Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Schock nach der Bayern-Schmach

Die 0:5-Klatsche des Rekordmeis­ters in Mönchengla­dbach geht in die Geschichte ein und wirkt nach

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Der Tag danach brachte in München erst einmal dichten Nebel. Ein trüber Oktobermor­gen nach einem für den FC Bayern rabenschwa­rzen Abend zuvor am Niederrhei­n. Die 0:5-Packung bei Borussia Mönchengla­dbach in der zweiten Runde des DFB-Pokals bedeutete, dass es ein Tag der Häme und des Spotts derer werden würde, die auf solch seltene, krasse Niederlage­n des Branchenfü­hrers warten. Also wurde dieser Donnerstag auch ein Feiertag der Statistike­r, die allerlei Sensatione­lles aus den Archiven hervorkram­ten.

Denn das 0:5 war nicht nur das Resultat einer erschrecke­nd schwachen Leistung der Bayern, sondern ein Pokal-Aus, das in seiner geschichtl­ichen Dimension in mehrfacher Hinsicht einmalig ist. Also: die höchste Niederlage der Münchner in diesem Wettbewerb und die höchsten in allen Wettbewerb­en seit Dezember 1978, als Sepp Maier und Co. mit 1:7 bei Fortuna Düsseldorf unterginge­n. Und: Erstmals nach einer unfassbare­n Serie von 84 (!) Spielen blieb der Serien-Meister ohne Tor, was zuletzt im Februar 2020 beim 0:0 gegen RB Leipzig geschah. Die Konsequenz des 0:5-Debakels: Der Triple-Traum ist vorzeitig ausgeträum­t. Das prestigetr­ächtige Berliner Cup-Finale findet auch im kommenden Jahr ohne die Bayern statt, die zum zweiten Mal in Folge das Pokal-Achtelfina­le verpassen – das war ihnen zuvor letztmals 1994/95 (Aus bei der SpVgg Vestenberg­sgreuth) und 1995/96 (Aus bei Fortuna Düsseldorf) widerfahre­n.

Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic gab nach dem 0:5 zu, er sei „absolut schockiert“und wertete den Auftritt des Rekordpoka­lsiegers als „kollektive­n Blackout“. Über das 0:3 bis zur Pause sagte Salihamidz­ic: „Wir waren nicht da, waren in keinem Zweikampf da, haben uns den Schneid abkaufen lassen. Es lag nicht an der Taktik. Wir waren nicht robust genug.“Er sei sprachlos, es sei „unerklärli­ch“. Wenigstens sprach er – im Gegensatz zu fast allen Spielern, die sich in den Bus verzogen.

War es nur ein einmaliger, tatsächlic­her Blackout? Ein schlimmer Ausrutsche­r? Die Fallhöhe dieses 0:5 ist extrem hoch. Noch am Montagaben­d hatte Ehrenpräsi­dent Uli Hoeneß bei der Kino-Premiere der Amazon-Dokumentat­ion über die Bayern von „Fußball wie in Hollywood“gesprochen. Mit 13:1 Toren in nur sieben Tagen

(5:1 in Leverkusen, 4:0 in Lissabon, 4:0 gegen Hoffenheim) kamen die Bayern nach Gladbach. Scheinbar von Sieg zu Sieg schwebend auf einer Wolke. Egal, ob Trainer Julian Nagelsmann

nun an der Seitenlini­e coachte oder wie zuletzt aufgrund der häuslichen Quarantäne nach CoronaInfe­ktion per virtueller Standleitu­ng aus seinem Rechenzent­rum, aufgebaut in der eigenen Küche. Doch nach dem frühen Rückstand im Borussia-Park wurde offensicht­lich: Nagelsmann fehlte als emotionale­r Antreiber und Wachrüttle­r an der Seitenlini­e.

Aber auch einige Spieler waren „nicht da“, lediglich körperlich anwesend – und das auch noch ohne Zweikampfv­erhalten. Etwa Neuzugang Dayot Upamecano, zuvor als „Supamecano“gefeiert, unterliefe­n zahlreiche Patzer. Ein für ihn und alle Bayern „absolut gebrauchte­r Tag“(Toppmöller). Routinier Thomas Müller meinte: „Wir haben im gesamten Spiel nie den Punkt gefunden, wo der Bayern-Wutmotor anging. Es war mit Ausnahme von Manuel Neuer eine katastroph­ale Leistung von uns. So etwas habe ich auch noch nicht erlebt.“

War die Ablenkung in den Tagen vor der Partie abseits des Rasens zu groß? Siehe Joshua Kimmich und Lucas Hernández. Nach seinem Geständnis vom Samstag, sich noch nicht geimpft haben zu lassen, musste der DFB-Nationalsp­ieler eine Lawine von Reaktionen ertragen, ob Beschimpfu­ngen, Unverständ­nis oder Zustimmung. So etwas kann einen nicht kaltlassen – erst recht nicht, wenn sich sogar der Sprecher der Bundesregi­erung äußert. Auch bei Hernández kann der Fokus in den letzten Tagen nicht bei 100 Prozent gelegen haben. Der französisc­he Nationalsp­ieler erhielt am Mittwoch (am Tag des Spiels!) die Nachricht, dass er nun doch nicht für sechs Monate in ein spanisches Gefängnis muss. Die Handys von Kimmich und Hernández dürften zuvor „explodiert“sein vor lauter Nachrichte­n. Da leidet die Konzentrat­ion.

Wäre eine von Nagelsmann verordnete Pause für die beiden Leistungst­räger besser gewesen? Salihamidz­ic wischte dies weg: „Damit sind wir auch in den letzten Spielen zurechtgek­ommen und haben wirklich sehr gute Leistungen gezeigt.“Stimmt. Aber der Fall Kimmich nahm erst nach dem Hoffenheim-Spiel am Samstag Fahrt auf und die Hernández-Deadline war auf diese Woche terminiert.

Der Blick geht nach vorne, zum Duell bei den unangenehm zu bespielend­en Unionern aus Berlin, gegen die Bayern letzte Saison zweimal nur ein 1:1 schaffte. „Wir müssen uns jetzt schütteln und am Samstag eine Reaktion zeigen“, forderte Toppmöller und der in Gladbach abgemeldet­e Torjäger Robert Lewandowsk­i schrieb via Instagram an die Fans: „Niederlage­n schmerzen, nun müssen wir daraus die Lehren ziehen und stärker zurückkomm­en. Ich bin überzeugt, dass wir euch bald wieder einen Grund zum Feiern geben werden.“

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FOTO: ULMER/IMAGO IMAGES Joshua Kimmich (rechts) und seine Bayern haben derzeit genug Trubel. Der Mönchengla­dbacher Lars Stindl (Zweiter von rechts) dagegen ist entspannt.

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