Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Der Artenschutz muss überdacht werden“
Saatkrähen-Problematik: Laupheims Ratsgremium sieht die Politik gefordert
LAUPHEIM - Saatkrähen sind nach dem geltenden europäischen und nationalen Recht eine bedrohte Art und deshalb streng geschützt. Aber ist diese Einstufung an Orten wie Laupheim, wo sie geballt auftreten und von vielen als Plage empfunden werden, nicht überholt? Allerdings, lautete die herrschende Meinung im Bauausschuss des Gemeinderats, als die Stadtverwaltung am Montag über den aktuellen Stand der Vergrämung informierte. Einig war man sich, dass betroffene Kommunen gemeinsam den Druck auf die Politik erhöhen müssen, wollen sie etwas erreichen.
Die in Laupheim seit mehreren Jahren unternommenen Anstrengungen, die Saatkrähen mithilfe von Greifvögeln aus der Innenstadt zu vertreiben, haben durchaus gefruchtet. „Klinisch rein“seien Parks, Friedhöfe und andere Grünzüge im Zentrum Ende März gewesen, berichtete Ulrike Stöhr vom Umweltamt. Die Krähen siedelten jetzt überwiegend im Grundgraben und nahe der B30 in Baustetten. Der mit der Vergrämung beauftragte Falkner und sein Wüstenbussard hätten heuer nur patrouillieren und Präsenz zeigen müssen. Auch wurden im Grundgraben 150 Nester weniger als im Vorjahr gezählt – „die Reproduktionsrate sinkt, wenn die Vögel keinen Druck bekommen und sich sicher fühlen“.
Kurz vor Ostern jedoch haben Unbekannte den Brutbetrieb im Grundgraben durch akustische Vergrämungsgeräte und Schüsse massiv gestört. Mehr als 130 Brutpaare verließen daraufhin ihre Nester und wechselten zurück in den Schlosspark. Sie von dort erneut zu vergrämen, werde nächstes Jahr wieder einen erhöhten Personaleinsatz und zusätzliches Geld erfordern, bedauerte Stöhr. Ziel sollte sein, die Kolonie in der bisherigen Ausdehnung im Grundgraben zu halten – die Konfliktpotenzial bergende Belastung der Anwohner durch Lärm und Kot „erscheint hier durch die größeren Abstände zur Wohnbebauung nicht so hoch wie in der Innenstadt“. Gern würde man die Schwarzgefiederten weiter hinausdrücken, doch das scheitert bisher an den naturschutzrechlichen Rahmenbedingungen – das Grundgrabental gilt als Außenbereich – und am Veto des Landratsamts.
„Wie wird Landwirten geholfen, die erhebliche Ertragsschäden durch die Krähen haben?“, fragte Sven Rust (Freie Liste). Die Stadt zahle keine Entschädigung, antwortete Ulrike Stöhr. „Dann muss man auch mal sagen, 150 Raben in Laupheim reichen. Dann werden die halt auf 150 herunter geschossen“, zürnte Rust.
Es gebe vor Ort keine Alternative, als weiter zu vergrämen, resümierte Martina Miller (SPD). Dem pflichtete Christian Biffar (CDU) bei. Im Grundgraben damit aufzuhören, sei jedoch inakzeptabel, denn durch die dortige Kolonie werde Menschen in zwei Wohngebieten ein gesundheitsschädlicher Lärm zugemutet. Auch die Schüsse im Frühjahr seien inakzeptabel, betonte Biffar. Andererseits:
„Die Belastung kann ich nachvollziehen. Der Leidensdruck muss hoch gewesen sein.“Es gebe folglich keinen Anlass, sich zurückzulehnen.
„Sehr bezeichnend“sei, so Biffar, dass nicht Laupheim, sondern andere saatkrähengeplagte Kommunen den „Krähengipfel“im Juli angestoßen hätten. Deutschlandweit seien Städte und Gemeinden von diesem Problem betroffen, „warum geht davon keine Initiative aus? Warum solidarisieren wir uns nicht?“Der Artenschutz für Saatkrähen müsse in Deutschland überdacht werden, das Thema gehöre dringend auf die maßgebliche europäische Bühne.
„Irgendwann ist die Politik gefordert zu sagen: Was ist unser Zielbestand?“, meinte Clemens Graf Leutrum (CDU). 1970 seien die Saatkrähen eine bedrohte Art gewesen, „heute vielleicht nicht mehr“. Ein Ausgleich tue Not.
„Wir können auf örtlicher Ebene nichts ausrichten“, fasste OB Gerold Rechle zusammen. Das Landratsamt sei nun mal an die Gesetzeslage gebunden. Ein politischer Impuls indes sei mit dem „Krähengipfel“gesetzt. „Ich habe schon vor, diesen Weg weiterzugehen und die interkommunale Zusammenarbeit fortzusetzen“, bekräftigte der OB. „Es geht nur so, wir müssen auf die EU-Ebene kommen, wo der Schutz der Saatkrähen angesiedelt ist.“Ihre Schutzbedürftigkeit sei „objektiv nicht mehr wahrnehmbar in Laupheim und vielen anderen Gemeinden“.
Die Vergrämung in Laupheim wird 2022 fortgesetzt. Der Bauausschuss folgte einstimmig dem Vorschlag der Verwaltung, dafür 50 000 Euro im städtischen Haushalt bereitzustellen.