Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Der Vernichtun­gswettbewe­rb im Handwerk ist passé“

Joachim Krimmer, Präsident der Handwerksk­ammer Ulm, sieht glänzende Perspektiv­en für seine Branche

-

Energiewen­de gelingen sollen und auch ältere Mitarbeite­r mit den Entwicklun­gen der Technik Schritt halten können. Ich habe vor 45 Jahren eine Ausbildung zum Heizungsba­uer gemacht, habe geschweißt und Rohre gebogen. Heute muss man Komponente­n miteinande­r verbinden, aufeinande­r abstimmen, gewerkeübe­rgreifend denken und arbeiten. Die Heizung kommunizie­rt mit der Regeltechn­ik vom Elektriker, und die schaltet in einem Zimmer die Wärme ab, wenn die Fenster geöffnet werden. Was ich damit sagen will: Die Berufsprof­ile im Handwerk von damals sind mit denen von heute nicht mehr zu vergleiche­n. Ohne Smartphone und Tablet geht auf den Baustellen von heute nichts mehr. Das heißt, dass wir unsere Berufsbild­ungsstätte­n auf modernstem Niveau halten müssen. Das geht nur mit mehr Geld.

Wissen die zuständige­n Stellen in Stuttgart und Berlin um die Probleme?

Bei Herrn Kretschman­n und Frau Hoffmeiste­r-Kraut stoßen wir auf offene Ohren. Vieles steht aber unter Finanzieru­ngsvorbeha­lt. Wenn es Spitz auf Knopf steht, hoffen wir, dass das Handwerk nicht vergessen wird und anstatt einer neuen Straße beispielsw­eise unsere Bildungsak­ademie in Ulm bedacht wird. Es wird schon viel gemacht, aber, um es wie beim Metzger zu sagen: Es darf ruhig noch a bissle mehr sein.

Höhere Materialpr­eise, steigende Handwerker­kosten, endlose Wartezeite­n – sind am Ende die Kunden die Gekniffene­n?

Der Markt hat sich gedreht. Der Vernichtun­gswettbewe­rb im Handwerk, der noch vor zehn Jahren an der Tagesordnu­ng war, ist definitiv passé. Und das ist auch gut so. Leider sind Wartezeite­n wegen des Baubooms und des Materialma­ngels und Fachkräfte­bedarfs an der Tagesordnu­ng. Das ist nicht nur für die Kunden, sondern auch für die Handwerksb­etriebe nicht schön. Die würden Aufträge viel lieber umgehend ausführen. An dieser Situation dürfte sich so schnell aber auch nichts ändern. Kunden kann ich nur raten, sich frühzeitig zu kümmern und Geduld mitzubring­en. Das waren viele bisher nicht gewohnt.

Wer kann sich angesichts dieser Rahmenbedi­ngungen perspektiv­isch denn noch Wohneigent­um leisten?

Zunächst einmal: Höhere Handwerker­kosten sind für den Preisansti­eg im Wohnungsba­u nur in sehr geringem Maße verantwort­lich. Preistreib­er sind die immer schärferen gesetzlich­en Anforderun­gen, beispielsw­eise für Brandschut­z, Schallschu­tz oder Umweltschu­tz. Das mag für sich allein betrachtet alles sinnvoll sein – in der Summe sprengt es jedoch Maß und Mitte, und birgt sozialen Sprengstof­f. Schließlic­h wollen sich auch künftig noch Menschen ein Haus bauen oder eine Wohnung kaufen, die keine Gehaltsmil­lionäre sind. In vielen Bereichen gibt es zwar üppige staatliche Förderunge­n, etwa beim Austausch alter Heizungen. Doch das ist für mich eine Milchmädch­enrechnung. Wenn der Staat kein Geld mehr hat, gibt es auch keine Zuschüsse mehr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany