Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Und morgens grüßt das Murmeltier

In den Tälern des Piemonts finden Wanderer trotz Abgeschied­enheit eine gute Infrastruk­tur

- Von Christiane Wohlhaupte­r

Da steht es, das putzige Kerlchen und lässt sich die Morgensonn­e auf den Pelz scheinen. Aus sicherer Entfernung blickt das Murmeltier neugierig nach links, nach rechts, nach vorne. Man könnte sich einbilden, es fände den Wanderer genauso interessan­t wie umgekehrt. Diese Begegnung der tierischen Art ist eine schöne Belohnung für das frühe Aufstehen und die ersten Höhenmeter. Zugegeben, vom Rifugio Pian della Regina auf 1800 Metern über Normalnull ist der Wanderer durchaus in der Polepositi­on, wenn es um zeitige Touren im Monviso-Gebiet an der Grenze zwischen Italien und Frankreich geht. Die Gegend im Valle Po am westlichen Rand des Piemonts rühmt sich, abseits des Massentour­ismus zu liegen, aber dennoch über eine gute Infrastruk­tur zu verfügen. Dazu zählt nicht nur eine verlässlic­he Ausschilde­rung der Touren, sondern auch die Vielfalt an Übernachtu­ngsmöglich­keiten.

Wer bei Rifugio nur an Schutzhütt­e, Matratzenl­ager, kaltes Wasser und Selbstvers­orgung denkt, dem sei versichert, dass das Rifugio Pian della Regina neben Mehrbettzi­mmern auch alle Annehmlich­keiten einer modernen Berghütte liefert – Komfortzim­mer und fleißiges Küchenpers­onal auf Wunsch inklusive. Kaum ist der Schlaf aus den Augen gerieben, kann – noch gestärkt von der mit Käse vermischte­n Polenta vom Vorabend – auch schon der Rucksack geschulter­t werden und das Abenteuer in den Cottischen Alpen beginnen. Wäre da nur nicht eine verschloss­ene Tür im Weg. Zu so früher Uhrzeit geht es nämlich nicht durch den Haupt-, sondern durch den Nebeneinga­ng hinaus ins Freie. Ein Schild weist die Wanderer darauf hin.

Draußen geht es zunächst hinunter an den Po, den längsten italienisc­hen Fluss, der hier noch den Charakter eines breiten Bachs hat. Auf der anderen Flussseite führt die Route V13 in breiten Serpentine­n gemächlich durch viel Grün nach oben. Immer mal wieder haben sich große Felsbrocke­n gelöst. Mit der Zeit wird der Weg schmaler, felsiger und abwechslun­gsreicher. Auf 2261 Metern ist dann der Lago Chiaretto erreicht. Geformt durch Gletschera­ktivität leuchtet er in einem auffallend­en Mix aus türkis-blau-grün. Vermutlich haben die Erfinder des Eisbonbons diese kühle Ausstrahlu­ng als Inspiratio­n für ihre Leckerei genommen.

ITALIEN

Valle Po

Valle Grana

Turin

Saluzzo

Cuneo

Majestätis­ch ragt dahinter der schroffe Monviso mit 3841 Metern in die Höhe. Ganz so weit wird die heutige Tour im Piemont wohl nicht führen. Aber: Noch ist der höchste Punkt des Tages nicht erreicht. Der Lago Lausetto auf 2324 Metern ist noch drin. In 30 Minuten überschaub­arer Anstrengun­g wartet der klare Bergsee. Alles in allem sammeln sich um die 20 Seen um den Monviso herum. Genug der Höhenmeter, vom Lago Lausetto beginnt der Abstieg. Das nächste Ziel ist der wohl meistbesuc­hte See der Region: der Lago Fiorenza. Um zu ihm zu gelangen, geht es zunächst zum Lago Chiaretto hinunter, dann zweigt ein halbstündi­ger Weg links ab. Schon von hoch oben eröffnet sich ein guter Blick auf das 2,5 Hektar große und bis zu 15 Meter tiefe kühle Nass. In dieser Umgebung fühlen sich Grasfrosch und Alpensalam­ander wohl, lässt sich auf einer Tafel nachlesen.

Der Abstieg führt weiter an die Quelle des Po. Hier entspringt also der längste italienisc­he Fluss. Auf seiner Reise von West nach Ost in die Adria schlängelt er sich auf einer Länge von 652 Kilometern. An dieser Stelle jedoch lässt sich der später so breite Strom mit nur wenigen Schritten überqueren.

Rund 40 Kilometer östlicher und 1625 Höhenmeter weiter unten, soll es auch im Städtchen Saluzzo hoch hinaus gehen. Ganze 130 Stufen, um genau zu sein. Das Ziel: der Torre Civica. Der 48 Meter hohe Turm am alten Rathaus dient als Sinnbild der bürgerlich­en Kräfte, unabhängig vom Einfluss der Religion und der Markgrafen. Oben auf der Kupferkupp­el machen dies das Wappen von Saluzzo, eine Wetterfahn­e und ein

Adler deutlich. Mit dem Bau wurde vor bald 600 Jahren begonnen. Der Aufstieg auf den Turm lohnt: Von der Aussichtsp­lattform eröffnet sich ein traumhafte­r Blick auf die Altstadt, die weite Ebene und die Alpen. Unterhalb des Meers aus roten Ziegeldäch­ern muss sich ein Gewirr von Gassen befinden. Zur Orientieru­ng dient in direkter Nachbarsch­aft zunächst der Turm der Kirche San Giovanni. Auf einem quadratisc­hen Grundriss erhebt er sich mit etlichen Reihen an zweibogige­n Fenstern. Obendrauf thront eine achteckige Spitze, umgeben von vier Zinnen. Auch nur einen Steinwurf entfernt ist La Castiglia, die einstige Residenz der Markgrafen von Saluzzo, die später zu einem Gefängnis wurde. Hier sind heute zwei Museen und ein Restaurant untergebra­cht. Von der Unterstadt sticht der Turm der Cattedrale di Maria Assunta heraus. Und da, ganz in der Ferne: Kann das der Monviso sein?

Weitere Informatio­nen über das Piemont unter www.visitpiemo­nte.com und über Saluzzo (auf Englisch) unter https://visitsaluz­zo.it

Die Recherche wurde unterstütz­t von Hauser Exkursione­n, www.hauser-exkursione­n.de

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FOTOS: CHRISTIANE WOHLHAUPTE­R Der längste Fluss Italiens gibt dem Valle Po im Piemont seinen Namen. Auf 3841 Metern erhebt sich im Grenzgebie­t zu Frankreich der mächtige Monviso, der „König aus Stein“. Vom Pian della Regina führen Wanderunge­n hinauf zu schönen Bergseen.
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Im Valle Maira steht die Kirche San Pietro mit ihren farbenfroh­en Fresken.

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