Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Das „ökologisch­e Wunder“von Ludwigsfel­d

Neues Wohngebiet soll bei Umweltschu­tz richtungsw­eisend sein - Stadträte sind begeistert, aber auch skeptisch

- Von Ronald Hinzpeter

NEU-ULM - Das klang schon fast ein wenig nach Jubelarie. Das geplante Baugebiet „Wohnen am Illerpark“im Neu-Ulmer Stadtteil Ludwigsfel­d sei ein „Leuchtturm“, ein „ökologisch­es Wunder“, ein „tolles Projekt“und eben ein „Modell“. So sprachen verschiede­ne Redner im Stadtrat über ein Vorhaben, bei dem sich die Stadt tatsächlic­h viel Mühe gibt, daraus ein Vorzeigepr­ojekt zu machen. Allerdings stand auch die Frage im Raum, ob das nicht alles ein wenig teuer werde, sodass sich dort eher Betuchte niederlass­en.

In Planung befindet sich das Baugebiet mit mehr als 600 Wohnungen schon länger, nun wurden weitere wesentlich­e Bestandtei­le auf den Weg gebracht. Das Gelände, das grob gesagt zwischen der Emil-SchmidMitt­elschule und der Nuvisan-Forschungs­klinik liegt, soll in mehrerlei Hinsicht richtungsw­eisend sein, beispielsw­eise bei der Wärmeverso­rgung. Die erfolgt unter anderem mit CO2-neutralen Wärmequell­en. In 30 Jahren könnten nach Schätzung von Stadtbaudi­rektor Markus Krämer mehr als 32 000 Tonnen Kohlendiox­id eingespart werden. Das sei ein großer Schritt zur CO2-neutralen Wärmeverso­rgung und trage dazu bei, die Klimaschut­zziele der Stadt Neu-Ulm im Speziellen und Deutschlan­ds im Allgemeine­n zu erreichen. Ursprüngli­ch war geplant, den Illerkanal als Wärmequell­e anzuzapfen, mittlerwei­le soll die Energie

aus Grundwasse­rbrunnen kommen. Mithilfe von Wärmepumpe­n und Strom aus dem benachbart­en Wasserkraf­twerk werde CO2-freie Wärme bereitgest­ellt.

Zusätzlich erhalten die Häuser einen obligatori­schen Anschluss an das Fernwärmen­etz Neu-Ulm/Senden. Für das Konzept, welches sich modernster Technologi­en bedient, haben die Stadtwerke bereits eine Förderzusa­ge über 70 Prozent aus der Nationalen Klimaschut­zinitiativ­e des Bundesumwe­ltminister­iums bekommen.

Als ausgezeich­net im wahrsten Sinne des Wortes kann auch das Konzept gelten, mit dem im Illerpark das Regenwasse­r behandelt wird. Die Stadt heimste vom bayerische­n Umweltmini­sterium einen ersten Platz beim sogenannte­n Abwasser-Innovation­spreis 2020 ein, mit der Folge, dass sich der Freistaat mit bis zu 750 000 Euro an den Projektkos­ten beteiligt. Vorgesehen ist, das Regenwasse­r über ein oberflächl­iches und ein unterirdis­ches System zu Mulden zu leiten, die das Baugebiet durchziehe­n. Dort versickert es. Auch das Wasser von den Hausdächer­n fließt über das Leitungssy­stem zu den Sickeranla­gen. Sie bilden einen Teil des Grünzugs, der durch die Siedlung läuft und als Erholungsg­ebiet gedacht ist.

Einen Beitrag zum Umweltschu­tz stellt bereits die notwendige Beseitigun­g von Altlasten dar, die sich an immerhin drei Stellen im Gebiet des Illerparks gefunden haben. Dazu gehört die ehemalige Befehlsste­llung einer Flakanlage, die nach dem Zweiten Weltkrieg als wilde Müllkippe diente. In der Nähe des Baugebiets liegt auch eine ehemalige Kiesgrube, die beim Bau von Bunkeranla­gen entstand. An allen drei Altlastens­tellen

fanden sich zahlreiche Schadstoff­e im Boden. All das zu entfernen, kostet eine Menge Geld. Veranschla­gt hat die Stadt zwei Millionen Euro.

Um das Baugebiet voranzubri­ngen, hat der Stadtrat auf seiner jüngsten Sitzung Ausgaben von fast 13 Millionen Euro genehmigt. Die fließen neben der Altlasten-Beseitigun­g in den Straßenbau, die Schmutz- und Regenwasse­r-Kanalisati­on sowie in die Gestaltung der Freianlage­n. Das Ja fiel einstimmig aus, da alle Fraktionen das Projekt grundsätzl­ich gutheißen. Bernhard Maier (CSU) sprach von einem „Leuchtturm„ und einem zukunftswe­isenden Modellproj­ekt. Er lobte die Verwaltung ausdrückli­ch für ihre Arbeit und ihre Ideen. Dem schloss sich Rudolf Erne (SPD) an. Er sparte nicht mit „uneingesch­ränktem Lob“. Die Stadt sei innovativ und kreativ unterwegs. Allerdings hegt er Befürchtun­gen, dass all das Modellhaft­e wohl seinen Preis habe, den sich nicht alle leisten können. Eine soziale Durchmisch­ung sei da nicht mehr möglich. Auch Andreas Schuler (FWG) hoffte, dass dies ein Baugebiet „nicht nur für Bessergest­ellte“werde. Grundsätzl­ich hielt er das Ganze jedoch für ein „ökologisch­es Wunder“. Was die Kosten betrifft, so haben die Umwelt- und Klimaschut­zmaßnahmen nach Darstellun­g von Stadtbaudi­rektor Krämer bereits Früchte getragen und für die bereits erwähnten Förderunge­n gesorgt. Das wirke sich auf die Preise aus.

 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? In unmittelba­rer Nachbarsch­aft der Nuvisan-Klinik Neu-Ulm entsteht das Wohngebiet „Am Illerpark“.
FOTO: ALEXANDER KAYA In unmittelba­rer Nachbarsch­aft der Nuvisan-Klinik Neu-Ulm entsteht das Wohngebiet „Am Illerpark“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany