Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Rock im Ausnahmezustand
Die Ulmer Band Die Happy kehrt zu ihren Wurzeln ins Roxy zurück
ULM - Routine ist bei diesem Konzert nur der Rahmen: Wie immer, wenn Die Happy in Ulm Auftritt haben, nächtigen Marta Jandova und der Rest der Band bei den Eltern von Thorsten Mewes in Westerstetten. Wie immer sind die textsicheren Hardcore-Anhänger des nach wie vor existierenden Fanclubs in der ersten Reihe. Wie immer fällt der emotionale Höhepunkt des Konzerts auf ihren Knaller „Supersonic Speed“gegen Ende des Happenings. Doch die Routine ist weit weg.
Die strenge Sitzordnung der Corona-Bedingungen lässt im Soundgarten weder Stagediving von Marta zu, noch die Die Happy Konzerten eigentlich so ureigene schwitzige Enge. Proppenvoll ist der Roxy-Garten dennoch - im Rahmen des Möglichen. Schon um kurz nach 18 Uhr ist kein Einlass mehr möglich, viele Fans von Ulms bekanntester RockBand versammeln sich so zu Konzertbeginn um 20 Uhr außerhalb der Absperrungen. Wie immer im Soundgarten ist der Eintritt frei, was bei einer Band der Kategorie von Die Happy, die schon auf den ganz großen Bühnen von Rock im Park oder Wacken gastierte, beileibe keine Selbstverständlichkeit ist.
Nach ihrem Auftritt in Stuttgart am Vortrag ist der Gig in Ulm erst ihr zweiter seit über einem Jahr. Genauso lang hat sich die Band nicht gesehen – geschweige denn proben können. Marta Jandova, die inzwischen in Prag lebende Frontfrau der 1993 in Ulm von Thorsten Mewes gegründeten Band, entschuldigt sich gleich für verbale Fehler: „Ich habe seit einem Jahr nicht mehr Deutsch gesprochen.“In Ulm zu sein ist für sie immer auch ein bisschen wie nach Hause zu kommen. Bis um halb drei in der Nacht saß die Band im Elternhaus des Bandgründers zusammen. Und schwelgt auch beim Konzert in Erinnerungen. Erinnerungen an eine Zeit als Marta und „Wurmi“, so der Spitzname von Mewes, bei einer Security-Firma arbeiteten, ihren Proberaum
in einer Skifabrik in Erbach hatten und die Höhepunkte Auftritte in Jugendhäusern von Öpfingen bis Neu-Ulm waren. „Wenn Du in meine Band kommst, wirst Du Rockstar“, habe ihr Wurmi damals versprochen. „Hat nicht ganz geklappt“, sagt dieser mit einem Augenzwinkern. Und Marta zeigt an diesem Abend, dass sie alles hat, was ein Rockstar braucht.
„Rebel in You“ist so eine Nummer, die durch Mark und Bein geht. Marta Jandova ist eine Frontfrau, die trotz Baby- und Coronapause weder Stimmkraft, Bühnenpräsenz noch Charme verloren hat. Die akustischen Gitarrenriffs kommen von Mewes. Robert Kerner ist neuerdings zusätzlich für die elektrischen zuständig. Als vor über einem Jahr das neue Album „Guess What“nach sechs Jahren Pause erschien, holte sich die Band Kerner (Ex-Bakkushan), einen langjährigen Weggefährten, als „neuen Input“in ihre Reihen. Und das funktioniert offensichtlich gut. Bei „Die my Baby“besonders treibend und hart, gar grandios.
Das ist auch bei „Story of Our Life“von ihrem jüngsten Album zu hören, das sich nahtlos in die Die-Happy-Klassiker wie „Goodbye“einreiht. „Time is a thief, Heartless and mean“, die Zeit sei ein herzloser, böser Dieb, heißt es darin. Zeilen, die zur Pandemie passen. „Es scheint, als haben wir durch Corona zwei Jahre verloren“, sagt Marta. Selbst die neuen Lieder kämen ihr schon wieder alt vor. Um kurz vor 22 Uhr ist mit „Supersonic Speed“, dem ganz alten Knaller, eigentlich Schluss. Doch die Fünf auf Live-Entzug stehenden Musiker kommen schnell wieder für Zugaben zurück. Trotz 1200 Konzerten in den Knochen, ist den Fünf anzumerken, dass ihnen die Auftritte gefehlt haben, wie Luft zu atmen. Zurück mit viel Spielfreude soll es bald ins Roxy gehen. Das bereits für 2020 geplante Konzert der „Guess What“Tour wurde auf 15. Oktober dieses Jahres verschoben. Zu befürchten ist, dass es wieder nichts mit einem Bad der Band in der Menge werden wird.