Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Das lange Warten auf höhere Zinsen
Warum die Aussicht auf eine schnelle geldpolitische Wende auch nach dem Vorstoß der US-Notenbank Fed trügt
FRANKFURT - Die Wende in der Geldpolitik wird zwar noch etwas dauern, aber die Notenbanken beginnen, die Änderung ihrer Zinspolitik in der Öffentlichkeit zu thematisieren. So hat die amerikanische Notenbank Fed am Mittwochabend angedeutet, dass sie im Sommer einen Plan zum allmählichen Zurückfahren der Anleihekäufe vorlegen wird. Erst Ende 2023 will sie dann zum ersten Mal wieder die Zinsen erhöhen. Diesen immer noch zögerlichen Kurs rechtfertigte Fed-Chef Jerome Powell damit, dass der starke aktuelle Inflationsdruck ein vorübergehendes Phänomen sei. Im Mai hatten die Preise in den USA um fünf Prozent zugelegt. Für das Gesamtjahr rechnet die Fed mit einer Inflationsrate um 3,4 Prozent. Und zudem habe die Fed neben der Preisstabilität auch die Arbeitsmärkte im Blick – im Gegensatz zur Europäischen Zentralbank (EZB), die sich nur um die Preisstabilität kümmert.
Es gibt jedoch im Hinblick auf die Inflationsgefahr auch pessimistischere Stimmen. „Es ist durchaus denkbar, dass der durch Sondereffekte geprägte kurzfristige Inflationsschub nur der Auftakt für eine dauerhaftere Inflationsdynamik ist”, warnt etwa Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. „Fed und EZB betreiben derzeit ein Experiment mit ungewissem Ausgang.“Nicht nur Heinemann sorgt sich, dass die Notenbanken zu spät auf die steigende Inflation reagieren könnten. Denn sollte das Absinken des Geldwertes nicht nur ein temporäres Phänomen sein, dann wird es schwieriger, die Inflation wieder einzufangen. Ökonomen denken dabei an die frühen 1980er-Jahre. 1979 stieg die Inflation in den Vereinigten Staaten auf neun Prozent. In dieser Situation übernahm Paul Volcker die Verantwortung an der Spitze der Fed, der die Geldmenge mit einer deutlichen Begrenzung des Geldmengenwachstums einschränkte und außerdem die Zinsen erhöhte. Die Folge waren zwei Rezessionen in kurzer Folge, bis endlich 1982 die Erholung eintrat.
Die Fed-Entscheidung von Mittwoch wertet Christian Scherrmann, Volkswirt der Fondsgesellschaft DWS, als „Startschuss für einen langsamen und gut gesteuerten Prozess in Richtung geldpolitischer Normalisierung und letztendlich steigender Zinsen”. Bis die Zinsen allerdings steigen, könnte es noch dauern. Aber schon im Herbst will die Fed mit einem allmählichen Zurückfahren der Anleihekäufe beginnen und damit die durch die Krise aufgeblähte Bilanz der Notenbank etwas verkleinern, glaubt Michael Heise, Chefökonom des Vermögensverwalters HQ Trust. Immerhin hatte Fed-Chef Jerome Powell die amerikanische Wirtschaft als „stark“und „stabil“bezeichnet und einen deutlich positiveren Ausblick gegeben als zuvor.
Die EZB aber werde wohl noch nicht so schnell aktiv werden, glaubt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Denn die Inflation steige im Euroraum weniger stark, die Wirtschaft wachse nicht so dynamisch. Allerdings rechnet er damit, dass die europäischen Währungshüter im kommenden Jahr das Krisen-Anleihekaufprogramm Pepp auslaufen lassen beziehungsweise es mit dem allgemeinen Anleihekaufprogramm APP zusammenlegen könnten. Eine Zinserhöhung in Europa ist also vorerst nicht in Sicht.
