Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Von der Last der Welt befreit

Renato Sanches kehrt mit Portugal nach München zurück

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BUDAPEST (dpa) - Mit konzentrie­rtem Blick absolviert­e Renato Sanches an der Seite der portugiesi­schen Anführer Cristiano Ronaldo und Pepe ein leichtes Aufwärmpro­gramm beim Titelverte­idiger. Die Shorts hatte das Kraftpaket mit den Rastalocke­n bei strahlende­m Sonnensche­in am Donnerstag in Budapest bis zum Anschlag hochgezoge­n. Vollgas durfte das einstige Verspreche­n auf eine Weltkarrie­re bei dieser EM bislang nur etwas mehr als zehn Minuten geben. Aber eigentlich ist das schon ziemlich viel für einen immer noch erst 23-Jährigen, der beim FC Bayern München so selten das zeigte, was in ihm steckt. Nun kehrt er zum zweiten Gruppenspi­el am Samstag gegen Deutschlan­d in sein altes Heimstadio­n zurück.

„Er ist einer der besten jungen Spieler in Europa“, sagte einst der frühere Bayern-Coach Pep Guardiola über diesen wuchtigen Mittelfeld­spieler. „Er hat eine große Zukunft vor sich.“Das dachte sich auch der FC Bayern – und handelte. Da war Guardiola aber schon zu Manchester City gewechselt. Noch bevor Sanches beim EM-Triumph Portugals 2016 zur Entdeckung des Turniers und als bester Nachwuchss­pieler ausgezeich­net wurde, machten die Münchnern den Transfer perfekt. 35 Millionen Euro Ablöse zahlten sie für erst 18-Jährigen an Benfica.

In München kam der Teenager aber nie richtig an. Weder unter Trainer Carlo Ancelotti noch unter Niko Kovac. Schon nach einer Saison wurde Sanches, der sich zu oft auf dem Platz verzettelt­e, an Swansea City ausgeliehe­n. Paul Clement, einst Assistent Ancelottis beim FC Bayern, lotste den straucheln­den Jungstar in die Premier League. „Er war angeschlag­ener, als ich dachte“, erinnerte sich Clement. „Es war, als würde er die Last der Welt auf seinen Schultern tragen.“

Erwartunge­n, Druck. Auch in Englands Topliga kam Sanches nicht richtig klar und kehrte nach München zurück. Zu Beginn der Saison 2018/19 hatte er dann ein ganz besonderes

Spiel, und man meinte, jetzt packt er es an der Isar. Kovac vertraute Sanches bei seinem Debüt in der Königsklas­se bei Benfica Lissabon (2:0) – und der Portugiese lieferte ab. Ein Tor bereitete er vor, eins erzielte er selbst. „Das war so besonders. Ich bin so glücklich“, sagte er damals. Im nächsten Spiel saß Sanches wieder auf der Bank. Es folgten Undiszipli­niertheite­n und Motzereien über zu wenig Einsatzzei­t. Jener Abend in Lissabon, vor den Augen seiner Familie, blieb sein bester für den FC Bayern.

Seit Sommer 2019 spielt Renato Sanches beim OSC Lille in Frankreich. Dort wird er gebraucht. Sogar Meister wurde er an der Seite seines Nationalte­amkollegen Jose Fonte. Der Titel war ihm auch in Lissabon und München gelungen. „Individuel­l sehe ich das als eine große Leistung an, in drei verschiede­nen Ländern zu gewinnen“, sagte er.

Mit Portugal will Renato Sanches nun den EM-Titel verteidige­n. Stammkraft ist er zwar nicht, beim 3:0 gegen Ungarn setzte Trainer Fernando Santos auf William Carvalho und Danilo Pereira als Absicherun­g vor der Abwehr. Mit seiner Entschloss­enheit und seinem Tempo kann er im Mittelfeld aber noch wichtig werden. „Wenn wir unser Spiel durchziehe­n, müssen wir nicht auf die anderen schauen.“Das Selbstbewu­sstsein ist zurück.

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FOTO: AFP Kann nach schweren Jahren wieder lachen: Renato Sanches.

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