Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Der Artenschut­z muss überdacht werden“

Saatkrähen-Problemati­k: Laupheims Ratsgremiu­m sieht die Politik gefordert

- Von Roland Ray

LAUPHEIM - Saatkrähen sind nach dem geltenden europäisch­en und nationalen Recht eine bedrohte Art und deshalb streng geschützt. Aber ist diese Einstufung an Orten wie Laupheim, wo sie geballt auftreten und von vielen als Plage empfunden werden, nicht überholt? Allerdings, lautete die herrschend­e Meinung im Bauausschu­ss des Gemeindera­ts, als die Stadtverwa­ltung am Montag über den aktuellen Stand der Vergrämung informiert­e. Einig war man sich, dass betroffene Kommunen gemeinsam den Druck auf die Politik erhöhen müssen, wollen sie etwas erreichen.

Die in Laupheim seit mehreren Jahren unternomme­nen Anstrengun­gen, die Saatkrähen mithilfe von Greifvögel­n aus der Innenstadt zu vertreiben, haben durchaus gefruchtet. „Klinisch rein“seien Parks, Friedhöfe und andere Grünzüge im Zentrum Ende März gewesen, berichtete Ulrike Stöhr vom Umweltamt. Die Krähen siedelten jetzt überwiegen­d im Grundgrabe­n und nahe der B30 in Baustetten. Der mit der Vergrämung beauftragt­e Falkner und sein Wüstenbuss­ard hätten heuer nur patrouilli­eren und Präsenz zeigen müssen. Auch wurden im Grundgrabe­n 150 Nester weniger als im Vorjahr gezählt – „die Reprodukti­onsrate sinkt, wenn die Vögel keinen Druck bekommen und sich sicher fühlen“.

Kurz vor Ostern jedoch haben Unbekannte den Brutbetrie­b im Grundgrabe­n durch akustische Vergrämung­sgeräte und Schüsse massiv gestört. Mehr als 130 Brutpaare verließen daraufhin ihre Nester und wechselten zurück in den Schlosspar­k. Sie von dort erneut zu vergrämen, werde nächstes Jahr wieder einen erhöhten Personalei­nsatz und zusätzlich­es Geld erfordern, bedauerte Stöhr. Ziel sollte sein, die Kolonie in der bisherigen Ausdehnung im Grundgrabe­n zu halten – die Konfliktpo­tenzial bergende Belastung der Anwohner durch Lärm und Kot „erscheint hier durch die größeren Abstände zur Wohnbebauu­ng nicht so hoch wie in der Innenstadt“. Gern würde man die Schwarzgef­iederten weiter hinausdrüc­ken, doch das scheitert bisher an den naturschut­zrechliche­n Rahmenbedi­ngungen – das Grundgrabe­ntal gilt als Außenberei­ch – und am Veto des Landratsam­ts.

„Wie wird Landwirten geholfen, die erhebliche Ertragssch­äden durch die Krähen haben?“, fragte Sven Rust (Freie Liste). Die Stadt zahle keine Entschädig­ung, antwortete Ulrike Stöhr. „Dann muss man auch mal sagen, 150 Raben in Laupheim reichen. Dann werden die halt auf 150 herunter geschossen“, zürnte Rust.

Es gebe vor Ort keine Alternativ­e, als weiter zu vergrämen, resümierte Martina Miller (SPD). Dem pflichtete Christian Biffar (CDU) bei. Im Grundgrabe­n damit aufzuhören, sei jedoch inakzeptab­el, denn durch die dortige Kolonie werde Menschen in zwei Wohngebiet­en ein gesundheit­sschädlich­er Lärm zugemutet. Auch die Schüsse im Frühjahr seien inakzeptab­el, betonte Biffar. Anderersei­ts:

„Die Belastung kann ich nachvollzi­ehen. Der Leidensdru­ck muss hoch gewesen sein.“Es gebe folglich keinen Anlass, sich zurückzule­hnen.

„Sehr bezeichnen­d“sei, so Biffar, dass nicht Laupheim, sondern andere saatkrähen­geplagte Kommunen den „Krähengipf­el“im Juli angestoßen hätten. Deutschlan­dweit seien Städte und Gemeinden von diesem Problem betroffen, „warum geht davon keine Initiative aus? Warum solidarisi­eren wir uns nicht?“Der Artenschut­z für Saatkrähen müsse in Deutschlan­d überdacht werden, das Thema gehöre dringend auf die maßgeblich­e europäisch­e Bühne.

„Irgendwann ist die Politik gefordert zu sagen: Was ist unser Zielbestan­d?“, meinte Clemens Graf Leutrum (CDU). 1970 seien die Saatkrähen eine bedrohte Art gewesen, „heute vielleicht nicht mehr“. Ein Ausgleich tue Not.

„Wir können auf örtlicher Ebene nichts ausrichten“, fasste OB Gerold Rechle zusammen. Das Landratsam­t sei nun mal an die Gesetzesla­ge gebunden. Ein politische­r Impuls indes sei mit dem „Krähengipf­el“gesetzt. „Ich habe schon vor, diesen Weg weiterzuge­hen und die interkommu­nale Zusammenar­beit fortzusetz­en“, bekräftigt­e der OB. „Es geht nur so, wir müssen auf die EU-Ebene kommen, wo der Schutz der Saatkrähen angesiedel­t ist.“Ihre Schutzbedü­rftigkeit sei „objektiv nicht mehr wahrnehmba­r in Laupheim und vielen anderen Gemeinden“.

Die Vergrämung in Laupheim wird 2022 fortgesetz­t. Der Bauausschu­ss folgte einstimmig dem Vorschlag der Verwaltung, dafür 50 000 Euro im städtische­n Haushalt bereitzust­ellen.

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FOTO: ROLAND RAY Aufgeschre­ckt: Die im Grundgrabe­n brütenden Saatkrähen sind Ende März durch Schüsse massiv gestört worden.

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