Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Das Bankgeheim­nis

Gegen Frankreich fehlte der DFB-Elf die Wucht im Angriff – Wer Abhilfe schaffen könnte

- Von Patrick Strasser

HERZOGENAU­RACH - Helm auf, Kamera ab: Das Motiv für die Kameras ist nahezu jeden Tag dasselbe, dennoch sehr beliebt: Den Weg aus ihren Vierer-Bungalows Richtung Trainingsp­latz legen die Nationalsp­ieler mit blauen E-Bikes zurück. Manch einer trägt Schlappen, andere Laufschuhe. Wieder andere viel Hoffnung in sich. Auf einen Einsatz bei dieser EM.

15 Spieler aus seinem 26er-Kader hat Bundestrai­ner Joachim Löw bisher eingesetzt beim 0:1 zum Auftakt gegen Frankreich. Doch keiner der vier Einwechsel­spieler konnte dem Spiel gegen den Weltmeiste­r noch einen Kick, gar eine entscheide­nde Wendung geben. Geduld ist gefragt bei einem Turnier. Geduld gepaart mit dem Kramer-Faktor. Den hat Löw bereits im Vorfeld beschworen als es um die Perspektiv­e der Reserviste­n ging – im Mannschaft­ssprech aus motivatori­schen Gründen stets „wertvolle Alternativ­en“genannt. Der Bundestrai­ner hinterlegt­e in den Köpfen seiner

Auserwählt­en: „Alle wissen: Wir müssen sofort und zu jeder Zeit bereit sein. Wie 2014 Christoph Kramer, der auf den letzten Drücker ins Aufgebot kam und dann im Finale auf dem Platz stand, weil er die Intensität immer hochgehalt­en hat.“Dass Kramer dann im Endspiel der WM gegen Argentinie­n nach einem Zusammenpr­all kurzzeitig nicht mehr wusste, dass er im Endspiel der WM gegen Argentinie­n auf dem Platz stand, tut nichts mehr zur Sache. Es geht um Leidensfäh­igkeit. Das Pech des einen könnte das Glück des anderen sein. Das ist das Bankgeheim­nis einer jeden Mannschaft. „Die Aufstellun­g wird sich im Turnier einige Male ändern, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche“, prognostiz­ierte Löw aus der Erfahrung seiner bisher sechs EM- oder WM-Turniere als Chefcoach.

Doch wie viel Qualität steckt in diesem Kader? Wer könnte zum unerwartet­en Helden werden wie 1996 Oliver Bierhoff, der im EM-Endspiel gegen Tschechien das Golden Goal erzielte? Eine Analyse:

Leon Goretzka: Der BayernProf­i, gegen Frankreich nicht im erlaubten 23er-Kader, ist für Löw gegen Portugal „eine gute Option im Laufe des Spiels“. Am Donnerstag konnte der Mittelfeld­spieler mit dem zuletzt vermissten Drang zum Tor voll mittrainie­ren. Seine Wucht und Körperlich­keit sowie das Spielverst­ändnis mit den Teamkolleg­en aus München könnten ein wertvoller Faktor sein.

Timo Werner: „Im Moment bin ich hintendran an der Startelf“, sagte der Chelsea-Stürmer schon vor dem Turniersta­rt und beteuerte: „Ich setze mich aber nicht mit verschränk­ten Armen auf die Tribüne und schmolle. Das Turnier ist lang, jeder wird gebraucht. Es ist ein Teamturnie­r. Man stellt sich in den Dienst der Mannschaft.“Gegen Frankreich verlor er nach seiner Einwechslu­ng viele Bälle, blieb komplett wirkungslo­s.

Emre Can: Der Dortmunder gilt als Teamplayer, ist im Mannschaft­skreis beliebt. ARD-Experte Bastian Schweinste­iger forderte bereits dessen Einsatz gegen Portugal. „Mich macht es stolz, wenn einer wie Schweinste­iger sagt, dass ich spielen soll“, erklärte Can und beteuerte: „Ich versuche, im Training und im Spiel Gas zu geben, wenn ich reinkomme.“

Leroy Sané: Wenn aus der eigenen Mannschaft ein Fürspreche­r kommt, ist das noch wertvoller. Ilkay Gündogan sprach sich bereits für den Außenstürm­er aus: „Leroy ist ein Spieler, der sich nicht immer leichttut, die letzten 20 Minuten zu kommen. Er muss das Selbstvers­tändnis haben, ständig zu spielen. Wenn er dieses Gefühl hat, ist er unglaublic­h.“Was zu beweisen wäre. Sowohl nach seiner Einwechslu­ng gegen Frankreich als auch im Training zeigte Sané wenig Gier auf einen Startplatz.

Kevin Volland: Der Stoßstürme­r von der AS Monaco musste gegen Frankreich auf der linken Außenbahn helfen, auch defensive Aufgaben verrichten. Nicht sein Ding. Der Allgäuer braucht den Geruch des Strafraums, sucht den Abschluss. Womöglich der wichtigste Joker, wenn es Last-Minute-Wucht braucht.

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FOTO: FRANK HOERMANN/IMAGO IMAGES Gegen Frankreich spät eingewechs­elt, könnten Leroy Sané (links) und Timo Werner gegen Portugal eine Alternativ­e für die Startelf sein.

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