Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Drei Jahre Arbeit, ein einziger Gesetzentwurf
Horst Seehofer hat das Innenministerium um die Zuständigkeit für Heimat erweitert – Was es gebracht hat
BERLIN - An einem mangelte es nicht, als Horst Seehofer im Mai 2018 sein Ministerium, bereits zuständig für Innen, Bauen und Sport, um die Abteilung H für Heimat erweiterte: Spott und Kritik. „Heimat-Horst“trendete in den sozialen Medien, es wurde spekuliert, ob der Minister Trachtenwettbewerbe ausrufen werde. Beeinflusst hat all das den sturen Oberbayern nicht: In seinem Bundesland, von dem er zuvor noch Ministerpräsident war, hat es gut funktioniert, findet Seehofer, also kann es Deutschland nur guttun.
Es war sein Projekt und soll sein bundespolitisches Erbe werden. Von seiner Heimat Bayern lernen bedeutet für den 71-Jährigen immer auch siegen lernen. Gut drei Jahre später ist der Spott immer noch da, noch mehr allerdings Kritik – vor allem vom politischen Gegner. Abteilung H stehe für: Hat nichts gebracht, spottet die FDP. Was Menschen als Heimat ansehen, lasse sich nicht gesetzlich verordnen, sagt die Linke. Doch ist die Kritik berechtigt? Eine Bilanz.
Das Hauptargument der Kritiker lässt sich an einer Zahl festmachen: nur ein Gesetzesentwurf. Ein Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden. Das ist dürftig, findet selbst der Koalitionspartner SPD. Das Gesamtergebnis sei unter den Erwartungen geblieben, sagt Bernhard Daldrup im Gespräch. „Für 150 zusätzliche Mitarbeiter in der neuen Abteilung hätte mehr herauskommen müssen.“Das gelte auch, wenn er in Rechnung stelle, dass viel Koordinierungsarbeit geleistet werden soll.
Diese steht im Selbstverständnis des Ministeriums, das Fragen der „Schwäbischen Zeitung“unbeantwortet ließ, im Mittelpunkt. Die Abteilung sieht sich als zentrale Schnittstelle, die sicherstellen will, dass die Auswirkungen der Tätigkeiten aller Ministerien auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse berücksichtigt werden.
Das Aufgabenfeld, mit dem sich die Abteilung H befasst, ist weitläufig: gesellschaftlicher Zusammenhalt, Raumordnung, Ehrenamt, Minderheiten, Demografie. Für die konkrete Ausarbeitung sind aber zumeist andere zuständig. Bahnverbindungen im ländlichen Raum, Straßen ohne Schlaglöcher – Aufgabe des Verkehrsministeriums. Um die ärztliche Versorgung auf dem Land muss sich das Gesundheitsministerium kümmern. Dazu kommen immer noch Länder und Kommunen. Die Grünen kritisieren, dass das Ministerium immer wieder große Erwartungen geweckt, aber nur einen Bruchteil der vorgeschlagenen Maßnahmen auch umgesetzt habe. „Die Bilanz“, sagt die parlamentarische Geschäftsführerin
Britta Haßelmann der „Schwäbischen Zeitung“, „sieht schmal aus.“Die Arbeit der Abteilung H sei geprägt von wenig Substanz. Als Beispiel
nennt Haßelmann die Altschuldenhilfe für Kommunen, für die Seehofer seine Zustimmung signalisierte: „Wo hat sich denn das
Heimatministerium eingebracht und mit dem Finanzminister eine Lösung gesucht?“
Ein Herzstück von Seehofers Heimatstrategie war die Kommission für gleichwertige Lebensverhältnisse. Reine Absichtserklärungen habe diese gebracht, kritisiert Haßelmann. Doch hier kann Seehofer zumindest auf die Unterstützung des Koalitionspartners setzen. Die Diskussion über das Thema gebe es seit der Wiedervereinigung. „Man kann nicht erwarten“, sagt SPD-Politiker Daldrup, „dass man in vier Jahren abarbeitet, was man in dreißig Jahren davor nicht geschafft hat.“Die Kommission habe dazu beigetragen, dass Steuergeld nicht mehr nur nach Himmelsrichtung in die neuen Bundesländer verteilt werde, sondern auch an strukturschwache Regionen im Ruhrgebiet, dem Saarland oder Rheinland-Pfalz. Das gesamtdeutsche Fördersystem, das finanziell deutlich besser ausgestattet sei, bezeichnet Daldrup als „wichtigen Erfolg“– auch für die Abteilung H.
Zuständig ist das Heimatministerium auch für eine dezentrale Verteilung von Bundesbehörden, um in strukturschwachen Regionen Arbeitsplätze zu schaffen. 15 200 Jobs seien so entstanden, rechnet Daldrup vor. Zum Beispiel ein zweiter Dienstsitz des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) im sächsischen Freital oder ein Ausbildungszentrum des Technischen Hilfswerks (THW) in Brandenburg an der Havel. „Da hat das Heimatministerium etwas bewirkt“, findet Daldrup. Auch wenn Dezentralisierung ein über die Parteigrenzen hinweg anerkanntes Ziel ist? „Ja, denn da gibt es innerhalb der Ministerien trotzdem immer eigene Interessen.“Der Impuls für Dienststellen in strukturschwachen Regionen müsse von außen kommen.
Auch die Grünen finden den Ansatz richtig, wünschen sich aber klare Kriterien für die Verteilung. Rotgrüne Einigkeit herrscht bei der Frage, ob das Ministerium nach der Legislaturperiode noch einmal so ausgestaltet werden soll. „Nein, nein, nein, auf gar keinen Fall!“, sagt Daldrup, ähnlich wie Haßelmann. Der suboptimale Zuschnitt sei eine Folge der gescheiterten Jamaika-Verhandlungen, nach denen es dann schnell gehen musste. „Seither“, sagt Daldrup, „bekommen wir bei jeder Wahl aufs Maul.“