Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ulmer Forscher: Millionenförderung für Batterieforschung überholt
Helmholtz-Institut feiert Jubiläum – Professor Fichtner: Brennstoffzelle setzt sich erst mal nicht durch
ULM - Der Aufschrei war groß vor zwei Jahren: Denn nicht Ulm, sondern Münster (Nordrhein-Westfalen) erhielt den Zuschlag über grob 500 Millionen Euro des Bundes zum Bau einer Forschungsfabrik für die Batteriezellenfertigung. In Ulm wurde Schiebung gewittert, schließlich gilt die schwäbische Münsterstadt entgegen Münster als Batteriehochburg, sodass auch Fachleute der Fraunhofer-Gesellschaft dem Bund Ulm als Standort vorschlugen.
Damals sei das schon ein „harter Schlag“gewesen, sagt Professor Maximilian Fichtner, der Batterieexperte und stellvertretende Direktor des Helmholtz-Instituts am Rande der Feierlichkeiten des zehnten Gründungsjubiläums der Batteriehochburg. Allerdings hätten sich inzwischen die Voraussetzungen völlig verändert. Es gebe kaum mehr Anlass für staatliche Fördermittel. „Deutschland hat sich vom großen Zauderer zum Boom-Land entwickelt“, sagt Fichtner. Es gebe nirgends so viele „Gigafactories“in Europa zur Batteriefertigung, wie in Deutschland.
Fichtner: „Die eigentliche Gründungsaufgabe der Forschungsfabrik hat sich gewandelt, wenn nicht sogar erledigt.“Somit sei sein Institut auch ein wenig erleichtert über die Entscheidung des Bundesforschungsministeriums für Münster statt Ulm als Standort der Forschungsfabrik. „Es hat uns die Last von den Schultern genommen, zu erklären, was wir eigentlich mit den 500 Millionen Euro sinnvoll machen sollen.“
Fichtner stellte in seinem Vortrag zum zehnten Gründungsjubiläum dar, dass Ulm längst an der weltweiten Speerspitze der Batterieforschung angekommen sei. Im Zentrum stehe die Entwicklung von leistungsfähigen und nachhaltigen Batterien, was also bedeutet, dass möglichst ungiftige und weit verbreitete Rohstoffe zur Herstellung benutzt werden sollen.
Ulm habe sich gerade im Bereich der nächsten Batteriegeneration – Post-Lithium-Batterien, also Batterien, die nicht mehr auf Lithium basieren – in den vergangenen zehn Jahren zu dem führenden Institut in Europa entwickelt. Im Fokus stehen weitverbreitete Elemente wie Natrium, Magnesium oder Aluminium. Durchbrüche gebe es in der gesamten Batterieforschung ständig. Der Preis der Batterien sei dadurch in einer Dekade um 90 Prozent gesunken, die Leistung hätte sich verdoppelt.
Von einer Zukunftstechnologie möchte Fichtner im Zusammenhang mit elektrochemischen Energiespeichern im Bereich der Mobilität, also Batterien, gar nicht mehr sprechen. Der Kipppunkt der Technologie sei längst erreicht. Von einem Kipppunkt wird in der Industrie gesprochen, wenn Investoren bei der Einführung einer neuen Technologie kein Geld mehr in die alte stecken. „Dieser Punkt ist bereits überschritten worden.“Nun laufe die Entwicklung nicht mehr linear, sondern exponentiell.
In dem Ulmer Institut vernetzen sich 140 Forscher mehrerer Partner – von der Uni Ulm, dem Karlsruher Institut für Technologie, dem Zentrum für Sonnenenergieund Wasserstoffforschung und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. „Der Standort in Ulm ist einzigartig in Europa“, sagt Fichtner.
Eines der Nahziele sei es, bei Lithium-Ionen-Batterien schon in Kürze ohne Kobalt auszukommen. Ein Rohstoff, der vor allem im afrikanischen Land Kongo unter fragwürdigen Bedingungen gewonnen wird. Die Prognose von Fichtner: „In fünf Jahren wird mehr Kobalt in Kurbelwellen von Verbrennermotoren verwendet als in Fahrzeugbatterien.“
Was in der öffentliche Diskussion zum Thema Elektromobilität oft vernachlässigt werde, sei die hohe Recycling-Quote bei Batterien. Hier könnten bis 97 Prozent erreicht werden. Vor diesem Hintergrund der Nachhaltigkeit spreche eigentlich alles für Batterien – und nichts für die Brennstoffzelle. Denn in den nächsten zehn bis 20 Jahren gebe es voraussichtlich nicht genügend „grünen Wasserstoff“zum Betrieb der Brennstoffzelle. Aber ausschließlich mit einer umweltfreundlichen, klimaneutralen Möglichkeit der Wasserstoffgewinnung mache diese Technologie Sinn. Ein weiterer Faktor sei, dass diese „Technologiekette“um den Faktor drei zu teuer sei, um sich durchsetzen zu können.
In den nächsten ein bis zwei Dekaden werde VW vermutlich auf Lithium-Ionen-Batterien setzen, wobei in wenigen Jahren auf Kobalt verzichtet werden könne. „Aber wir schauen auch auf die Natrium-Batterie.“Der weltgrößte Hersteller CATL hat die Serienproduktion angekündigt. Fichtner schätzt den Kostenvorteil von Natrium-Zellen auf 40 Prozent, weil die Materialien erheblich günstiger sind. Natrium ist ein sehr häufiges Element.
Am Samstag, 18. September, öffnet das Helmholtz-Institut seine Tore: Unter dem Motto
ist von 10 bis 18 Uhr auf dem Eselsberg in der Helmholtzstraße 11 Programm geboten. Jede 90 Minuten findet ein Vortrag über Batterieforschung mit einer anschließenden Laborführung statt.