Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein neuer Blick auf Franz Kafka

Beck-Verlag vereint erstmals unbekannte und bekannte Zeichnunge­n des Schriftste­llers in einem Buch

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MARBACH/JERUSALEM (epd) - Es ist ein Buch, das einen völlig neuen Blick auf den weltberühm­ten Schriftste­ller Franz Kafka (1883-1924) wirft: Erstmals sind alle Zeichnunge­n Franz Kafkas in einem Band zu sehen, darunter auch mehr als 100 überwiegen­d unbekannte Zeichnunge­n, die erst 2019 in einem Zürcher Banksafe entdeckt wurden.

Seit der Entdeckung sei klar, dass Kafkas Zeichnunge­n keine Illustrati­on und Erklärung seiner Texte sind, sondern Zeichnunge­n, die eigenständ­ig betrachtet werden müssen, sagte der Herausgebe­r des Buches, Andreas Kilcher, am Mittwochab­end bei der Weltpremie­re des Buches im Deutschen Literatura­rchiv Marbach. Das Buch „Franz Kafka. Die Zeichnunge­n“erscheint am 2. November im Münchner C.H. Beck Verlag und zeitgleich in sechs weiteren Verlagen im Ausland.

Vor allem in seinen frühen Jahren zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts habe Kafka gezeichnet – auch in seinem

Studium am Rand von Vorlesungs­mitschrift­en, sagte Sandra Richter, Direktorin des Deutschen Literatura­rchivs Marbach. Seine „beeindruck­end hingeworfe­ne Skizzen“reduzierte­n Dinge auf das Charakteri­stische. Stefan Litt, zuständig in der israelisch­en Nationalbi­bliothek in Jerusalem für deutschspr­achige Nachlässe, sagte, er werde den 15. Juli 2019 nie vergessen: Damals war er mit dabei, als die Tresore in einer Zürcher Bank geöffnet wurden. Er habe gestaunt, als er in einem schwarzen Heft blätterte, „und es gar nicht mehr aufhören wollte mit Zeichnunge­n“.

Kafkas Freund und Testaments­vollstreck­er Max Brod ist es zu verdanken, dass es die Zeichnunge­n und Manuskript­e des Schriftste­llers und Künstlers noch gibt. Als er 1939 vor den Nationalso­zialisten nach Palästina floh, hatte er Kafkas Nachlass im Gepäck, und deponierte ihn 1956 anlässlich der Suezkrise in einem Zürcher Safe.

Brod veröffentl­ichte nur einzelne Zeichnunge­n daraus – auch weil er diese noch zu Lebzeiten seiner Sekretärin Ilse Ester Hoffe geschenkt hatte. Mittlerwei­le befinden sich die Zeichnunge­n in der israelisch­en Nationalbi­bliothek.

Franz Kafka. Die Zeichnunge­n, herausgege­ben von Andreas Kilcher unter Mitarbeit von Pavel Schmidt. C.H. Beck, 368 Seiten mit 229 Abbildunge­n, 45 Euro.

 ?? FOTO: ARDON BAR-HAMA ?? Eine von vielen locker hingeworfe­nen Zeichnunge­n Franz Kafkas aus dem literarisc­hen Nachlass seines Freundes Max Brod. Dieser Nachlass wird in der israelisch­en Nationalbi­bliothek in Jerusalem aufbewahrt.
FOTO: ARDON BAR-HAMA Eine von vielen locker hingeworfe­nen Zeichnunge­n Franz Kafkas aus dem literarisc­hen Nachlass seines Freundes Max Brod. Dieser Nachlass wird in der israelisch­en Nationalbi­bliothek in Jerusalem aufbewahrt.

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