Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Mutmach-Buch für große Menschen: Ulmerin zeichnet preisgekröntes Comic
Die 26-jährige Mia Oberländer wagte sich mit „Anna“an ein schwieriges Thema – Jetzt ist das faszinierende Buch erschienen
ULM - Eigentlich sollte das preisgekrönte Comic-Buch „Anna“der gebürtigen Söflingerin Mia Oberländer erst im kommenden Jahr auf den Markt kommen, doch nun hat es schneller geklappt: Das vom Züricher Verlag Edition Moderne herausgegebene, 214 Seiten umfassende Buch ist just erschienen.
Das Comic-Buch der 26-jährigen Wahl-Hamburgerin basiert auf ihrer Bachelorarbeit im Bereich Illustration und hat im vergangenen Jahr den renommierten und mit 20 000 Euro dotierten Comic-Buch-Preis der Berthold-Leibinger-Stiftung gewonnen. Und so hat sie sich gleich mit ihrem ersten Band in die Topklasse der Comic-Buch-Verfasser und -Verfasserinnen eingereiht.
Das Buch besteht, wie es bei einem Comic üblich ist, vor allem aus teils bunten und teils schwarz-weißen Bildern, zu denen Mia Oberländer recht sparsam, aber tiefschürfend Text gesetzt hat. Mehr ist auch nicht nötig, denn das Wesentliche ergibt sich ja aus den Bildern.
Das Buch besteht aus zwölf Kapiteln und beginnt mit einem Zitat aus „Der ewige Spießer“von Ödön von Horváth: „,Was ist der Mensch neben einem Berg?’, fiel es ihm plötzlich ein, und dieser Gedanke ergriff ihn sehr. ,Ein großes Nichts ist der Mensch neben einem Berg. Also ständig möchte ich nicht in den Bergen wohnen.’“Die Wörter „groß“und „Berg“haben im Buch „Anna“, das die Verfasserin ein grafisches Essay nennt, eine enorme Bedeutung.
Genau genommen geht es in dem Comic, dessen Inhalt ernst zu nehmen ist, nicht um eine Anna, sondern um drei Annas: Anna 3, ihre Mutter Anna 2 und ihre Großmutter Anna 1. Die Geschichte spielt in dem offensichtlich erfundenen Städtchen Bad
Hohenheim in den Bergen und die Annas haben ein großes Problem. Anna 1 ist groß und bringt Anna 2 zur Welt, die noch größer ist, quasi ein Riesenbaby. Die zu erwartenden Probleme stellen sich ein. Anna 2 hat zwar auch Schwierigkeiten, einen Mann zu finden, bringt dann aber doch Anna 3 zur Welt. Und die ist natürlich auch übernatürlich groß.
Aber Anna 3 erklimmt schließlich einen hohen Berggipfel und sieht auf jene im Tal hinab, „die auf sie hinabgesehen haben“– im übertragenen Sinn. Das Buch endet mit den Sätzen: „Großsein ist etwas Tolles, denkt man ... Und vielleicht stimmt das ja auch. Wenn wir Glück haben, wird uns klar: Die Aussicht könnte kaum besser sein.“
Wenn Mia Oberländer den Berg mit einem Gipfelkreuz zeichnet, so hat das für sie eine Bedeutung. Unter anderem meint sie: „Es passt in die Geschichte, da fallen ja auch so Sätze wie ,Denn so hatte Gott es gewollt, die Berge sollten groß sein, die Menschen aber nicht’.“Und doch sind sie es – mitunter sogar sehr groß. Oder mächtig dick, superdünn, glatzköpfig, mit schiefer Nase oder was sonst den Mitmenschen so auf- und vielleicht sogar missfällt. Jeder schaue in den Spiegel.
Und so hat sich der Comic letztlich zu einem Mutmach-Buch entwickelt, zu einem Wegweiser, wie man zu sich, seinem Äußeren, ja zur eigenen Persönlichkeit gut stehen kann – und soll. Zur Darstellung der drei Annas sagt Mia Oberländer dann auch: „Es geht mir darum, die Scham zu zeigen, die Menschen empfinden, wenn sie ständig denken: Ich bin falsch geraten und alle sehen es sofort.“Erfahrungen aus der eigenen Familie spielten dabei eine Rolle. Und es kam zum Umdenken.
Die 26-jährige Preisträgerin ruht sich nun keineswegs auf ihren Lorbeeren aus, sondern sagt: „Ich habe ein neues Buch im Kopf, aber ich habe noch nicht so richtig angefangen, konkret daran zu zeichnen. Gerade arbeite ich an mehreren kleinen Projekten zum Beispiel an einem Comic über die Schweizer Modedesignerin Ursula Rodel für das Schweizer Comicmagazin ,Strapazin’.“