Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ronaldo mag keine Cola
Portugals Fußballstar stellt sich öffentlich gegen den UEFA-Sponsor Coca-Cola – Imageschaden für den US-Limonadenhersteller
RAVENSBURG - Cristiano Ronaldo bemerkt die zwei Flaschen Coca-Cola vor sich und schaut grimmig. Mit schnellem Blick versichert er sich, dass die Kameras auch wirklich laufen. Dann klemmt er sich die CocaCola-Flaschen zwischen die Finger und stellt sie außer Sichtweite. Demonstrativ streckt der portugiesische Fußballstar eine Wasserflasche in die Kamera. „Agua“– Wasser – sagt Ronaldo und grinst.
Diese Szene spielte sich am Montag vor der Pressekonferenz zu dem EM-Spiel Portugal gegen Ungarn (Endstand 3:0) in Budapest ab. Die Aktion war offenbar keine beiläufige Geste, sondern von dem Fußballer bewusst gewählt. Als Medienprofi und Gesundheitsprophet streitet Ronaldo öffentlich für gesunde Ernährung – und hat auch keine Scheu, das dem Großkonzern Coca-Cola zu zeigen, der zu den Geldgebern der Europameisterschaft gehört.
Für den Sponsor bringe die Missbilligung des Fußballstars langfristigen Schaden mit sich, sagt der Markenexperte Christopher Spall aus Nürnberg. Dass der Coca-Cola-Aktienkurs mal für eine Dreiviertelstunde nach Ronaldos Aktion nachließ, sei da das kleinere Problem für den Getränkehersteller.
Cristiano Ronaldo ist mehr als ein Fußballer. Er ist Fitnessguru, steht für einen gesunden Lebensstil und hat gerade bei jungen Leuten eine
Vorbildfunktion. Während andere Fußballer sich nach einem Spiel ausruhen, legt er sich zur Regeneration in die eigens zu Hause eingebaute Kältekammer – Ronaldo verkörpert ständigen Leistungswillen und Stärke. Seine Marke „CR7“– die 7 steht für seine Rückennummer beim Fußball – hat Ronaldo sich über Jahre aufgebaut. „Die Marke CR7 ist viel größer als die Marke Coca-Cola“, sagt Markenexperte Christopher Spall. Die Persönlichkeitsmarke Ronaldo habe eine größere Glaubwürdigkeit in Sachen Ernährung als Coca-Cola – „eine kommerzielle Marke, die Zuckerwasser verkauft.“Wenn der portugiesische Fußballer den US-Getränkehersteller öffentlich abwertet, dann habe das eine Strahlkraft. CocaCola ist seit vielen Jahren Sponsor des globalen Fußballs und auch Geldgeber des europäischen Fußballverbands (UEFA), der die diesjährige Europameisterschaft 2021 organisiert.
Im Dachverband war man wenig erfreut über die Aufräumaktion von Ronaldo, der einen Tag später auch schon einen Nachahmer fand: Der französische Nationalspieler Paul Pogba übernahm die Aktion gegen den EM-Sponsor Heineken-Bier. Drei Tage nach der Aktion reagiert die UEFA. „Wir haben mit dem Team gesprochen, das ist wichtig, weil die Einnahmen durch die Sponsoren wichtig für das Turnier und den europäischen Fußball sind“, sagt Turnierdirektor Martin Kallen am Donnerstag während einer Medienrunde. Bei den Spielern selbst habe der Verband sich nicht direkt gemeldet. Passiere so etwas aber noch einmal, könnten Strafen für die nationalen Verbände drohen.
Dass die Coca-Cola-Aktie am Montag nach der Pressekonferenz kurzzeitig abstürzte, ist zwar richtig. Betrachtet man den Kursverlauf der Aktie jedoch über einen längeren Zeitraum, relativiert sich die Kursdelle schnell. Ein gewisses Grundrauschen gibt es immer, ob der Verfall von 46,06 Euro auf 45,55 Euro mit der Ronaldo-Aktion zu tun hat oder nicht, ist schwer zu sagen. Das Problem
von Coca-Cola ist ohnehin ein anderes. „Nicht der Börsenwert, sondern das Markenkapital ist beschädigt“, sagt Spall.
Denn der Getränkehersteller mit Sitz in Atlanta in den USA habe ein Identitätsproblem – auch ohne Ronaldo. „Coca-Cola muss sich die Frage stellen: Wo ist mein Platz in einer vom Megatrend Gesundheit veränderten Welt“, sagt Markenexperte Spall. Der Konzern müsse seine Rolle neu definieren. Erst wenn das passiert ist, würde ein solcher Fauxpas wie der bei der Pressekonferenz nicht mehr passieren. „Die Alternativen zur herkömmlichen Coca-Cola, Coca-Cola Zero oder Coca-Cola Light waren noch nicht die Antwort auf diese Frage“, sagt Spall. Nachhaltig würde Coca-Cola die „Fans von morgen“sonst vergraulen. Sogenannte „heavy user“, also die Konsumenten, die täglich Coca-Cola trinken würden anfangen sich zu fragen, ob sie es Cristiano Ronaldo gleichtun sollten. Also: Coca-Cola weg, Wasser her. Der Konzern Coca-Cola stellt sein Sponsoring bei der UEFA offenbar nicht zur Disposition und bezieht laut „FAZ“Stellung nach der Aktion von Ronaldo. Jeder sei frei bei der Wahl seiner Getränke, hieß es von dem Konzern.
Einen Ausschnitt der Pressekonferenz sehen Sie online unter schwaebische.de/ronaldo