Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Da muss man sich doch die Frage stellen: Wo ist der Haken?“
Elena Breymaier, Finanzdezernentin der Stadt Laupheim, über riskante Geldanlagen von Kommunen und die eigene Strategie
LAUPHEIM - Die Stadt Laupheim hat kein Geld bei der insolventen Bremer Greensill-Bank angelegt. Etliche deutsche Kommunen taten es, weil Greensill in Zeiten von Null- und Negativzinsen Tages- und Festgeldanlagen zu besseren Konditionen als allgemein üblich anbot – jetzt müssen sie um ihr Geld bangen. Von welchen Prinzipien sich Stadtverwaltung und Gemeinderat in Laupheim bei dieser Thematik leiten lassen, erklärt die Finanzdezernentin Elena Breymaier im Gespräch mit Roland Ray.
SZ: Frau Breymaier, hat die Stadt Laupheim Geld bei der insolventen Bremer Greensill-Bank angelegt?
Breymaier: Nein.
Gab es schon mal Überlegungen, das zu tun?
Nein, wir haben diese Bank nie in Erwägung gezogen. Wenn Geldanlagen geplant sind, dann treten wir zuerst mit unseren regionalen Hausbanken in Kontakt. Bisher sind wir hier sehr kompetent beraten worden, weshalb wir aktuell alle Gelder hier angelegt haben.
Was hat es augenscheinlich für viele Kommunen so attraktiv gemacht, Kunde bei Greensill zu sein?
Die Anlage war für manche Kommunen sicherlich interessant, weil zumindest ein geringer Zinssatz angeboten wurde. Das Problem für viele Kommunen ist eben, dass bei den meisten Banken für die Abrechnung des Negativzinses oftmals ein recht niedriger Freibetrag eingeräumt wird, was im Umkehrschluss bedeutet, dass derzeit kaum eine Kommune im Umland drumherum kommt, Negativzinsen zahlen zu müssen.
Zahlt die Stadt Laupheim ebenfalls Negativzinsen?
Dies trifft auch uns mit einem mittleren fünfstelligen Betrag pro Jahr, wobei wir hier durch möglichst breite Streuung bei eben den Banken versuchen, tages- beziehungsweise monatsaktuell die beste Anlage für die städtischen Gelder zu finden. Eine vorausschauende Liquiditätsplanung mit enger Abstimmung mit den Fachämtern zum Ablauf bei den Großprojekten ist hier entscheidend. Zudem sorgen wir durch interne Trägerdarlehen an den Eigenbetrieb für „Entlastung“der Negativzinsen im Kernhaushalt, wovon beide Seiten profitieren. Schließlich haben wir Kämmerer den Auftrag, so wirtschaftlich wie möglich mit den Steuergeldern umzugehen, dabei aber stets auch das Vorsichtsund Risikoprinzip ordentlich abzuwägen.
Welche Geldanlagen wären Ihnen zu „heiß“?
Spekulationsthemen mit Steuergeldern sind für mich tabu, ebenso Kryptowährungen. Oberste Handlungsmaßgabe ist, die stetige Zahlungsfähigkeit und Liquidität der Stadt sicherzustellen.
Auf was achten Sie bei städtischen Geldanlagen?
Wir stimmen uns regelmäßig mit unseren Gremien ab; es gibt klare Anlagerichtlinien und kommunalwirtschaftliche Vorgaben. Auch vor einigen Jahren, in wirtschaftsstärkeren Zeiten, in denen statt über Kreditaufnahmen viel mehr noch über Fondsoder Aktienanlagen nachgedacht wurde, war für den Laupheimer Gemeinderat und die Verwaltung stets die konservative Anlageform Leitlinie. An dieser Linie halten wir fest und wählen auch aktuell risikoarme, sichere Anlagen, gerne natürlich bei Banken mit persönlichem Kontakt.
Waren Kolleginnen und Kollegen in anderen Rathäusern, die das Geld Greensill anvertrauten, zu sorglos?
