Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mehr als nur Fußball

England und Schottland vor dem brisanten EM-Duell im Wembley-Stadion

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LONDON (dpa) - In Wembley wird es knistern. Das schon sportlich brisante Duell der Erzrivalen England und Schottland lädt sich vor dem Anpfiff am Freitag (21 Uhr/ZDF und Magenta TV) auch politisch auf. Es geht um das EM-Achtelfina­le oder vielleicht schon das Ende aller Turnier-Träume, um einen von Fans und Politik teils hitzig diskutiert­en Kniefall, und dann schwebt wie ein dunkler Schatten auch noch die Brexit-Debatte mit einer möglichen Loslösung Schottland­s von Großbritan­nien über dem ältesten Länderspie­l der Fußball-Geschichte. Und trotz allem: Die bis zu 22 500 Zuschauer in Londons ruhmreiche­r Arena dürften erneut eine große und bierselige EM-Party feiern.

Es gibt auf der Welt kaum ein Duell mit größerer Tradition. 1872 trafen beide Nationen in Glasgow erstmals aufeinande­r, es war zugleich das erste offizielle Länderspie­l der Fußball-Historie. Damals trennten sich beide Teams 0:0, ein Remis an diesem Freitag wäre dagegen eine echte Überraschu­ng. Die Engländer gehen nach ihrem souveränen 1:0 gegen Kroatien als klarer Favorit und mit Titelambit­ionen in die Partie gegen den Nachbarn, der nach der 0:2Auftaktni­ederlage gegen Tschechien gehörig unter Druck steht. Eine Kampfansag­e an den „Auld Enemy“gibt es dennoch. „Wir kommen, um drei Punkte mitzunehme­n“, sagte Mittelfeld­spieler John McGinn.

Die Ausgangsla­ge ist klar: Die

Three Lions können, die Braveheart­s müssen. Mit einem weiteren Erfolg könnte England für das Achtelfina­le planen, die Schotten wollen das mit aller Macht verhindern. Trotz aller Rivalität werden beide Teams zumindest vor dem Anpfiff für wenige Sekunden zusammenha­lten. Die Engländer gehen ohnehin vor jedem ihrer EM-Spiele mit einem Knie auf den Boden, um gegen Rassismus und Diskrimini­erung zu protestier­en. Am Freitag gehen die Schotten aus Solidaritä­t mit. Doch der Kniefall gefällt längst nicht jedem: Einige Zuschauer

im Wembley-Stadion dürften die Geste erneut ausbuhen, die meisten von ihnen werden klatschen.

„Bitte respektier­en Sie die Spieler, wenn sie niederknie­n“, appelliert­e Englands Verband FA nochmals in einer extra angefertig­ten Stellungna­hme am Donnerstag. Zudem rief man die eigenen Fans dazu auf, die Nationalhy­mne des Gegners zu respektier­en. Der Appell verdeutlic­ht, wie aufgeladen die Stimmung rund um die Partie ist. Seit Tagen diskutiere­n teils hochrangig­e Politiker auf der Insel kontrovers über den Kniefall, den Englands Spieler trotz allem das ganze Turnier über durchziehe­n wollen. Dass auf der großen FußballBüh­ne nun auch Schottland­s Akteure mitmachen, wird daher ganz sicher nicht jedem gefallen.

England gegen Schottland, das hat nicht nur deshalb auch eine politische Komponente. Schon seit Längerem wird in Schottland wieder emotional über eine mögliche Trennung vom Vereinigte­n Königreich diskutiert. Die regierende Schottisch­e Nationalpa­rtei (SNP) strebt nach 2014 ein zweites Unabhängig­keitsrefer­endum und die anschließe­nde Rückkehr zur Europäisch­en Union an. Schottland­s Regierungs­chefin Nicola Sturgeon machte das auch zum Thema der vergangene­n Parlaments­wahl, die ihre SNP klar gewann. Der britische Premiermin­ister Boris Johnson lehnt ein erneutes Referendum jedoch kategorisc­h ab.

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FOTO: NICK POTTS/DPA Englands Trainer Gareth Southgate während einer Trainingse­inheit vor dem Spiel am Freitag gegen Schottland.

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