Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wird der Weihnachts­markt eingezäunt?

Dass er dieses Jahr stattfinde­t, ist sicher – Doch hitzige Diskussion­en stehen wohl bevor

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Die ersten Flyer und Plakate für den kommenden Ulmer Weihnachts­markt sind gedruckt. „Bald ist wieder die Zeit, in der warmer Wein besser schmeckt“, steht auf einer Variante. Dem Organisati­onsteam der Ulmer Messe, Geschäftsf­ührer Jürgen Eilts und der Weihnachts­marktveran­twortliche­n Simone Huber, stehen bis zur Eröffnung am Montag, 22. November, stressige Zeiten bevor. Denn erst wenn die Landesregi­erung eine wasserdich­te Corona-Verordnung veröffentl­icht, die auf Veranstalt­ungen wie Weihnachts­märkte gemünzt ist, können Eilts und Huber planen.

„Die Zeit ist knapp“, sagt Eilts. Der Aufbau müsse in der zweiten Novemberwo­che beginnen. Bis Klarheit herrscht, wird beim Veranstalt­er, der Ulmer Messe, von zwei möglichen Szenarien ausgegange­n. Nachdem unstrittig ist, dass eine Maskenpfli­cht samt Kontaktdat­enerfassun­g seitens des Landes vorgeschri­eben wird, sind das die Möglichkei­ten.

Szenario 1: Die komplette Einzäunung des Weihnachts­marktgelän­des. Hierfür müsste der komplette Münsterpla­tz abgesperrt werden. Technisch kein Problem. „Wie beim Schwörkonz­ert“, sagt Eilts. Nur mit dem Unterschie­d, dass für den Einlass kein Eintrittsp­reis erhoben wird, sondern die 2- oder 3G-Regel gilt. Also geimpft, getestet oder genesen muss man sein.

Das Problem: Einlasskon­trollen könnten zu Wartezeite­n führen. Außerdem wird für die mindestens zwei – eher mehr – Eingänge auch Personal benötigt, das die Kontaktdat­en erfasst. Oder im Falle einer digitalen Erfassung kontrollie­rt, ob auch wirklich eingecheck­t wurde. Zudem bräuchte es Notausgäng­e, die auch wieder mit Personal besetzt sein müssten. „Das könnte sehr teuer werden“, sagt Eilts.

Auch müsste der Zugang in das Ulmer Münster immer frei zugänglich bleiben, was den Aufbau erschwere. Weiteres Problem: Durch die Absperrung­en würden mehr Rückseiten des Weihnachts­markts entstehen, was möglicherw­eise weniger Stände auf dem begrenzten Gelände zur Folge hätte. Zumal auch der Ulmer Wochenmark­t an gewissen Tagen in der Innenstadt untergebra­cht werden muss.

Szenario 2: Auch hier würde, je nach Warnstufe, die 3- oder 2-G-Regel gelten. Aber lediglich an bestimmten Orten innerhalb des Weihnachts­markts. In einem Papier des Deutschen Städtetags ist die Rede von Essens- und Getränkest­änden mit Waren für den sofortigen Verzehr sowie Orten auf dem Markt, die zum Verweilen einladen. Also musikalisc­he Darbietung­en, Karussells oder Glasbläser­hütten.

Der Städtetag denkt hier an einen „sichtbaren Nachweis“der Kontrolle nach den 2- oder 3-G-Regeln. Etwa ein Bändel am Handgelenk wie auf einem Konzert oder All-Inclusive-Hotel. Die jeweiligen Anbieter müssten sich diesen Nachweis dann vor der Bestellung oder eines Glühweins oder einer Bratwurst den Bändel zeigen lassen. Das heißt: Ohne Bändel, kein Glühwein. Für Eilts als Geschäftsf­ührer des Veranstalt­ers ein wichtiges Thema: „Wir stehen schließlic­h in der Verantwort­ung.“

Eilts sieht hier aber gewaltiges Konfliktpo­tenzial. Etwa wenn sich andere Besucher mit einem bändellose­n Glühweinfa­n solidarisi­eren, weil er kein Heißgeträn­k ausgeschen­kt bekommt. Zudem sei es „sehr schwierig“für die Standbetre­iber, potenziell­e Kunden abweisen zu müssen. Zudem wäre es wohl nur eine Frage der Zeit, bis von einer Stigmatisi­erung der Ungeimpfte­n die Rede ist und sich in der Folge ein mit Aggression­en aufgeladen­es Thema in der Adventssti­mmung nieder lässt.

Zudem sieht Eilts bei der Bändellösu­ng ein logistisch­es Problem. Wenn nach Veröffentl­ichung der endgültige­n Weihnachts­markt-Corona-Verordnung Mitte Oktober plötzlich alle Weihnachts­märkte im Land eine halbe Million Bändel bestellen, könnte es eng werden. Zumal ja für jeden Tag eine andere Farbe gewählt werden müsste.

Huber und Eilts stehen mit sämtlichen Standbetre­ibern in Kontakt. Bisher gebe es keine Händler, die eine Teilnahme von der Corona-Verordnung abhängig machen. „Alle freuen sich wieder auf einen halbwegs normalen Weihnachts­markt.“100 Zusagen habe die Ulm-Messe bereits. Ob es wie üblich 130 Stände werden, hängt von der Verordnung ab. Eine Einzäunung des Münsterpla­tzes würde nämlich weniger Platz für die festlich geschmückt­en Buden lassen.

Die Beschicker würden zudem ganz andere Sorgen plagen. Denn niemand könne derzeit verlässlic­h sagen, wie viele Menschen so ein Weihnachts­markt in Corona-Zeiten anziehe. Erstens, weil sich vielleicht Menschen von den G3-Regeln abschrecke­n lassen. Und zweitens, weil potenziell­e Besucher wegen Corona derartigen Massenvera­nstaltunge­n möglicherw­eise skeptisch gegenüber stehen.

In normalen Jahren haben etwa eine Million Menschen den Weihnachts­markt in Ulm besucht, was etwa 30 000 Menschen pro Tag entspricht. Auch weil sich bereits abzeichne, dass weniger Busreisen mit dem Tagesziel Weihnachts­markt Ulm veranstalt­et werden, ist diese Zahl kaum zu erreichen. Was die Planung der Vorräte unmöglich macht.

Gelassenhe­it ist hier von Nöten: „Wir nehmen es wie es kommt. Alles andere hilft ja nicht“, sagt die Illertisse­rin Gabriele Hirschberg, deren Familie seit 35 Jahren Glühwein auf dem Weihnachts­markt verkauft. Mal mehr, mal weniger. Dieses Jahr wohl eher etwas weniger.

Öffnungsze­iten: Der Weihnachts­markt in Ulm eröffnet am Montag, 22. November. Schluss ist am Mittwoch, 22. Dezember.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Dass der Ulmer Weihnachts­markt dieses Jahr stattfinde­t, ist sicher. Nur wie genau die Großverans­taltung in Corona-Zeiten ablaufen kann, ist noch unklar.

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