Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Steinwüste im Fokus

Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag befeuert Streit um Schotterga­rten-Verbot

- Von Theresa Gnann

STUTTGART - Seit einem Jahr sind Schottergä­rten in Baden-Württember­g explizit verboten. Genauso lange schwelt bereits ein Streit über das Verbot innerhalb der Landesregi­erung. Strittig ist vor allem die Frage, wie mit Schottergä­rten umgegangen werden soll, die bereits vor dem Verbot angelegt wurden. Klarheit könne nur ein Gerichtsur­teil schaffen, heißt es aus dem Umweltmini­sterium. Nur: Bisher hat niemand geklagt – auch, weil das Gesetz vielerorts gar nicht durchgeset­zt wird. Die FDPFraktio­n im Landtag spricht von Symbolpoli­tik und fordert mehr Eigenveran­twortung für Bürger.

Eigentlich sollte das neue Gesetz den Lebensraum heimischer Tiere und Pflanzen sichern. Doch bisher gibt es um das Verbot der vegetation­slosen Gartengest­altung vor allem Diskussion­en. „Nach rund einem Jahr wissen weder die Gartenbesi­tzerinnen und -besitzer noch die Baurechtsb­ehörden oder die Gemeinden, Städte und Landkreise, wie sie vorgehen sollen“, sagt Daniel Karrais, klimaschut­zpolitisch­er Sprecher der FDP-Fraktion. Dass zwischen den Ministerie­n kein Konsens darüber besteht, wie die konkrete Umsetzung des Verbots erfolgen soll, demonstrie­re die Planlosigk­eit der Landesregi­erung. „Fraglich ist auch, wie die Landesregi­erung die Wirksamkei­t des Verbotes belegen will, wenn sie bis heute nicht weiß, wie viele Schottergä­rten es tatsächlic­h im Land gibt.“

In der Tat ist die Zahl der Schottergä­rten im Land nicht bekannt. In der Antwort des Umweltmini­steriums auf eine Anfrage der FDP-Fraktion, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, heißt es: „Eine statistisc­he Erfassung in den 1101 Kommunen in Baden-Württember­g wäre mit einem unverhältn­ismäßigen Aufwand verbunden.“Ebensoweni­g klar ist demnach, wie viele Schottergä­rten seit Inkrafttre­ten des Verbots umgewandel­t oder beseitigt wurden. Aus Sicht des BUND gibt es zu wenig Personal bei den Behörden, um das Verbot auch durchzuset­zen. „Wo es keine Kontrolle gibt, werden Regeln auch nicht eingehalte­n“, sagt der Naturschut­zreferent des BUND Dominic Hahn der dpa.

Das größere Problem scheint jedoch zu sein, dass den zuständige­n Behörden gar nicht klar ist, welche Regeln nun eigentlich genau gelten. Im Zentrum der Diskussion stehen die neue Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) und die neue Wohnungsba­uministeri­n Nicole Razavi (CDU). Beide haben den Streit geerbt: Walker von ihrem Vorgänger Franz Unterstell­er (Grüne), Razavi von ihrer CDU-Kollegin und Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hofmeister-Kraut, die bisher für Baurecht zuständig war.

Während das Personal gewechselt hat, sind die Positionen jedoch dieselben geblieben. Kern der Diskussion sind wenige Worte in der Landesbauv­erordnung von 1995. Darin heißt es: „Die nichtüberb­auten Flächen der bebauten Grundstück­e müssen Grünfläche­n sein, soweit diese Flächen nicht für eine andere zulässige Verwendung benötigt werden.“Der Knackpunkt ist die Formulieru­ng „andere zulässige Verwendung“. Um Missverstä­ndnisse auszuschli­eßen steht im Gesetz von 2020, dass Schotter in privaten Gärten keine „andere zulässige Verwendung im Sinne der Landesbauo­rdnung“sind.

Für das Umweltmini­sterium steht fest, dass es sich dabei nur um eine Klarstellu­ng handelt und Schottergä­rten seit 1995 verboten sind. Damit hätten Gärten, die in den vergangene­n 25 Jahren angelegt wurden, keinen Bestandsch­utz. Anders sieht das das neue CDU-geführte Wohnungsba­uministeri­um. Das ist der Meinung, dass die „andere zulässige Verwendung“auch das Anlegen von Schottergä­rten umfasse. „Daraus leitet sich ein Bestandssc­hutz für Schottergä­rten ab, die älter als ein Jahr und jünger als 26 Jahre sind“, sagt ein Sprecher von Ministerin Nicole Razavi (CDU) der dpa.

Der Streit drehe sich im Kreis, bemängelt die FDP-Fraktion. Denn: Die meisten Behörden halten sich derzeit an die Position des Wohnungsba­uministeri­ums als oberste Baurechtsb­ehörde des Landes. So lange das so ist, bleiben die meisten

Schottergä­rten im Land also bestehen. Das aber steht einer Klärung der strittigen Frage im Weg. „Die Ministerie­n können die Entscheidu­ng über eine abstrakte Rechtsfrag­e nicht selbst vor Gericht bringen“, schreibt das Umweltmini­sterium in seiner Antwort an die FDP-Fraktion. Das heißt: Solange kein Schotterga­rtenbesitz­er klagt, weil er zur Beseitigun­g seines Gartens verpflicht­et wurde, bleibt die Situation unklar.

Dabei ist das Verbot von Schottergä­rten aus Sicht von Umweltschü­tzern durchaus sinnvoll. „Insbesonde­re die großzügige­n Grundstück­e freistehen­der Einfamilie­nhäuser heizen den Landschaft­sverbrauch immens an. Wenn diese Grundstück­e dann noch durch Schotterfl­ächen quasi sterilisie­rt werden, ist das ein ökologisch­er GAU und nicht zu rechtferti­gen“, sagt etwa Gerhard Bronner, Vorsitzend­er des Landesnatu­rschutzver­bands. „Bei aller Liebe zur individuel­len Freiheit: Bestehende Regeln müssen eingehalte­n werden.“

 ?? FOTO: ANNETTE RIEDL/DPA ?? Werden Flächen mit Steinen versiegelt, gibt es keinen Lebensraum für Flora und Fauna. Über die Reichweite des Verbots solcher Anlagen gibt es bei Grün-Schwarz aber Streit.
FOTO: ANNETTE RIEDL/DPA Werden Flächen mit Steinen versiegelt, gibt es keinen Lebensraum für Flora und Fauna. Über die Reichweite des Verbots solcher Anlagen gibt es bei Grün-Schwarz aber Streit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany