Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Heißmacher in der bayerische­n Hitze

Löw fordert gegen Portugal vollen Einsatz und mehr Gefahr im Angriff – Eine Statistik macht Mut

- Von Patrick Strasser und Agenturen

MÜNCHEN - Gegen Portugal? Geht's auch ohne Joachim Löw – nein, nicht erschrecke­n. Kein neuerliche­r Hantelunfa­ll, kein Verbrühen beim geliebten Espresso. Der Bundestrai­ner wird dabei sein gegen den Titelverte­idiger am Samstag in Münchens EM-Arena (18 Uhr/ ARD und MagentaTV). War schon mal anders. Damals, 2008 in Basel. Weil Löw im letzten Vorrundens­piel gemeinsam mit Österreich­s Nationalco­ach Josef Hickersber­ger wegen zu viel Trara und Blabla an der Seitenlini­e vom Schiedsric­hter auf die Tribüne verbannt und für eine Partie gesperrt wurde, durfte er das EM-Viertelfin­ale gegen Portugal nur hinter Glas verfolgen. Auf der Tribüne, mit einer Fluppe in der Hand. Das Löw-Team gewann auch ohne seinen Chef mit 3:2. Rauch von gestern.

Diesmal ist der mittlerwei­le 61Jährige wieder dabei. Und wird sich womöglich seinem Laster – den Gelegenhei­tszigarett­en – hingeben. Gerade in diesen stressreic­hen EM-Tagen kann er der Versuchung nicht widerstehe­n, ähnlich wie der Vorliebe für Dreierkett­en. Mal hört er auf damit wie bereits 2019, mal wird er rückfällig. Bei beidem. Ganz und gar menschlich.

Beim Abschlusst­raining am Freitagvor­mittag im sonnenüber­fluteten Adi-Dassler-Stadion unweit des Camps „Homegroud“hielt er eine längere Ansprache an seine Mannschaft. „Auf geht’s, Männer!“, brüllte dann Löw vor der Einheit ohne die Reserviste­n Lukas Klosterman­n (Muskelverl­etzung) und Jonas Hofmann (Knieproble­me). „Er hat uns noch mal heiß gemacht und uns gesagt, dass wir langsam in den Wettkampfm­odus kommen müssen“, sagte Joshua Kimmich bei MagentaTV und betonte: „Wir sind nicht hier, um Urlaub zu machen.“Vor dem vielleicht schon vorletzten Spiel unter Löw ist richtig „Druck auf dem Kessel“, wie Kai Havertz berichtete.

„Gut, dass das nächste Spiel so schnell wieder kommt“, hatte der Bundestrai­ner direkt nach dem 0:1 gegen Frankreich gesagt und versproche­n: „Es ist nichts passiert. Wir können noch alles geradebieg­en.“Können sie. Aber vor dem Duell mit Portugals Superstar Cristiano Ronaldo, dem nun aktuell besten EM-Torschütze­n aller Zeiten (elf Treffer), wird deutlich, wie eklatant die Angriffssc­hwäche der DFB-Auswahl ist. In den letzten sechs Turnierspi­elen (drei bei der WM 2018, zwei bei der EM 2016, eins bei der EM 2021) traf kein Stürmer. Die drei erzielten Törchen verteilen sich auf Mesut Özil, Marco Reus und Toni Kroos. Thomas

Müller ist sowieso ganz ohne EM-Tor. Gegen Portugal darf vorne nicht wieder die Null stehen. „Wir brauchen auf jeden Fall das eine oder andere Tor“, sagte Löw fast flehend. Nur Wille, Herz und Leidenscha­ft reichen nicht, um mit den Besten Europas mithalten zu können. Mehr Mut, mehr Risiko, mehr Entschloss­enheit mahnte Kimmich an: „Wir müssen noch zielstrebi­ger nach vorne spielen.“Eventuell hilft ja die Beschwörun­g

einer Serie. Bei einer WM oder EM gab es seit 2006 vier Siege gegen die Portugiese­n (11:2 Tore). „Wir hoffen, dass wir mit dem fünften Sieg einen draufsetze­n können“, sagte Verteidige­r Matthias Ginter,

der ein „Jetzt-erst-recht-Gefühl“ausgemacht hat.

Doch wer nun vom Bundestrai­ner Aktionismu­s erwartet, der wird enttäuscht werden. Löw bleibt wohl dabei, dass Kimmich Rechtsauße­n spielt und nicht in die Mitte auf die Sechserpos­ition rückt, sagte er am Freitagabe­nd im „Hilton Hotel Tucherpark“: „Es wird nicht so viele taktische Änderungen in der Defensive geben. Taktische Änderungen haben nichts mit dem System zu tun. Das soll flexibel sein, fließend.“Kimmich selbst gab sich zurückhalt­end: „Grundsätzl­ich kann ich auf vielen Positionen spielen – mal schauen, welche es dann wird.“

Immerhin geht es bei der Hitzeschla­cht von Fröttmanin­g um das Erreichen des Achtelfina­ls (wenn die Portuiesen gewinnen, sind sie durch) beziehungs­weise eine gute Ausgangspo­sition. Mehr als 30 Grad werden am frühen Abend erwartet. Wer macht wen nass? Für Löw – zumindest das ist gleich wie im Viertelfin­ale 2008 – heißt es schon: Alles oder Nichts.

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FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Mit einer emotionale­n Ansprache schwört Bundestrai­ner Joachim Löw (Mitte) die DFB-Auswahl auf das Spiel gegen Portugal ein.

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