Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Hochkarätiger Streicherglanz
Anne-Sophie Mutter und ihr Ensemble begeistern in Ochsenhausen
OCHSENHAUSEN - Welch Glanz im ohnehin schon glanzvollen Bibliothekssaal von Ochsenhausen: Die Geigerin Anne-Sophie Mutter gastierte hier im Rahmen ihrer vor wenigen Tagen begonnenen Europatournee mit ihrem Solistenensemble „Mutter’s Virtuosi“. An ihrer Seite musizierte Linus Roth aus dem nahen Ertingen, der in den Jahren 1999 bis 2003 als Stipendiat ihrer Stiftung gefördert wurde und mittlerweile auch als Intendant des Schwäbischen Frühlings in Ochsenhausen wirkt.
Denn Anne-Sophie Mutter ist nicht nur eine großartige Geigerin, die seit 45 Jahren das Musikleben in aller Welt prägt, sondern ein Herzensanliegen ist ihr auch die Förderung junger Musikerinnen und Musiker. So wie die im badischen Rheinfelden geborene Künstlerin schon als kleines Kind gefördert wurde, früh zu ihrer Lehrmeisterin Aida Stucki in Winterthur kam und als 14-Jährige unter Herbert von Karajan bei den Salzburger Festspielen debütierte, unterstützt sie den hochbegabten „Nachwuchs“auf vielfältige Weise: Ihre Stipendiatinnen und Stipendiaten werden seit 1997 zu hochkarätigen Meisterkursen und Lehrern vermittelt, die Stiftung kümmert sich um die Vergabe von hochwertigen Instrumenten, und in gemeinsamen Konzerten lassen die Mentorin und ihre Schützlinge die Funken sprühen.
Viele von ihnen sind inzwischen selbst vielfach ausgezeichnet bei Wettbewerben, wirken wie Linus
Roth als Professor und Festivalleiter, sind Konzertmeister oder Stimmführer in großen Orchestern. Auch der Cellist Daniel Müller-Schott, der unlängst in Ravensburg konzertierte, und der Cellist Kian Soltani aus Vorarlberg finden sich unter den Stipendiaten. Die koreanische Bratschistin Hwayoon Lee konnten Musikfreunde der Region schon 2014 gemeinsam mit Anne-Sophie Mutter unter Manfred Honeck zum Jubiläum in Wolfegg mit der Sinfonia Concertante von Mozart erleben, die beiden Musikerinnen musizierten im Einklang auf Augenhöhe – mit 18 Jahren war die Koreanerin damals die jüngste Stipendiatin.
Ein Jubiläum hatte auch die Landesakademie für die musizierende Jugend in Baden-Württemberg zu feiern:
Blumen für die strahlende Künstlerin. Seit 35 Jahren ist sie in den großzügigen Räumen des ehemaligen Benediktinerklosters Ochsenhausen zu Hause und was passt besser, als das mit so hochqualifizierten Musikerinnen und Musikern zu feiern? Akademiedirektor Klaus Weigele konnte unter den zahlreichen Gästen neben Anne-Sophie Mutter mit dem Künstler Wolfgang Laib sogar einen weiteren Preisträger des Praemium Imperiale begrüßen. Der hochdotierte „Nobelpreis der Künste“wird vom japanischen Kaiserhaus verliehen, Laib bekam ihn 2015, Anne-Sophie Mutter vor zwei Jahren und beide befinden sich in bester Gesellschaft.
Gemeinsames Musizieren auf Augenhöhe bestimmt die Konzerte von „Mutter’s Virtuosi“, die im Bibliothekssaal mit 14 Musikerinnen und Musikern und im Rotationsprinzip mit Anne-Sophie Mutter auftreten. Gleich mit Antonio Vivaldis Concerto für vier Violinen, Streicher und Basso continuo erlebt man die zwitschernden Dialoge der Geigerin mit drei jungen Meistern untereinander und mit der Tuttigruppe. Natürlich ist sie die Führerin, aber die vier Geigen bilden eine atmende, tirilierende, sich gegenseitig Raum gebende Gemeinschaft. Im langsamen Satz blühen die Melodien auf, es gibt fein wispernde Passagen, pulsierende Energie und feine Echowirkungen. Die Begleitstimmen fügen sich lebendig ein, der Cembalist Knut Johannessen und der erst 18-jährige Cellist Lionel Martin, der in Filderstadt zur Welt kam und wie magnetisch mit der Geigerin verbunden scheint, gestalten den Generalbass.
Zeitlebens setzt sich die Künstlerin auch für die zeitgenössische Musik ein; Auftragskompositionen für sich und ihre Schützlinge sind ihr ebenso ein Herzensanliegen. Das Duo „Gran Cadenza“der koreanischen Komponistin Unsuk Chin spielt mit der Tradition der Solokadenz, die in einem Instrumentalkonzert das Können und die schöpferische Fantasie der Solisten in den Mittelpunkt rückt. Ihr Duo betont das Miteinander, die Symbiose zweier Stimmen, ebenso aber die Kontraste, den Wettstreit, den Kampf: geigerisch virtuos mit atemberaubender Bogentechnik, Flageolett, Glissandi, Chromatik, Trillern spielend, mal kraftvoll und feurig, aber auch wunderbar zerbrechlich und filigran. Anne-Sophie Mutter und Linus Roth liefern sich dem spannenden Stück voll und ganz aus, reißen das Publikum mit: Zeitgenössische Musik braucht das Live-Abenteuer und solch charismatische Interpreten!
Im zweiten Teil tritt die Geigerin auch als Solistin – herausgehoben mit prächtiger bestickter Robe – vor ihre „Virtuosi“: Vivaldis „Vier Jahreszeiten“begleiten sie seit ihrer ersten Einspielung unter Karajan. Immer neu macht sie die so farbenreichen Konzerte lebendig, tritt in Dialog mit dem von Roth angeführten Ensemble, dem Cembalisten oder dem so hingebungsvoll musizierenden Cellisten. Eine weitere Facette zeigt die Künstlerin mit ihrer Zugabe, einem für ihren schmelzenden Geigenton umgeschriebenen Song von John Williams: „Nice to Be around“aus Cinderella Liberty: ein großer, umjubelter Abend!