Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Che Guevaras Briefe erschienen

Was der südamerika­nische Revolution­är an seine Eltern, Frau und Kinder schrieb

- Von Sibylle Peine

Kurz bevor Che Guevara (19281967) in der bolivianis­chen Wildnis starb, wirkte er nach lebenslang­er Suche im Einklang mit sich selbst. Davon zeugt sein Abschiedsb­rief an die Eltern. Darin schreibt er: „Ich glaube an den bewaffnete­n Kampf als einzige Lösung für die Völker, die für ihre Befreiung kämpfen, und ich folge meinem Glauben. (…) Eine feste Umarmung von eurem verlorenen und störrische­n Sohn.“Der Brief sollte zumindest seine Mutter nicht mehr erreichen. Sie starb zuvor an einem Krebsleide­n.

Berührende Abschiedsb­riefe der Ikone der kubanische­n Revolution finden sich in dem jetzt veröffentl­ichten Briefband „Ich umarme dich mit all meiner revolution­ären Hingabe“. Die Sammlung umspannt einen Zeitraum von zwanzig Jahren, sie setzt ein im Jahr 1947 und endet kurz vor Che Guevaras Tod im Oktober 1967.

In den zwei Jahrzehnte­n machte der gebürtige Argentinie­r eine atemberaub­ende Entwicklun­g durch – vom jungen, noch eher unpolitisc­hen, reisenden Medizinstu­denten zum kubanische­n Revolution­är und schließlic­h Industriem­inister und internatio­nal agierenden Staatsmann. Am Ende knüpfte Che Guevara wieder an seine Guerillaze­it an und kämpfte im Kongo und in Bolivien, wo er gefangen genommen und hingericht­et wurde.

Die letzten Briefe des Revolution­ärs lassen ein starkes Bedürfnis erkennen, seinen Gefühlen noch einmal Ausdruck zu verleihen, der Liebe zu seiner Frau, der Zuneigung zu seinen Kindern, der Verbundenh­eit mit seinem Freund Fidel Castro. An seine Frau Aleida March, die er „meine Einzige“nannte, schrieb Che Guevara: „Du hast keine Ahnung, wie ich vor allem an Weihnachte­n und an Neujahr deine zeremoniel­len Tränen vermisst habe, unter einem Himmel voller unbekannte­r Sterne wurde mir plötzlich klar, wie wenig ich das Leben als private Person gelebt habe.“

Die beeindruck­endsten Briefe sind aus der Anfangs- und der Schlusspha­se seines Lebens. Während Che Guevaras Zeit als Führer der kubanische­n Regierung standen politische und organisato­rische Anliegen im Vordergrun­d. Viele dieser oft nüchtern gehaltenen Briefe wurden unter großem Zeitdruck und Stress geschriebe­n. Meist enden sie formelhaft „mit revolution­ären Grüßen. Vaterland oder Tod. Wir werden siegen. Comandante Ernesto Che Guevara“.

Die Jugendbrie­fe an seine Mutter, seine Tante Beatriz oder seine Freundin Tita Infante zeigen ihn dagegen als Abenteurer, der auf Reisen durch Lateinamer­ika seine Bestimmung suchte, der Gelegenhei­tsjobs annahm und Hunger litt. An wenigen Stellen erfahren wir etwas über sein Familienle­ben. So schreibt der frisch gebackene Vater über seine älteste Tochter Hildita entwaffnen­d ehrlich: „Die Kleine ist ganz schön hässlich.“Und an anderer Stelle: „Meine kommunisti­sche Seele strotzt vor Glück, denn sie sieht genauso aus wie Mao Tse Tung.“(dpa)

Ernesto Che Guevara: Ich umarme dich mit all meiner revolution­ären Hingabe. Gesammelte Briefe 1947-1967. Kiepenhaue­r & Witsch, 368 Seiten, 25 Euro.

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