Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Motzen mit dem blechernen Kollegen Bruno
Gögginger Zulieferer Vema setzt auf kollaborierende Roboter – Cobots arbeiten Hand in Hand mit Mitarbeitern
GÖGGINGEN - Es rattert und surrt in der großen Industriehalle, aus jeder Ecke sind andere Maschinen zu hören. Elfriede legt gerade emsig Kunststoffteile auf ein Förderband, Elsa packt sie einige Meter weiter in Kisten. Elsa, Elfriede und ihre Kollegen Bruno, Günter und Jürgen sind allerdings keine Menschen. Es handelt sich um sogenannte Cobots, kollaborierende Roboter, die Bewegungen registrieren und montone Aufgaben erledigen können. Fünf von ihnen setzt das Unternehmen Vema mit Sitz in Krauchenwies-Göggingen (Landkreis Sigmaringen) ein und hat so auf ein großes Problem reagiert, denn Mitarbeiter für diese unattraktiven Aufgaben haben sich keine mehr gefunden, sagt Geschäftsführer Christian Veser.
Das Unternehmen Vema besteht bereits seit 39 Jahren. Gegründet hat es Christian Vesers Vater Werner gemeinsam mit Josef Macho. Der Firmenname ist aus den beiden Anfangsbuchstaben der Gründernachnamen entstanden. Damals war der Betrieb ein reiner Werkzeughersteller, drei Jahre später kam der Spritzguss dazu, erläutert Christian Veser. Das Unternehmen wuchs. Vor acht Jahren stieg er in die Geschäftsführung ein, ein Jahr später zog die Firma an den Ortsrand von Göggingen in neue Hallen und vergrößerte sich. Inzwischen ist das Unternehmen spezialisiert auf Fahrzeugbeleuchtung, Innenraumbeleuchtung von Autos und Teile für Sanitärarmaturen. Der Jahresumsatz des profitablen Unternehmens betrug im vergangenen Jahr elf Millionen Euro, angestellt sind etwa 80 Mitarbeiter. Als Lohnfertiger führt Vema die Aufträge der Kunden aus, darunter diverse namhafte Automobilhersteller.
Doch das System bekam einen Haken: Es mangelte mehr und mehr an geeigneten Mitarbeitern. Besonders schwierig sei es, Menschen für schlichte Aufgaben zu bekommen. „Manches ist so monoton, dass der Förderbandkoller droht“, sagt Veser. Auch die nötigen Nachtschichten seien unattraktiv. Besonders den Generationenwechsel merke er: „Die Boomer wollten Geld verdienen, bei der Generation Golf ging es schon mehr um die Work-Life-Balance. Die neue Generation sucht aber sinnstiftende Arbeit, und je mononer, desto weniger sinnstiftend ist sie.“
Als die Aufträge durch den Mangel an Mitarbeitern immer mehr ins Stocken gerieten, wollte Christian Veser, der das Unternehmen gemeinsam mit seinem Vater Werner leitet, handeln. Zwei Lösungen standen im Raum: Industrieroboter und kollaborative Roboter. Erstere haben trotz Schnelligkeit und Kraft einen großen Nachteil: Sie sind gefährlich, sagt Veser: „Die Roboter bremsen nicht und sind deshalb nicht unter Menschen einsetzbar.“Über einen Mitarbeiter kam der Kontakt zum Vertreiber der Universal-Robots zustande, ein Unternehmen aus Dänemark, das kollaborative Roboter herstellt. Veser orderte ein solches Modell, das aus Aluminium besteht und somit deutlich leichter ist als Industrieroboter. Außerdem haben diese sogenannten Cobots bestimmte
Sensoren, die Bewegungen registrieren und stoppen, bevor es gefährlich wird. Damit können sie auch direkt neben den menschlichen Kollegen arbeiten.
Dabei erinnern die etwa 50 Zentimeter großen Roboter an metallene Arme mit hellblauen Gelenken, die Bewegungen präzise ausführen können. Bei Vema packen sie Kisten, legen kleine Kunststoffteile aufs Förderband – eben monotone Arbeiten, die niemand sonst ausüben möchte. Und noch einen Vorteil bieten die Roboter, wie Veser anfügt: „Sie sind natürlich effizienter, denn sie arbeiten 24 Stunden ohne Pause.“
Wer daraus aber schlussfolgert, dass Mitarbeiter gehen mussten, liege falsch. „Sie haben andere, komplexere Aufgaben, die Roboter ergänzen sie bloß“, sagt Veser und geht sogar noch einen Schritt weiter: „Wir haben sogar noch mehr Mitarbeiter als vorher, denn wir brauchen qualifizierte Facharbeiter.“Gemeint sind unter anderem Techniker, die die Automatisierungsprozesse betreuen und sich mit den Cobots auskennen. Trotzdem spart Vema durch die metallenen Helfer auch Geld ein – Nacht- und Wochenendzuschlag sowie Lohn für diese Schichten fallen weg. Nach etwa eineinhalb Jahren zahlen sie sich aus, so Veser. Die Kosten pro Cobot liegen zwischen 25 000 und 35 000 Euro.
Im Arbeitsalltag zeigt sich, dass Roboter symbiotisch neben Mitarbeitern ihren Job machen, sie sind vollständig involviert, gewissermaßen auch menschlich, was sich am Namen zeigt, der auf jedem der Cobots zu finden ist. „Die Mitarbeiter haben mir das so erklärt: Für gute Arbeit wollten sie die Cobots loben, bei schlechter beschimpfen können, das geht besser mit Namen“, sagt Veser.
So komme es vor, dass die Mitarbeiter auch mal mit Elsa und Co. motzen. Über Aussehen der metallenen Arme habe der Hersteller vor einem bestimmten Hintergrund entschieden, ergänzt Veser: „Das niedliche Aussehen mit dem Hellblau hat einen psychologischen Aspekt, das nimmt die Angst vor ihnen.“Das ermögliche den Menschen das Arbeiten Hand in Hand mit ihren programmierten Kollegen.
Das System funktioniert: Veser plant, im nächsten Jahr zwei weitere Roboter zu kaufen und zu programmieren. Auch selbstfahrende Palettensysteme, die Kisten transportieren können, zieht er in Erwägung für das Unternehmen – ein weiterer Schritt in Richtung Automatisierung. Seine Prognose: „Jobs für unqualifizierte Mitarbeiter werden dadurch langfristig wegfallen, aber wir brauchen mehr qualifizierte Facharbeiter.“Anderen mittelständischen Betrieben empfiehlt er, im Hinblick auf die Arbeitserleichterung über Cobots nachzudenken, auch im Sinne der Mitarbeiterqualifizierung. „Es gibt viele Einsatzmöglichkeiten, auch in der Bäckerei, und sie erleichtern die Arbeit und geben den Menschen Raum für andere Aufgaben“, empfiehlt er. Doch sein Credo: „Effizienz ist wichtig, aber nicht auf Kosten der Mitarbeiter.“