Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die Steinwüste im Fokus
Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag befeuert Streit um Schottergarten-Verbot
STUTTGART - Seit einem Jahr sind Schottergärten in Baden-Württemberg explizit verboten. Genauso lange schwelt bereits ein Streit über das Verbot innerhalb der Landesregierung. Strittig ist vor allem die Frage, wie mit Schottergärten umgegangen werden soll, die bereits vor dem Verbot angelegt wurden. Klarheit könne nur ein Gerichtsurteil schaffen, heißt es aus dem Umweltministerium. Nur: Bisher hat niemand geklagt – auch, weil das Gesetz vielerorts gar nicht durchgesetzt wird. Die FDPFraktion im Landtag spricht von Symbolpolitik und fordert mehr Eigenverantwortung für Bürger.
Eigentlich sollte das neue Gesetz den Lebensraum heimischer Tiere und Pflanzen sichern. Doch bisher gibt es um das Verbot der vegetationslosen Gartengestaltung vor allem Diskussionen. „Nach rund einem Jahr wissen weder die Gartenbesitzerinnen und -besitzer noch die Baurechtsbehörden oder die Gemeinden, Städte und Landkreise, wie sie vorgehen sollen“, sagt Daniel Karrais, klimaschutzpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Dass zwischen den Ministerien kein Konsens darüber besteht, wie die konkrete Umsetzung des Verbots erfolgen soll, demonstriere die Planlosigkeit der Landesregierung. „Fraglich ist auch, wie die Landesregierung die Wirksamkeit des Verbotes belegen will, wenn sie bis heute nicht weiß, wie viele Schottergärten es tatsächlich im Land gibt.“
In der Tat ist die Zahl der Schottergärten im Land nicht bekannt. In der Antwort des Umweltministeriums auf eine Anfrage der FDP-Fraktion, die der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, heißt es: „Eine statistische Erfassung in den 1101 Kommunen in Baden-Württemberg wäre mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden.“Ebensowenig klar ist demnach, wie viele Schottergärten seit Inkrafttreten des Verbots umgewandelt oder beseitigt wurden. Aus Sicht des BUND gibt es zu wenig Personal bei den Behörden, um das Verbot auch durchzusetzen. „Wo es keine Kontrolle gibt, werden Regeln auch nicht eingehalten“, sagt der Naturschutzreferent des BUND Dominic Hahn der dpa.
Das größere Problem scheint jedoch zu sein, dass den zuständigen Behörden gar nicht klar ist, welche Regeln nun eigentlich genau gelten. Im Zentrum der Diskussion stehen die neue Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) und die neue Wohnungsbauministerin Nicole Razavi (CDU). Beide haben den Streit geerbt: Walker von ihrem Vorgänger Franz Untersteller (Grüne), Razavi von ihrer CDU-Kollegin und Wirtschaftsministerin Nicole Hofmeister-Kraut, die bisher für Baurecht zuständig war.
Während das Personal gewechselt hat, sind die Positionen jedoch dieselben geblieben. Kern der Diskussion sind wenige Worte in der Landesbauverordnung von 1995. Darin heißt es: „Die nichtüberbauten Flächen der bebauten Grundstücke müssen Grünflächen sein, soweit diese Flächen nicht für eine andere zulässige Verwendung benötigt werden.“Der Knackpunkt ist die Formulierung „andere zulässige Verwendung“. Um Missverständnisse auszuschließen steht im Gesetz von 2020, dass Schotter in privaten Gärten keine „andere zulässige Verwendung im Sinne der Landesbauordnung“sind.
Für das Umweltministerium steht fest, dass es sich dabei nur um eine Klarstellung handelt und Schottergärten seit 1995 verboten sind. Damit hätten Gärten, die in den vergangenen 25 Jahren angelegt wurden, keinen Bestandschutz. Anders sieht das das neue CDU-geführte Wohnungsbauministerium. Das ist der Meinung, dass die „andere zulässige Verwendung“auch das Anlegen von Schottergärten umfasse. „Daraus leitet sich ein Bestandsschutz für Schottergärten ab, die älter als ein Jahr und jünger als 26 Jahre sind“, sagt ein Sprecher von Ministerin Nicole Razavi (CDU) der dpa.
Der Streit drehe sich im Kreis, bemängelt die FDP-Fraktion. Denn: Die meisten Behörden halten sich derzeit an die Position des Wohnungsbauministeriums als oberste Baurechtsbehörde des Landes. So lange das so ist, bleiben die meisten
Schottergärten im Land also bestehen. Das aber steht einer Klärung der strittigen Frage im Weg. „Die Ministerien können die Entscheidung über eine abstrakte Rechtsfrage nicht selbst vor Gericht bringen“, schreibt das Umweltministerium in seiner Antwort an die FDP-Fraktion. Das heißt: Solange kein Schottergartenbesitzer klagt, weil er zur Beseitigung seines Gartens verpflichtet wurde, bleibt die Situation unklar.
Dabei ist das Verbot von Schottergärten aus Sicht von Umweltschützern durchaus sinnvoll. „Insbesondere die großzügigen Grundstücke freistehender Einfamilienhäuser heizen den Landschaftsverbrauch immens an. Wenn diese Grundstücke dann noch durch Schotterflächen quasi sterilisiert werden, ist das ein ökologischer GAU und nicht zu rechtfertigen“, sagt etwa Gerhard Bronner, Vorsitzender des Landesnaturschutzverbands. „Bei aller Liebe zur individuellen Freiheit: Bestehende Regeln müssen eingehalten werden.“