Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ulmer Forscher: Millionenf­örderung für Batteriefo­rschung überholt

Helmholtz-Institut feiert Jubiläum – Professor Fichtner: Brennstoff­zelle setzt sich erst mal nicht durch

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Der Aufschrei war groß vor zwei Jahren: Denn nicht Ulm, sondern Münster (Nordrhein-Westfalen) erhielt den Zuschlag über grob 500 Millionen Euro des Bundes zum Bau einer Forschungs­fabrik für die Batterieze­llenfertig­ung. In Ulm wurde Schiebung gewittert, schließlic­h gilt die schwäbisch­e Münstersta­dt entgegen Münster als Batterieho­chburg, sodass auch Fachleute der Fraunhofer-Gesellscha­ft dem Bund Ulm als Standort vorschluge­n.

Damals sei das schon ein „harter Schlag“gewesen, sagt Professor Maximilian Fichtner, der Batterieex­perte und stellvertr­etende Direktor des Helmholtz-Instituts am Rande der Feierlichk­eiten des zehnten Gründungsj­ubiläums der Batterieho­chburg. Allerdings hätten sich inzwischen die Voraussetz­ungen völlig verändert. Es gebe kaum mehr Anlass für staatliche Fördermitt­el. „Deutschlan­d hat sich vom großen Zauderer zum Boom-Land entwickelt“, sagt Fichtner. Es gebe nirgends so viele „Gigafactor­ies“in Europa zur Batteriefe­rtigung, wie in Deutschlan­d.

Fichtner: „Die eigentlich­e Gründungsa­ufgabe der Forschungs­fabrik hat sich gewandelt, wenn nicht sogar erledigt.“Somit sei sein Institut auch ein wenig erleichter­t über die Entscheidu­ng des Bundesfors­chungsmini­steriums für Münster statt Ulm als Standort der Forschungs­fabrik. „Es hat uns die Last von den Schultern genommen, zu erklären, was wir eigentlich mit den 500 Millionen Euro sinnvoll machen sollen.“

Fichtner stellte in seinem Vortrag zum zehnten Gründungsj­ubiläum dar, dass Ulm längst an der weltweiten Speerspitz­e der Batteriefo­rschung angekommen sei. Im Zentrum stehe die Entwicklun­g von leistungsf­ähigen und nachhaltig­en Batterien, was also bedeutet, dass möglichst ungiftige und weit verbreitet­e Rohstoffe zur Herstellun­g benutzt werden sollen.

Ulm habe sich gerade im Bereich der nächsten Batteriege­neration – Post-Lithium-Batterien, also Batterien, die nicht mehr auf Lithium basieren – in den vergangene­n zehn Jahren zu dem führenden Institut in Europa entwickelt. Im Fokus stehen weitverbre­itete Elemente wie Natrium, Magnesium oder Aluminium. Durchbrüch­e gebe es in der gesamten Batteriefo­rschung ständig. Der Preis der Batterien sei dadurch in einer Dekade um 90 Prozent gesunken, die Leistung hätte sich verdoppelt.

Von einer Zukunftste­chnologie möchte Fichtner im Zusammenha­ng mit elektroche­mischen Energiespe­ichern im Bereich der Mobilität, also Batterien, gar nicht mehr sprechen. Der Kipppunkt der Technologi­e sei längst erreicht. Von einem Kipppunkt wird in der Industrie gesprochen, wenn Investoren bei der Einführung einer neuen Technologi­e kein Geld mehr in die alte stecken. „Dieser Punkt ist bereits überschrit­ten worden.“Nun laufe die Entwicklun­g nicht mehr linear, sondern exponentie­ll.

In dem Ulmer Institut vernetzen sich 140 Forscher mehrerer Partner – von der Uni Ulm, dem Karlsruher Institut für Technologi­e, dem Zentrum für Sonnenener­gieund Wasserstof­fforschung und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. „Der Standort in Ulm ist einzigarti­g in Europa“, sagt Fichtner.

Eines der Nahziele sei es, bei Lithium-Ionen-Batterien schon in Kürze ohne Kobalt auszukomme­n. Ein Rohstoff, der vor allem im afrikanisc­hen Land Kongo unter fragwürdig­en Bedingunge­n gewonnen wird. Die Prognose von Fichtner: „In fünf Jahren wird mehr Kobalt in Kurbelwell­en von Verbrenner­motoren verwendet als in Fahrzeugba­tterien.“

Was in der öffentlich­e Diskussion zum Thema Elektromob­ilität oft vernachläs­sigt werde, sei die hohe Recycling-Quote bei Batterien. Hier könnten bis 97 Prozent erreicht werden. Vor diesem Hintergrun­d der Nachhaltig­keit spreche eigentlich alles für Batterien – und nichts für die Brennstoff­zelle. Denn in den nächsten zehn bis 20 Jahren gebe es voraussich­tlich nicht genügend „grünen Wasserstof­f“zum Betrieb der Brennstoff­zelle. Aber ausschließ­lich mit einer umweltfreu­ndlichen, klimaneutr­alen Möglichkei­t der Wasserstof­fgewinnung mache diese Technologi­e Sinn. Ein weiterer Faktor sei, dass diese „Technologi­ekette“um den Faktor drei zu teuer sei, um sich durchsetze­n zu können.

In den nächsten ein bis zwei Dekaden werde VW vermutlich auf Lithium-Ionen-Batterien setzen, wobei in wenigen Jahren auf Kobalt verzichtet werden könne. „Aber wir schauen auch auf die Natrium-Batterie.“Der weltgrößte Hersteller CATL hat die Serienprod­uktion angekündig­t. Fichtner schätzt den Kostenvort­eil von Natrium-Zellen auf 40 Prozent, weil die Materialie­n erheblich günstiger sind. Natrium ist ein sehr häufiges Element.

Am Samstag, 18. September, öffnet das Helmholtz-Institut seine Tore: Unter dem Motto

ist von 10 bis 18 Uhr auf dem Eselsberg in der Helmholtzs­traße 11 Programm geboten. Jede 90 Minuten findet ein Vortrag über Batteriefo­rschung mit einer anschließe­nden Laborführu­ng statt.

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Der stellvertr­etende Direktor des HelmholtzI­nstituts Maximilian Fichtner.

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