistliche von hier könnten besser auf die Bedürfnisse der jungen Gemeindemitglieder eingehen.“Aufgrund der Fülle an administrativen Aufgaben, etwa der Zusammenarbeit
mit örtlichen Behörden, findet auch Abt Maxim Schmidt gute Deutschkenntnisse für ausländische Geistliche unabdingbar – „unabhängig von gesetzlichen Vorgaben“.
Überprüfen die Behörden bereits Glaubensgemeinschaften?
Die Gefahr von religiösen Persönlichkeiten, die zu Hass und Gewalt aufrufen, ist nach Ansicht des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) nicht zu unterschätzen. Religiöse Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind dabei häufig im islamischen Kontext zu verorten, berichtet das für den LfV verantwortliche Innenministeriums. Der Verfassungsschutz der Länder beobachte kontinuierlich verfassungsfeindliche Glaubensgemeinschaften. In Bayern beispielsweise die salafistisch geprägte Moschee des „Islamisch albanischen Zentrums Ulm e. V.“mit Sitz in Neu-Ulm, in Baden-Württemberg unter anderem die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs mit rund 2200 Mitgliedern.
„Teil dieser Beobachtung kann auch das Auswerten entsprechender Predigten sein“, so das Innenministerium. Auffällig sei jedoch, dass verfassungsfeindliche Äußerungen aus dem muslimischen Kontext zwar stattfinden, beispielsweise vermehrt in den sozialen Medien. In Moscheen seien diese Inhalte jedoch kaum noch zu finden.
Diesen Trend erkennt auch Ömer Alemdaroglu, Vorstand der DitibGemeinde Friedrichshafen: „Wenn ich zurückdenke, was vor 20 oder 30 Jahren war, haben wir uns von solchen Themen sehr distanziert.“Früher hätten durchaus einige Geistliche die Blauäugigkeit einiger Gläubigen in Deutschland ausgenutzt. Mittlerweile werden die Freitagsgebete von der Ditib-Zentrale in Köln gesteuert, die Themen sind immer im Voraus einsehbar. Wenn in einer der 98 Ditib-Gemeinden in Baden-Württemberg eine Hasspredigt stattfinden sollte, würden laut Alemdaroglu die Gläubigen und der Verband sofort reagieren. Manchmal könne er jedoch kaum noch Verständnis für diese ständigen Diskussion und das Misstrauen aufbringen: „Es liegt doch natürlich auch in unserem eigenen Interesse, dass solche Themen gar nicht mehr auftauchen.“