Diese Aussichten machen es für Anleger und Sparer in Europa noch schwieriger, für ihr Erspartes eine auskömmliche Rendite zu erzielen. Denn die Zinsen bleiben bei null oder liegen für größere Summen im negativen Bereich, hinzu kommt nun eine noch schnellere Geldentwertung. Die Inflationsrate in Deutschland lag im Mai bei 2,5 Prozent. Sie könnte wegen Sonderfaktoren im Jahresverlauf weiter steigen. So gibt es Engpässe bei Vorprodukten für die Industrie und den Bau, hinzu kommen die Auswirkungen der vorübergehenden Absenkung der Mehrwertsteuer im zweiten Halbjahr 2020. Bei den Zinssätzen für Privatkunden in Deutschland gebe es keine Bewegung, heißt es von der Geldanlage-Plattform „Weltsparen“. Der Durchschnittszinssatz für Privatkunden liege bei 0,06 Prozent, für Geschäftskunden sanken die Zinsen sogar auf -0,25 Prozent. Der durchschnittliche Spitzenzins für einjährige Einlagen ist in Deutschland auf einen Tiefststand von 0,523 Prozent gefallen. Anleihen von soliden Staaten dürften im negativen Bereich verharren, glaubt Joachim Schallmeyer, Leiter Kapitalmärkte der Dekabank. Deshalb gehe an Aktien weiter kein Weg vorbei, meint der Experte, auch wenn es zwischenzeitlich zu stärkeren Rückschlägen kommen könnte. Der Aufwärtstrend aber bleibe grundsätzlich bestehen und werde von guten Fundamentaldaten wie steigenden Unternehmensgewinnen unterstützt.
EU-Automarkt erholt sich weiter von Corona-Einbruch
BRÜSSEL (dpa) - Ein Jahr nach dem Corona-Einbruch erholt sich der Automarkt in der EU weiter deutlich. Die Zahl der Neuzulassungen bei Personenkraftwagen ist im Mai im Vergleich zum Vorjahr um mehr als die Hälfte gestiegen, wie der europäische Herstellerverband Acea am Donnerstag in Brüssel mitteilte. Insgesamt wurden damit fast 900 000 Autos registriert. Damit liegt die Zahl aber immer noch deutlich unter dem VorkrisenNiveau: Im Mai 2019 wurden in der EU mehr als 1,2 Millionen Autos zugelassen.
Schutz von Urheberrechten bei Tauschbörsen gestärkt
LUXEMBURG (dpa) - Der Europäische Gerichtshof hat den Schutz von Urheberrechten bei Material auf Online-Tauschbörsen gestärkt. Wer anderen Nutzern auf einer solchen Plattform urheberrechtlich geschütztes Material zur Verfügung stellt, muss damit rechnen, dass seine IP-Adresse, Namen und Anschrift an den Rechteinhaber weitergeleitet werden. Dies sei unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, entschied das höchste EUGericht am Donnerstag in Luxemburg. Der Auskunftsantrag des Rechteinhabers müsse aber gerechtfertigt, verhältnismäßig und nicht missbräuchlich sein. Konkret geht es um sogenannte Peer-to-PeerNetzwerke.
Kaum Frauen in Topetagen von Jungunternehmen
BERLIN (dpa) - Frauen schaffen es einer Studie zufolge bislang kaum in die Topetagen börsennotierter ehemaliger Start-ups wie Delivery Hero. „Die Jungunternehmen wiederholen den Konstruktionsfehler der vorhergehenden Generation: Sie wachsen ohne Frauen“, schreiben die Geschäftsführer der gemeinnützigen Allbright-Stiftung, Wiebke Ankersen und Christian Berg, in der Studie. Die deutschschwedische Stiftung setzt sich für mehr Frauen und Diversität in den Führungspositionen der Wirtschaft ein. Bei den zehn Unternehmen, die in den vergangenen 15 Jahren gegründet wurden und in einem der Indizes der Dax-Familie vertreten sind, liegt der Frauenanteil im Vorstand bei 5,4 Prozent. Im Schnitt der 160 Unternehmen aus Dax, MDax und SDax sind es 12,6 Prozent.