Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Es muss nicht immer ein Bulli sein
Es gibt auch andere klassische Transporter mit sehr viel Platz
Wer an historische Kleintransporter denkt, hat meist einen VW Bulli im Kopf, vielleicht noch einen alten Ford Transit. Doch es gibt weitere leichte Nutzfahrzeuge jenseits der meistverkauften Transporter, die heute noch für Oldtimerfans mit viel Platzbedarf interessant sein könnten. Wie etwa der Mercedes L 206 D, ein Transporter mit einer langen Geschichte.
Vor rund 50 Jahren kaufte Daimler-Benz den Transporterhersteller Hanomag-Henschel. Zunächst mit den Modellen L 206 D und L 207 stiegen die Stuttgarter daraufhin so auch in den Bereich der leichten Nutzfahrzeuge ein. Die Fahrzeuge basierten auf den Hanomag-Henschel F20 bis F35 und unterschieden sich anfangs nur durch wenige Ausstattungsmerkmale. Als Mercedes trugen sie den Stern und erweiterten das Nutzfahrzeug-Programm der Stuttgarter.
Stephan Heide sieht die Besonderheit der Mercedes-Modelle in der Herkunft und der Technik. „Im Prinzip handelt es sich beim L 206 um eine Weiterentwicklung des Tempo Matador E von 1963, der wiederum von Hanomag weiterentwickelt wurde und ab Anfang der 1970er unter dem Mercedes-Stern lief“, erklärt der stellvertretende Chefredakteur von „Last & Kraft“, einer Fachzeitschrift für historische Nutzfahrzeuge. Dazu komme ein Rohrrahmenchassis mit Frontantrieb, das ein flexibles Heck mit ebener Ladefläche und vielen Aufbaumöglichkeiten bietet.
Doch im harten Arbeitsalltag der 1970er-Jahre haben nur wenige Fahrzeuge überlebt, die meisten wurden verschlissen. Im Gegensatz zu Borgward B611, Ford Transit oder VW Bulli hat sich in den vergangenen Jahren daher keine große Szene für das Mercedes-Modell entwickelt.
Der Markt für historische Transporter wie Tempo Matador, Hanomag Matador, Hanomag-Henschel F25 oder Mercedes L 206/L 207 ist daher eher klein. „Es sind unterschätzte Fahrzeuge, die zwar gesammelt, aber nur selten verkauft werden“, sagt Aleksandra Lippert vom Marktbeobachter Classic Analytics. „Sie genießen keinen Kult-Charakter wie ein VW Bulli und werden, wenn sie überhaupt angeboten werden, günstig verkauft.“, sagt sie. Gut gepflegte Fahrzeuge gebe es für unter 12 000 Euro. Ausnahmen bilden beim Mercedes L206 spezielle Wohnmobile vom Karosseriebauer Orion.
Beliebte Transporter seien VW Bullis aus nahezu allen Generationen, die kleinen Fiat 238 und die größeren Mercedes-Transporter T 2 der Düsseldorfer-Reihe „DüDo“, wie unter anderem L 406 D, L 508 D oder L 613 D. „Die großen L 613 D sind bei Campern beliebt, besonders die mit der breiten Karosserie und dem Sechszylindermotor“, sagt Lippert. Selbst der in Deutschland neu häufig verkaufte Ford Transit fristet gebraucht ein Nischendasein und ist meist günstig zu haben.
Finden lassen sich spannende Fahrzeuge auch auf Gebrauchtwagenportalen oder auf Fahrzeugversteigerungen von Behörden wie von Polizei, Feuerwehr oder Technischem Hilfswerk (THW). Feuerwehren versteigern immer wieder Tragkraftspritzenfahrzeuge (TSF) von VW Bus, VW LT oder Ford Transit. Behördenfahrzeuge haben meist wenig Laufleistung und wurden gut gepflegt. Je nach Modell und Zustand kosten sie zwischen 5000 und 8000 Euro. Für die größeren Löschgruppenfahrzeuge 8 (LF8) zahlen Liebhaber über 10 000 Euro. „Transporter werden, bis auf die Feuerwehrwagen, meist wenig geschont und weniger gut gepflegt. Rost kann daher überall entstehen und ist ein echtes Problem“, sagt Aleksandra Lippert.
Das sieht Hans Gerd Brauneiser von der Rheinlandgarage in Köln ähnlich. Es komme aber stark auf den vorherigen Einsatz und den anschließenden Pflegeaufwand an. „Die meisten historischen Transporter wurden hart rangenommen und zeigen dementsprechend viele Spuren. Rost gibt es in allen Ecken“, sagt Brauneiser. Dazu treten Probleme häufig an den Trommelbremsen auf, je nach Marke und Modell unterschiedlich ausgeprägt. Sind die verschlissen, lassen sich originale Sätze nicht so einfach besorgen – einige Ersatzteile gebe es schlicht nicht mehr.
Auch bei Karosserieteilen und Glas für Front-, Seiten- und Heckscheibe herrsche bei Exoten, also bei allen Modellen außer dem VW Bulli, häufig Mangelware. Ein guter Kontakt zu einem Karosseriebauer oder gutes handwerkliches Geschick seien bei Reparaturen von Vorteil.