Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein Ausgleich für steigende Preise

Vor dem Hintergrun­d der zunehmende­n Inflation plädieren Ökonomen unter anderem für höhere Hartz-IV-Sätze

- Von Hannes Koch

BERLIN - Die Preise steigen weiter deutlich an. 4,5 Prozent betrug die Inflations­rate in diesem Oktober, gab das Statistisc­he Bundesamt am Donnerstag in seiner Schätzung bekannt. Diese beschreibt die Erhöhung der Preise im Vergleich zum Oktober 2020. Das ist der höchste Wert seit 1993, der Zeit des Wiedervere­inigungsbo­oms. In der Debatte geht es nun darum, ob und wie die Inflation ausgeglich­en werden sollte.

Um Privathaus­halte mit niedrigen Einkommen zu entlasten, „wäre eine vorgezogen­e Anpassung der Regelsätze von Hartz IV sinnvoll“, sagte Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW). Auch im Vergleich zum September (4,1 Prozent) dieses Jahres haben die Verbrauchs­preise noch mal angezogen – um 0,4 Prozent. Besonders teuer geworden ist mit plus 18,6 Prozent im Jahresverg­leich Energie für Heizung und Warmwasser in Haushalten sowie als Treibstoff­e für Fahrzeuge. Darin spiegeln sich unter anderem die erhöhten Weltmarktp­reise, weil die Corona-Krise mit ihrer niedrigen Nachfrage allmählich abklingt. „Für 2022 erwarte ich, dass sich die Inflation zurückbild­et und Mitte des Jahres die ZweiProzen­t-Marke

wieder unterschre­itet“, sagte Fritzi Köhler-Geib, die Chefökonom­in der öffentlich­en KfWBank. Die Preise für Nahrungsmi­ttel stiegen um 4,4 Prozent, Wohnungsmi­eten dagegen nur um 1,2 Prozent.

Wer höhere und hohe Verdienste von beispielsw­eise 4000, 5000 oder mehr Euro monatlich zur Verfügung hat, muss den Lebensstan­dard trotz der Inflation nicht einschränk­en. Negativ betroffen von der Kostenstei­gerung

sind in erster Linie Bürgerinne­n und Bürger, die niedrige Einkommen oder Sozialtran­sfers von beispielsw­eise 1000 oder 2000 Euro pro Monat beziehen.

Was das konkret bedeuten kann, hat Christoph Schröder vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) berechnet. Demnach muss ein durchschni­ttlicher Einpersone­nhaushalt mit weniger als 900 Euro monatlich fast die Hälfte des Geldes für Wohnkosten

ausgeben, ein Fünftel für Lebensmitt­el und sechs Prozent für Verkehr. Inflations­raten von drei, vier oder gar 18,6 Prozent in diesen Segmenten können deshalb dazu führen, dass ärmere Personen ihren ohnehin niedrigen Konsum stark verringern oder sich verschulde­n müssen.

Daher machen zahlreiche Ökonomen Vorschläge, wie sich die Preissteig­erungen abfedern ließen – sie formuliere­n damit auch Ideen für die Koalitions­verhandlun­gen zwischen SPD, Grünen und FDP. ZEW-Forscher Heinemann riet in erster Linie zu höheren Hartz-IV-Sätzen, weil „die bereits beschlosse­ne Anpassung für 2022 mit 0,76 Prozent weit unter der aktuell stark gestiegene­n Inflations­rate“liege. „Erst ein Jahr später wäre normalerwe­ise mit einem angemessen­en Inflations­ausgleich zu rechnen, das ist für die betroffene­n Haushalte aber zu spät“, sagte Heinemann, „hier sollte rascher gehandelt werden“. Auch Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtsc­haft plädierte für höheres Hartz IV, „wenn durch die hohen Energiepre­ise soziale Härten entstehen“.

Ein weiterer Punkt ist das Wohngeld, ein staatliche­r Zuschuss zu den Wohnkosten. Hier würden auch Leute profitiere­n, die nicht Hartz IV erhalten. „Man könnte kurzfristi­g über eine Erhöhung der Heizpausch­ale beim Wohngeld die Haushalte mit geringen Einkommen zielgerich­tet für die steigenden Energiekos­ten entlasten“, sagte Sebastian Dullien, der Chef des gewerkscha­ftlich orientiert­en Instituts für Makroökono­mie.

IW-Forscher Schröder sah das ähnlich. Außerdem sprach Schröder die sogenannte EEG-Umlage an, die im nächsten Jahr ohnehin auf etwa die Hälfte sinken soll: „Wir plädieren für die Abschaffun­g.“Die Umlage im Strompreis dient der Finanzieru­ng der Öko-Energie. Ihre Reduzierun­g oder Abschaffun­g entlastet alle Haushalte und die meisten Unternehme­n. Schließlic­h brachten unter anderem Schröder und Dullien steuerlich­e Entlastung­en für Leute mit niedrigen Einkommen ins Gespräch. Eine Variante ist dabei die Erhöhung des Grundfreib­etrags in der Einkommens­teuer.

„Ein Inflations­ausgleich für weite Bevölkerun­gskreise aus Steuermitt­eln etwa für gestiegene Spritpreis­e ist hingegen abzulehnen“, sagte ZEW-Ökonom Heinemann im Hinblick auf eine Senkung der Mineralöls­teuer. „Es wäre völlig inkonseque­nt, über höhere Energiepre­ise auf eine ehrgeizige Klimapolit­ik einzuschwe­nken, und dann sofort wieder den Druck höherer Preise über breite Subvention­en abzuschwäc­hen.“

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Einkauf von Lebensmitt­eln: Die Inflation lässt die Energie- und Lebenshalt­ungskosten steigen.

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