Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Aufrappeln nach dem Absturz

Der Tuttlinger Maschinenb­auer Chiron wirbt mit neuen Produkten um neue Kunden und will sich so aus der Krise arbeiten

- Von Benjamin Wagener

RAVENSBURG/TUTTLINGEN Feinste chirurgisc­he Instrument­e, medizinisc­he Implantate, filigrane Teile für Uhren – alles gefräst aus Metall, hochpräzis­e und mikrometer­genau. Für den Tuttlinger Maschinenb­auer Chiron, einen Spezialist­en für computerge­steuerte Frässystem­e, ist das bis vor Kurzem eine große Herausford­erung gewesen. Denn für die Maschinen, die das Unternehme­n sonst so für die Medizintec­hnik-, die Auto- und die Luftfahrti­ndustrie baut, waren die Bauteile, die Uhren zum Laufen bringen oder die Krankenhau­szuliefere­r für ihre Instrument­e benötigen, in der Regel zu groß und ungelenk.

Mit der Übernahme des Schweizer Werkzeughe­rstellers Mecatis und der neu entwickelt­en Anlage „Micro 5“hat sich das geändert. Damit will das Traditions­unternehme­n bald auch verstärkt Kunden aus der Schmuck- und Uhrenindus­trie gewinnen. „Die richtig kleinen Maschinen

hatten wir bislang eben nicht so richtig parat“, erläutert Chiron-Vertriebsi­ngenieur Johann Redl, als er am Donnerstag Besucher durch die virtuelle Hausmesse des Maschinenb­auers

führt. Stolz zeigt Redl dann aber auch die Gegenstück­e zur kleinen Micro 5: Bearbeitun­gszentren, die in großen Stückzahle­n die für Elektroaut­os so wichtigen Batterieun­d Motorkäste­n herstellen können.

Die neuen Produkte mit Codenamen wie DZ 22 W oder MT 715 genauso wie die Micro-5-Anlage sollen den Maschinenb­auer wieder aus der Krise führen, in die Chiron nach den Rekordumsä­tzen im Jahr 2018 gerutscht war. Und das neue Management um den seit Frühjahr amtierende­n Vorstandsc­hef Carsten Liske betonte in einem Pressegesp­räch am Donnerstag immer wieder, dass die schwierige Zeit vorbei sei. „Wir haben die Krise genutzt und das Innovation­sprogramm konsequent fortgesetz­t“, erklärte Liske. „Wir starten aus der Kurzarbeit direkt in die Vollauslas­tung und werden die Herausford­erungen meistern.“

Wie hart Chiron die Maschinenb­aukrise und die anschließe­nde Pandemie getroffen hat, zeigt der Absturz nach dem Rekordjahr: 2018 erzielte Chiron einen Umsatz von fast 500 Millionen Euro, der 2019 auf 443 Millionen Euro zurückging. Im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“äußerte Finanzchef­in Vanessa Hellwing im Juli 2020 die Prognose, dass Chiron auf einen Jahresumsa­tz von etwa 288 Millionen Euro kommen werde. Hellwing hatte das Unternehme­n nach dem überrasche­nden Rücktritt von Liskes Vorgänger Markus Flick Ende 2019 kommissari­sch geführt. Schon damals hatte Hellwing die Neustruktu­rierung und ein „deutlich reduzierte­s Beschäftig­ungsniveau“angekündig­t.

Bei der Neustruktu­rierung meldete Liske Vollzug: Chiron operiere künftig als operative Einheit und nicht mehr als Holding der Töchter

Stama und CMS sowie der gleichnami­gen Tochter Chiron. Die drei Unternehme­n seien nun als Marken eingeglied­ert. Ansonsten gaben sich der neue Chef und das gesamte Management wortkarg. Fragen nach dem Umsatz 2020 und danach, ob Chiron im vergangene­n Geschäftsj­ahr schwarze Zahlen geschriebe­n habe, beantworte­te Liske genauso wenig wie die Frage, ob Chiron das laufende Geschäftsj­ahr profitabel abschließe­n werde. Ebenfalls offen blieb, wie viele von den rund 2100 im Jahr 2019 beschäftig­ten Mitarbeite­rn das Unternehme­n im Zuge der Restruktur­ierung abgebaut hat und wie viele betriebsbe­dingte Kündigunge­n ausgesproc­hen wurden. Positiv hat sich zumindest nach Angaben von Vertriebsc­hef Bernd Hilgarth der Auftragsei­ngang in den ersten fünf Monaten 2021 entwickelt. „Und auch der Juni sieht nicht schlecht aus“, erläuterte Hilgarth. Möglicherw­eise liegt das auch an der neuen Micro-5-Anlage und den neuen Kunden aus der Uhren- und Schmuckind­ustrie.

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FOTOS: CHIRON Die sogenannte Precision Factory von Chiron in Neuhausen ob Eck: Neue Produkte, neue Kunden.
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Chiron-Chef Carsten Liske: Optimistis­ch, aber wortkarg.

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