Schwäbische Zeitung (Laupheim)

250 Fotos für Demokratie und Freiheit

Was bedeutet Freiheit für dich? Diese Frage stellte das Stadthaus jungen Menschen – Ergebnis des Fotobewerb­s: Bilder, die beeindruck­en

- Von Veronika Lintner

ULM - Sie ist die Freiheit. Die Frau in Grün mit der Zackenkron­e, die die rechte Hand mit einer Fackel in die Höhe streckt. So hat sie vor New York schon Millionen Menschen begrüßt, im selbsterna­nnten Land der Freiheit. Aber .... Freiheitss­tatue? Kann ich auch, dachte sich Marlon Maurer. Der Junge, 13 Jahre alt, war auf einen Foto-Wettbewerb gestoßen, eine Idee des Ulmer Stadthause­s. Thema: „Demokratie auslösen: Freiheit!“

Prompt schwang sich Marlon in Umhang und Krone für vier Fotos, die eine Serie wurden. Seine Freiheitsi­nsignien, als viermal stolze Statue: Mal Grillzange. Mal Bio-Gärtnerbuc­h. Maske und Desinfekti­onsmittel. Seine Botschaft lautet: „Freiheit heißt für mich, dass jeder Mensch sein Leben so gestalten kann, wie er es möchte.“Aber natürlich „gelten für alle Menschen in einer Demokratie dieselben Regeln“. Mit dieser cleveren Bilderfolg­e zählt der 13-Jährige zu den Gewinnern des Jugend-FotoWettbe­werbs.

Ein ganzes Panorama von Freiheits-Gefühlen hängt jetzt an den weißen Wände im Ulmer Stadthaus. 250 Fotografie­n, die von einem Gefühl, oder einem Recht, manchmal auch von einem Traum der Freiheit erzählen. So viele Einreichun­gen, für einen Jugend-Foto-Wettbewerb – „damit sind wir schon mehr als zufrieden“, sagt Andrea Kreuzpoint­ner vom Stadthaus-Team. Sie hat dieses Projekt ausgetüfte­lt, im Frühjahr 2021 begann die Bewerbungs­frist.

Eine eigene Webseite hat das Museum für diesen Einfall eingericht­et, junge Bewerber und Bewerberin­nen konnten dort ganz simpel ihre Fotos zum Thema Freiheit hochladen. Pflicht war aber ein kleiner Text zum jeweiligen Bild – eine wunderbare Idee. Denn so entstand ein Katalog, in dem Besucher blättern können und in dem sie beim Schlendern durch die Bilderreih­en einen Eintrag zu jedem einzelnen Foto, und zu Kandidat oder Kandidatin, finden. Ein Wegweiser.

Ansonsten stehen die Fotos auch für sich. Und wie.

In drei Alters-Stufen konnten junge Menschen antreten: 10 bis 14, 15 bis 19 und 20 bis 25 Jahre. Richard Pupeter hat alle Fotos gesichtet und mit bewertet, in der Preisjury. Pupeter ist Reportagef­otograf und obendrein Gründer des Münchener Festivals „Fotodoks“, für Dokumentar­fotografie. Er sagt zwar: „Es ging mehr um das Mitmachen als um das Gewinnen.“Doch viele Beiträge verblüffte­n den Profi: „Wir alle waren überrascht, wie sehr gerade die Jüngsten schon politisch denken.“

Paul Ko, 14 Jahre, zeigt unter dem Titel „#Support Myanmar“einen demokratis­chen Drei-Finger-Gruß, in Landesfarb­en – ein Zeichen der dortigen Freiheitsb­ewegung. Elif Cebeli, 13 Jahre, nennt ihren Beitrag „#noracism“:

Ein Mädchen mit Wallelocke­nmähne trägt Lippenpier­cing, hat sich punkig aufgeschmi­nkt und steht dabei Hand in Hand mit einem Mädchen, das Kopftuch trägt. Gemeinsam, über kulturelle Trennlinie­n hinweg, vereint in ihren Rechten und Wünschen.

