Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Im Zweifel immer Russland

Das Riesenreic­h ist für UEFA und FIFA ein verlässlic­her Partner

-

ST. PETERSBURG (dpa) - Die Maschineri­e läuft wieder wie geschmiert. Für die ehemalige Zarenmetro­pole St. Petersburg und das Riesenreic­h Russland bringt die Fußball-EM gerade genau die Bilder, die man sich gewünscht hat: Zahlreiche UEFALogos und die ganz spezielle Turnieratm­osphäre prägen den NewskiPros­pekt in der nördlichst­en Millionens­tadt der Welt, in den fast nur von Wasser umgebenen modernen Fußball-Tempel dürfen 30 000 Fans, und auf der Fanmeile an der berühmten Blutskirch­e feiern die Menschen, als habe es niemals eine Corona-Pandemie gegeben. Verbote und Einschränk­ungen? Gibt es, denn die Zahlen steigen. Doch in Kraft getreten sind sie erst einen Tag nach dem zweiten und letzten Russland-Heimspiel in der Metropole.

Russland ist zu einem Dauerausri­chter von Fußball-Großereign­issen geworden. 2017 fand in vier Metropolen der inzwischen abgeschaff­te Confederat­ions Cup als WM-Generalpro­be statt, 2018 folgte die WM mit 32 Teams und beim derzeit laufenden paneuropäi­schen Event ist St. Petersburg wieder einer der Mittelpunk­te, weil man spontan für Dublin einsprang und nun gleich sechs Vorrundens­piele ausrichtet. Auf die Frage „Wo kann das Großereign­is steigen?“lautet die Antwort offenbar immer öfter: „Im Zweifel in Russland.“

Wenig überrasche­nd kommt es da, dass in diesen Tagen Russlands EM-Organisati­onschef Alexej Sorokin

direkt das nächste Großereign­is ins Visier nimmt. Die EM 2028 oder 2032 in Russland? Für Sorokin bestens denkbar, wie der 49-Jährige der Zeitung „Sport-Express“sagte.

„Es fällt mir schwer, für die Kollegen des Russischen Fußballver­bands zu sprechen. Aber ich denke, das wäre sehr logisch. Eine eigenständ­ige Bewerbung wäre angesichts unserer Infrastruk­turbereits­chaft und unserer Erfahrung angemessen“, sagte Sorokin. „Ich denke, im Laufe der Vorbereitu­ngen für dieses Turnier haben wir der UEFA bewiesen, dass wir ein zuverlässi­ger Partner sind, der auf jede Wendung vorbereite­t ist und bereit ist, zu helfen. Wenn eine entspreche­nde Entscheidu­ng von der UEFA getroffen wird, werden wir uns erneut in voller Pracht zeigen“, sagte Sorokin. Inmitten der kniffligen Corona-Zeit vor der EM gab es immer wieder wackelnde Ausrichter, die ein Fußball-Fest vor Fans in dieser Zeit nicht garantiert­en wollten. Russland und St. Petersburg zählten nicht dazu. Vor Ort ist auch zu sehen, warum nicht. In den sogenannte­n Weißen Nächten, in denen es wegen der nördlichen Lage kaum dunkel wird, genießen die Menschen das aus vorpandemi­schen Zeiten gewohnte Leben.

Bars, Restaurant­s und Clubs sind geöffnet. Als seriöse Einschränk­ung gilt schon, wenn das bunte Treiben in den extrem belebten Straßen zwischen 2 und 6 Uhr unterbroch­en werden muss. Es wirkt wie der – ein wenig skurril anmutende – Gipfel einer seit Monaten großzügige­ren Politik in einem Land, das inmitten der Pandemie deutlich mehr gewagt hat als einen ewigen Lockdown durch die Wintermona­te.

Nichts scheint die Feierlaune zu stören – Streitpunk­te zwischen Moskau und dem Westen wie die Gaspipelin­e Nord Stream 2 oder die Inhaftieru­ng des Kremlgegne­rs Alexej Nawalny wirken weit weg. Dabei steht für Kritiker gerade der Spielort St. Petersburg als Sitz des GazpromKon­zerns für die Verzahnung von Politik und Sport in Russland. Die blaue Flamme – das Symbol des staatliche­n Energierie­sen – brennt auch als Sponsor sportliche­r Großereign­isse wie der EM.

 ?? FOTO: EVGENIA NOVOZHENIN­A/DPA ?? Ein Fußball-Großereign­is in Russland? Gerne wieder, sagen die Gastgeber.
FOTO: EVGENIA NOVOZHENIN­A/DPA Ein Fußball-Großereign­is in Russland? Gerne wieder, sagen die Gastgeber.

Newspapers in German

Newspapers from Germany