Da darf man jetzt nicht alle über einen Kamm scheren – oder das aktuelle Geschehen nicht im gleichen Atemzug mit den Pforzheimer Swap-Geschäften nach der Finanzkrise in Verbindung bringen; hier handelt es sich doch um etwas andere Grundlagen. Ob das Rating von Greensill wirklich positiv war oder welche Rolle die Bafin tatsächlich spielte, entzieht sich meiner Kenntnis. Was mich an der ganzen Sache wundert, ist, wie man in Zeiten von Null- und Negativzinsen, in denen man nicht nur als sparsamer Schwabe weiß, dass man auch als Privatperson kaum „mehr“für sein Geld bekommt, dann bei einer einzigen Bank plötzlich Tages- und Festgeldanlagen zu vergleichsweise hohen Zinsen erhalten sollte – und dann teilweise sehr hohe Beträge der Kommune bei einer privaten Bank anlegen kann, ohne Einlagensicherung, welche sich bekanntlich ja 2017 für Kommunen geändert hat. Seit dem 1. Oktober 2017 sind Spareinlagen von Banken, Wertpapierfirmen und Gebietskörperschaften wie Kommunen nicht mehr geschützt. Die Einlagensicherung gilt nur für Gelder „natürlicher Personen“. Ganz ehrlich, da muss man sich doch die Frage stellen: Wo ist der Haken?
Die Aussicht, Negativzinsen zu entgehen oder vielleicht sogar Profit zu machen, war im einen oder anderen Fall wohl allzu verlockend.
Wir Kämmerer stehen derzeit zugegebenermaßen vor einem Dilemma: Gespartes verwalten mit höchster Einlagensicherung versus möglichst keine oder nur geringe Negativzinsen zahlen. Ich hoffe für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen, die sich nun zusammengetan haben, dass sie doch noch eine Möglichkeit finden im bevorstehenden Insolvenzverfahren, ihre Gelder wiederzubekommen.
Wie viel Geld hat denn die Stadt Laupheim aktuell „auf der hohen Kante“?
Rund 22 Millionen Euro. Das heißt: Laupheim ging und geht es finanziell sehr gut. Betonen möchte ich dabei aber auch den konsequenten Schuldenabbau seit 2008, von damals rund 25 Millionen Euro auf voraussichtlich 2,6 Millionen zum Jahresende 2021. Das ist schon beachtlich, zumal wir gleichzeitig sehr viel investiert haben, zuletzt über 35 Millionen Euro allein in den Jahren 2018 bis 2020. Wir haben dem antizyklischen Handeln damit vollumfänglich Rechnung getragen und wollen auch in der kommenden Zeit weiter als „Konjunkturmotor“agieren und investieren, was vor allem auch die Betriebe in der Region in der Pandemie unterstützen soll.
Wie hat die Stadt ihr Geld angelegt? Welche Strategie fahren Sie dabei?
Wir haben dieses Geld sicher angelegt, sodass wir auch bedarfsgerecht zugreifen können. Eine längerfristige Anlage ist angesichts der Vielzahl an aktuellen sowie bevorstehenden Großbauprojekten, wie Dreifachhalle, Breitbandausbau, Kapellenstraße, Rathaus und so weiter nach dem Finanzplan für die nächsten Jahre nicht zielführend. Vielmehr müssten wir mit diesem Maßnahmenprogramm ab dem Jahr 2024 wieder in die Kreditaufnahme einsteigen – wobei der Blick in die Zukunft derzeit aufgrund der Pandemie natürlich noch viele Fragezeichen beinhaltet. Bei der Finanzierung von Baugebieten steigen wir bereits jetzt wieder in Sonderfinanzierungen ein, welche außerhalb des städtischen Haushalts abgebildet werden. Hintergrund ist der nach wie vor hohe Bedarf an Bauplätzen, welche zeitnah verkauft werden, was diese Finanzierungsform rechtfertigt.