Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Schock nach der Bayern-Schmach
Die 0:5-Klatsche des Rekordmeisters in Mönchengladbach geht in die Geschichte ein und wirkt nach
MÜNCHEN - Der Tag danach brachte in München erst einmal dichten Nebel. Ein trüber Oktobermorgen nach einem für den FC Bayern rabenschwarzen Abend zuvor am Niederrhein. Die 0:5-Packung bei Borussia Mönchengladbach in der zweiten Runde des DFB-Pokals bedeutete, dass es ein Tag der Häme und des Spotts derer werden würde, die auf solch seltene, krasse Niederlagen des Branchenführers warten. Also wurde dieser Donnerstag auch ein Feiertag der Statistiker, die allerlei Sensationelles aus den Archiven hervorkramten.
Denn das 0:5 war nicht nur das Resultat einer erschreckend schwachen Leistung der Bayern, sondern ein Pokal-Aus, das in seiner geschichtlichen Dimension in mehrfacher Hinsicht einmalig ist. Also: die höchste Niederlage der Münchner in diesem Wettbewerb und die höchsten in allen Wettbewerben seit Dezember 1978, als Sepp Maier und Co. mit 1:7 bei Fortuna Düsseldorf untergingen. Und: Erstmals nach einer unfassbaren Serie von 84 (!) Spielen blieb der Serien-Meister ohne Tor, was zuletzt im Februar 2020 beim 0:0 gegen RB Leipzig geschah. Die Konsequenz des 0:5-Debakels: Der Triple-Traum ist vorzeitig ausgeträumt. Das prestigeträchtige Berliner Cup-Finale findet auch im kommenden Jahr ohne die Bayern statt, die zum zweiten Mal in Folge das Pokal-Achtelfinale verpassen – das war ihnen zuvor letztmals 1994/95 (Aus bei der SpVgg Vestenbergsgreuth) und 1995/96 (Aus bei Fortuna Düsseldorf) widerfahren.
Sportvorstand Hasan Salihamidzic gab nach dem 0:5 zu, er sei „absolut schockiert“und wertete den Auftritt des Rekordpokalsiegers als „kollektiven Blackout“. Über das 0:3 bis zur Pause sagte Salihamidzic: „Wir waren nicht da, waren in keinem Zweikampf da, haben uns den Schneid abkaufen lassen. Es lag nicht an der Taktik. Wir waren nicht robust genug.“Er sei sprachlos, es sei „unerklärlich“. Wenigstens sprach er – im Gegensatz zu fast allen Spielern, die sich in den Bus verzogen.
War es nur ein einmaliger, tatsächlicher Blackout? Ein schlimmer Ausrutscher? Die Fallhöhe dieses 0:5 ist extrem hoch. Noch am Montagabend hatte Ehrenpräsident Uli Hoeneß bei der Kino-Premiere der Amazon-Dokumentation über die Bayern von „Fußball wie in Hollywood“gesprochen. Mit 13:1 Toren in nur sieben Tagen
(5:1 in Leverkusen, 4:0 in Lissabon, 4:0 gegen Hoffenheim) kamen die Bayern nach Gladbach. Scheinbar von Sieg zu Sieg schwebend auf einer Wolke. Egal, ob Trainer Julian Nagelsmann
nun an der Seitenlinie coachte oder wie zuletzt aufgrund der häuslichen Quarantäne nach CoronaInfektion per virtueller Standleitung aus seinem Rechenzentrum, aufgebaut in der eigenen Küche. Doch nach dem frühen Rückstand im Borussia-Park wurde offensichtlich: Nagelsmann fehlte als emotionaler Antreiber und Wachrüttler an der Seitenlinie.
Aber auch einige Spieler waren „nicht da“, lediglich körperlich anwesend – und das auch noch ohne Zweikampfverhalten. Etwa Neuzugang Dayot Upamecano, zuvor als „Supamecano“gefeiert, unterliefen zahlreiche Patzer. Ein für ihn und alle Bayern „absolut gebrauchter Tag“(Toppmöller). Routinier Thomas Müller meinte: „Wir haben im gesamten Spiel nie den Punkt gefunden, wo der Bayern-Wutmotor anging. Es war mit Ausnahme von Manuel Neuer eine katastrophale Leistung von uns. So etwas habe ich auch noch nicht erlebt.“
War die Ablenkung in den Tagen vor der Partie abseits des Rasens zu groß? Siehe Joshua Kimmich und Lucas Hernández. Nach seinem Geständnis vom Samstag, sich noch nicht geimpft haben zu lassen, musste der DFB-Nationalspieler eine Lawine von Reaktionen ertragen, ob Beschimpfungen, Unverständnis oder Zustimmung. So etwas kann einen nicht kaltlassen – erst recht nicht, wenn sich sogar der Sprecher der Bundesregierung äußert. Auch bei Hernández kann der Fokus in den letzten Tagen nicht bei 100 Prozent gelegen haben. Der französische Nationalspieler erhielt am Mittwoch (am Tag des Spiels!) die Nachricht, dass er nun doch nicht für sechs Monate in ein spanisches Gefängnis muss. Die Handys von Kimmich und Hernández dürften zuvor „explodiert“sein vor lauter Nachrichten. Da leidet die Konzentration.
Wäre eine von Nagelsmann verordnete Pause für die beiden Leistungsträger besser gewesen? Salihamidzic wischte dies weg: „Damit sind wir auch in den letzten Spielen zurechtgekommen und haben wirklich sehr gute Leistungen gezeigt.“Stimmt. Aber der Fall Kimmich nahm erst nach dem Hoffenheim-Spiel am Samstag Fahrt auf und die Hernández-Deadline war auf diese Woche terminiert.
Der Blick geht nach vorne, zum Duell bei den unangenehm zu bespielenden Unionern aus Berlin, gegen die Bayern letzte Saison zweimal nur ein 1:1 schaffte. „Wir müssen uns jetzt schütteln und am Samstag eine Reaktion zeigen“, forderte Toppmöller und der in Gladbach abgemeldete Torjäger Robert Lewandowski schrieb via Instagram an die Fans: „Niederlagen schmerzen, nun müssen wir daraus die Lehren ziehen und stärker zurückkommen. Ich bin überzeugt, dass wir euch bald wieder einen Grund zum Feiern geben werden.“