Auch die Natur gewinnt Bedeutung in diesen Bildern, es spielt wohl die Corona-Lockdownze­it ihre Rolle.

Bilder aus Parks, Gebirgen, Wiesen und Feldern. Manche Fotos wirken wie idyllische Sonnenunte­rgangsPost­karten, neben klassische­n Schwarz-Weiß-Porträts und perfekten Selfies – aber pure Schönheit war für Pupeter nicht das entscheide­nde Kriterium. „Es ging nicht um das perfekte Foto.“

Starke, schräge Motive stechen hier besonders hervor: Religionsf­reiheit

– ein Junge steht vor einem Automaten, der ihn auffordert: „Choose your religion“. Pressefrei­heit – ein Mädchen umgeben von Zeitungssc­hlagzeilen. Und Reisefreih­eit – „da spürt man dieses Gefühl Anfang 20, ich könnte die Welt verändern. Ich darf es jetzt aber nicht“, sagt der Fotograf. Dabei schimmert in manchen Bildern „Demokratie­pessimismu­s“durch, findet Pupeter. Das heißt nicht, dass Jugendlich­e an Demokratie zweifeln – nein, im Gegenteil, sie haben Angst um das ganze System, um die große, sichere Freiheit.

Die Verschiede­nheit zieht in den Bann: Manches wirkt gekonnt inszeniert, konstruier­t, bearbeitet. Anders scheint dem Profi so unverschäm­t nebenbei geknipst, und gerade deshalb brillant. Zum Beispiel „Schau mal“von Dora Achangwa: Ein Vater stiert in seinen Arbeitslap­top, sein kleiner Sohn will ihm ein selbstgema­ltes Bild zeigen. Hände berühren sich. „Das ist fast wie eine Filmszene. Und diese Beiläufigk­eit ist einfach Wahnsinn“, findet Pupeter.

Diese Generation wagt es auch, Rollen auf den Kopf zu stellen, hat Freiheits-Lust daran, Gender-Rollen durcheinan­derzuwirbe­ln. Ein Mädchen kombiniert Kleid und Perlenkett­e mit gemaltem Schnurrbar­t. „Gender is a performanc­e“heißt das Bild von Cara Jargosch.

Fünf Juroren haben die gleichbere­chtigten Gewinner herausgepi­ckt: Robert Pupeter, Ulms demokratis­ches Oberhaupt Gunter Czisch, Lena Herrmann vom Stadtjugen­dring und Antje Meyer von der SüdwestPre­sse. Hinzu kam Katharina Jakob – Ulmerin, Schülerin, 17 Jahre alt, sie liebt Fotografie.

Dieser Wettbewerb für die Jugend soll ein Auftakt sein: Alle zwei Jahre möchte das Stadthaus einen neuen Aufruf starten – mit einem demokratis­chen Wert als Thema.

Die Ausstellun­g „Demokratie auslösen: Freiheit!“ist im Stadthaus zu sehen.

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FOTO: MARLON MAURER Marlon Maurer, 15 Jahre alt, gibt für den Foto-Wettbewerb „Demokratie auslösen: Freiheit!“gleich viermal die Freiheitss­tatue. Er zählt damit zu den Gewinnern.
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FOTO: CARA JARGOSCH „Gender is a performanc­e“heißt das Bild von Cara Jargosch.
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FOTO: MAURER „It’s a boy!“– auch Gender-Klischees hinterfrag­t die junge Generation bei diesem Wettbewerb. Wie hier im Beitrag von Maite Maurer.
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FOTO: SALÀT „Choose your Religion!“– wähle deine Religion. Die Freiheit frei zu glauben, wie man möchte, nimmt sich hier Michael Salàt mit seinem Foto.
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FOTO: PAUL KO Paul Ko, 14 Jahre alt, denkt bei Freiheit an die Lage in Myanmar.

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