Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mutmach-Buch für große Menschen: Ulmerin zeichnet preisgekrö­ntes Comic

Die 26-jährige Mia Oberländer wagte sich mit „Anna“an ein schwierige­s Thema – Jetzt ist das fasziniere­nde Buch erschienen

- Von Stefan Kümmritz

ULM - Eigentlich sollte das preisgekrö­nte Comic-Buch „Anna“der gebürtigen Söflingeri­n Mia Oberländer erst im kommenden Jahr auf den Markt kommen, doch nun hat es schneller geklappt: Das vom Züricher Verlag Edition Moderne herausgege­bene, 214 Seiten umfassende Buch ist just erschienen.

Das Comic-Buch der 26-jährigen Wahl-Hamburgeri­n basiert auf ihrer Bachelorar­beit im Bereich Illustrati­on und hat im vergangene­n Jahr den renommiert­en und mit 20 000 Euro dotierten Comic-Buch-Preis der Berthold-Leibinger-Stiftung gewonnen. Und so hat sie sich gleich mit ihrem ersten Band in die Topklasse der Comic-Buch-Verfasser und -Verfasseri­nnen eingereiht.

Das Buch besteht, wie es bei einem Comic üblich ist, vor allem aus teils bunten und teils schwarz-weißen Bildern, zu denen Mia Oberländer recht sparsam, aber tiefschürf­end Text gesetzt hat. Mehr ist auch nicht nötig, denn das Wesentlich­e ergibt sich ja aus den Bildern.

Das Buch besteht aus zwölf Kapiteln und beginnt mit einem Zitat aus „Der ewige Spießer“von Ödön von Horváth: „,Was ist der Mensch neben einem Berg?’, fiel es ihm plötzlich ein, und dieser Gedanke ergriff ihn sehr. ,Ein großes Nichts ist der Mensch neben einem Berg. Also ständig möchte ich nicht in den Bergen wohnen.’“Die Wörter „groß“und „Berg“haben im Buch „Anna“, das die Verfasseri­n ein grafisches Essay nennt, eine enorme Bedeutung.

Genau genommen geht es in dem Comic, dessen Inhalt ernst zu nehmen ist, nicht um eine Anna, sondern um drei Annas: Anna 3, ihre Mutter Anna 2 und ihre Großmutter Anna 1. Die Geschichte spielt in dem offensicht­lich erfundenen Städtchen Bad

Hohenheim in den Bergen und die Annas haben ein großes Problem. Anna 1 ist groß und bringt Anna 2 zur Welt, die noch größer ist, quasi ein Riesenbaby. Die zu erwartende­n Probleme stellen sich ein. Anna 2 hat zwar auch Schwierigk­eiten, einen Mann zu finden, bringt dann aber doch Anna 3 zur Welt. Und die ist natürlich auch übernatürl­ich groß.

Aber Anna 3 erklimmt schließlic­h einen hohen Berggipfel und sieht auf jene im Tal hinab, „die auf sie hinabgeseh­en haben“– im übertragen­en Sinn. Das Buch endet mit den Sätzen: „Großsein ist etwas Tolles, denkt man ... Und vielleicht stimmt das ja auch. Wenn wir Glück haben, wird uns klar: Die Aussicht könnte kaum besser sein.“

Wenn Mia Oberländer den Berg mit einem Gipfelkreu­z zeichnet, so hat das für sie eine Bedeutung. Unter anderem meint sie: „Es passt in die Geschichte, da fallen ja auch so Sätze wie ,Denn so hatte Gott es gewollt, die Berge sollten groß sein, die Menschen aber nicht’.“Und doch sind sie es – mitunter sogar sehr groß. Oder mächtig dick, superdünn, glatzköpfi­g, mit schiefer Nase oder was sonst den Mitmensche­n so auf- und vielleicht sogar missfällt. Jeder schaue in den Spiegel.

Und so hat sich der Comic letztlich zu einem Mutmach-Buch entwickelt, zu einem Wegweiser, wie man zu sich, seinem Äußeren, ja zur eigenen Persönlich­keit gut stehen kann – und soll. Zur Darstellun­g der drei Annas sagt Mia Oberländer dann auch: „Es geht mir darum, die Scham zu zeigen, die Menschen empfinden, wenn sie ständig denken: Ich bin falsch geraten und alle sehen es sofort.“Erfahrunge­n aus der eigenen Familie spielten dabei eine Rolle. Und es kam zum Umdenken.

Die 26-jährige Preisträge­rin ruht sich nun keineswegs auf ihren Lorbeeren aus, sondern sagt: „Ich habe ein neues Buch im Kopf, aber ich habe noch nicht so richtig angefangen, konkret daran zu zeichnen. Gerade arbeite ich an mehreren kleinen Projekten zum Beispiel an einem Comic über die Schweizer Modedesign­erin Ursula Rodel für das Schweizer Comicmagaz­in ,Strapazin’.“

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FOTO: KÜMMRITZ Mit dem Comic-Buch „Anna“hat die Ulmerin Mia Oberländer einen bedeutende­n Preis eingeheims­t.

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