Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die Welt des Aquarells zu Gast in Ulm
Aquarell-Begeisterte aus ganz Europa zeigen ihre Kunst – Die Maler wollen das Image der Technik entstauben
ULM - Zugegeben: Ein bisschen hausbacken ist das Image, das immer noch an Aquarellkunst klebt. Aquarell, das klingt nach Volkshochschulkurs oder Tuschkastengrundschultrauma. Doch eine Gemeinschaft von Künstlern und Künstlerinnen, aus fast allen Ländern Europas, pflegt und hegt diese Technik. Sie haben sich ganz Wasserfarbe und Papier verschrieben. In Ulm findet gerade ein großes Treffen dieser europäischen Aquarellszene statt. Die Kreativen machen sich und ihre liebste Technik sichtbar – in einer Ausstellung im Schuhhaussaal, und mitten im Stadtbild.
Kunstverein Ulm, ein Gespräch mit Zweien, die Aquarellarbeit lieben: Für den Maler Lars Kruse liegt die Faszination, die spezielle Qualität dieser Wasserfarbentechnik, glasklar auf der Hand: „Diese Bilder leuchten so besonders, weil das Weiß des Papiers die Pigmente reflektiert.“Und seine Kollegin Sabine Ziegler findet sogar: „Es ist die schwierigste Technik.“
Anspruch, Know-how, Begeisterung – die Künstler wollen Aquarellkunst aus der Nische befreien und zum Strahlen bringen. „Es wird viel zu oft nur als simple Skizzen- und Vorarbeit verstanden“, bedauert die Münchnerin Ziegler. Dabei sehe man den Rang und Wert von Aquarellmalerei auch in Werken von Franz Marc oder Paul Klee. Blickt man Jahrhunderte zurück, sogar schon bei Dürer.
Ziegler und Kruse mischen mit im Vorstand der „Deutschen Aquarell Gesellschaft“– und organisieren ein europäisches Symposium in Ulm, vom 15. bis zum 19. September. Die AquarellSzene trifft sich regelmäßig zu solchen Kongressen. Die Ausstellung 2021 der
„European Confederation of Watercolor Societies“, kurz ECWS, organisiert diesmal der deutsche Verband.
Das Programm der Maler reicht von der Hauptversammlung über eine festliche Gala bis zum „Get together“mit Wein – statt nur Wasser. Viele der Angereisten aus ganz Europa zeigen ihre Kunst bei „Demos“im Ulmer Zeughaus. Bei einer „Plein Air Challenge“nehmen die Aquarellisten dann am Freitag, 17. September, sogar ganztags das Fischerviertel ein, malen entlang der Stadtmauer und der Donau. Mit offenen Augen durch die Altstadt schlendern? Wird sich für Kunstfreunde lohnen. Im Schuhhaussaal, wo der Kunstverein Gastgeber ist, präsentiert die ECWS nun ein „Best of“mit ausgewählten Werken.
In jedem Land hat eine eigene Jury entschieden, wer aus der Riege der Aquarellisten seine Bilder in Ulm zeigen darf. Dabei waren die Künstler in ihrer Bewerbung ganz frei. Dass es waschechte, reine Aquarelle sein sollen, ohne Blattgold oder Acrylfarbensprenkel, versteht sich fast von selbst.
Gibt es in dieser Kunstsparte Schulen, Trends und Strömungen? Die Szene prägen auch Kunst-Influencer, erklärt Kruse. Diese bekannten Größen geben Kurse, inspirieren ihre Anhänger und geben neue Technik und frische Ideen weiter. Wer hier aus welchem Land stammt und jenes Bild gemalt hat, das kann auch kein Kenner treffsicher sagen. Polen, die New Yorker Stadtszenen malen, Iren, die in Rom ihre besten Motive finden. Aber gut: Zumindest die Skandinavier, allen voran die Finnen, machen ihrem Ruf Ehre und stellen zauberhafte, aber doch dunklere Werke vor.
Natürlich reihen sich hier Klassiker, Porträt, Blumen, Landschaft, in schönsten Farben. Mal eher kräftig, mal leichter, wässrig. Manche Akzente fallen ins Auge: Fotorealistisch verblüfft ein Bahngleis-Panorama. Oder ein Bild von farbigen Glasfläschchen, zwei Schritte zurück und sie scheinen wie mit der Kamera geknipst. Bezaubernd an der Wand der deutschsprachigen Länder: Eine scheinbar verschneite Landschaft, mit dunklen Waldesrändern – so deutet es die Fantasie.
Seit 2021 gibt es den AquarellistenVerband für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Heute zählt er 330 Mitglieder, die sich für den Verein beworben haben – mit Erfolg. An neu eingerichteten, weißen Wänden hängt eine europäische Werkauswahl im Schuhaussaal. Dicht beisammen, Aquarelle, Künstler, Länder. Ein Plädoyer für Aquarelle, das durchaus Laune macht.