Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Schmutziger Kampf um die eigenen Kinder
Ehinger liegt mit Justiz über Kreuz – Seine Hoffnung: der Gerichtshof für Menschenrechte
ULM/EHINGEN - Auf der Anklagebank sitzt ein distinguierter Mann, adrett gekleidet, zurückhaltend und höflich, ja fast sanft im Ton, der überlegt und sehr genau formuliert. Seine Worte und Taten, weswegen er sich verantworten muss – dokumentiert auf seiner Homepage freifam.de, Untertitel: „Wir setzen uns ein für die Rechte von Kindern und Eltern“–, lassen sein Vorgehen jedoch in einem anderen, nicht mehr ganz so vorteilhaften Licht erscheinen.
In der „Szene“erscheint Sandro Groganz als Held: Als Galionsfigur in einem Kampf, den Väter in ganz Deutschland ausfechten, weil sie ihre von ihnen getrennt lebenden Kinder öfters sehen möchten. Im Internet betreibt der Ehinger eine Plattform, die vor allem von männlichen Elternteilen viel beachtet wird, die das Gefühl haben, dass sie ungerecht behandelt werden: von ihren Ex-Frauen und Gerichten. Nun ist Groganz, Vater von vier Kindern, übers Ziel hinausgeschossen.
Zumindest aus Sicht des Ulmer Landgerichts. Richter Tobias Mästle lehnte am Freitag in einer Berufungsverhandlung das Ansinnen Groganz’ ab, der es nicht hinnehmen wollte, dass er im Frühjahr schon einmal vom Ehinger Amtsgericht wegen Beleidigung des für ihn zuständigen Familienrichters verurteilt worden war.
3200 Euro sollte der Marketing-Experte Groganz damals zahlen – weil er sich in einem Video und in einem Artikel unter anderem darin ergeht, die „gestörte Psyche“des Familienrichters zu ergründen, der aus seiner Sicht unter einem ausgeprägten ÖdipusKomplex leidet. Und weil er den Richter öffentlich mit einem abgerichteten Kampfhund vergleicht.
Groganz hingegen argumentiert: Seine Ausführungen seien von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Auch Sadismus wirft er dem für ihn zuständigen Familienrichter vor, der Gefallen daran finde, seine Kinder „in politischer Geiselhaft“zu halten. Der Jurist wird von ihm zudem in die NaziEcke gerückt. So prangt das Konterfei des Familienrichters in einem von Groganz veröffentlichten Artikel, in dem es um einen Erziehungsratgeber aus der NZ-Zeit aus der Feder einer gewissen Johanna Haarer geht („Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“).
Das sei eine Herabwürdigung seines Richterkollegen, findet Berufungsrichter Mästle. Das Foto des Familienrichters und direkt daneben das Cover des Buchs der Autorin Haarer, die auch „Mutter, erzähl von Adolf Hitler“verfasst hat. Wer den GroganzArtikel lese, dem dränge sich der Eindruck auf, dass der Familienrichter „von Nazi-Gedankengut geprägt sei“, so Mästle. Für ihn und die beiden Schöffinnen eine Verletzung dessen Persönlichkeitsrechts.
Der Ehinger Sandro Groganz vor dem Ulmer Landgericht.
Dabei, so gibt Groganz vor, meine er es nur gut. In erster Linie gehe es ihm um seine vier minderjährigen Kinder, zwei Buben, zwei Mädchen. Seine älteste Tochter wohnt mittlerweile bei ihm zuhause in Ehingen; die anderen drei würden ihm von seiner Ex-Frau (gemeinsam teilen sie sich das Sorgerecht) aber vorenthalten. Und so ein wahres „Martyrium“erleiden.
Die Erzählung von Sandro Groganz geht so: Jugendamt, Familienrichter und die Mutter seiner Kinder hätten sich gegen ihn verschworen, würden verhindern, dass er seine drei übrigen Kinder gleichberechtigt und zu gleichen Teilen wie seine Ex sehen dürfe. Vom Familiengericht sei er dazu verdonnert worden, dass er seine drei Jüngsten nur noch selten und dann auch nur wenige Stunden treffen könne, noch dazu unter Aufsicht zweier Mitarbeiterinnen des Kinderschutzbundes.
Zwingende Gründe, die es auch Außenstehenden nachvollziehbar machen würden, warum er drei seiner Kinder nur unter Aufsicht treffen darf, werden auch bei der Berufungsverhandlung nicht präsentiert. Mästle ackert sich durch Akten des Familiengerichts, wobei ein Punkt heraussticht.
Der Ehinger, so heißt es, würde seine Kinder „massiv“unter Druck setzen und zwar hinsichtlich des sogenannten
Wechselmodells. Für das sich Groganz tatsächlich stark einsetzt, das wird schnell deutlich in der Berufungsverhandlung. Das Wechselmodell besagt vereinfacht: Kinder geschiedener Partner wachsen bei diesen zu gleichen Teilen auf, sind gleich lange beim Vater wie bei der Mutter.
Groganz gibt sich als glühender Fan zu erkennen. Er widerspricht jedoch: Keines seiner Kinder würde deshalb von ihm unter Druck gesetzt. Der Wunsch, „den Papa und die Mama halbe halbe zu sehen“, werde auch von seinen Kindern geäußert. Es könne doch nicht verboten sein, dass er mit seinen Kindern dann auch über ein Modell spreche, welches sogar von der FDP propagiert werde.
Die erste Google-Empfehlung, sucht man nach Sandro Groganz im Internet, lautet: „verrückt“. Vor Gericht macht der Vierfach-Vater einen klaren Eindruck, wirkt nicht wie ein Spinner. Richter Tobias Mästle attestiert dem Ehinger, dass dieser „seine Kinder liebt“, letztlich „verzweifelt“sei.
Groganz wünscht sich, dass das Wechselmodell für seine Familie gerichtlich angeordnet wird, auch wenn seine Ex-Partnerin dagegen sei. Grundsätzlich ist dies möglich. Das Ulmer Familiengericht sah davon bisher aber ab, denn das Modell komme nur in Frage, wenn Vater und Mutter miteinander auskommen. Zwischen
Sandro Groganz und seiner Ex-Frau, die in der Ehinger Region wohnt, bestehe, so das Familiengericht, allerdings „hohes Konfliktpotenzial“.
Auch wenn die innerfamiliären Auseinandersetzungen des Angeklagten nur am Rande behandelt wurden: Angesichts der Einblicke, die Mästle durch die Akten des Familiengerichts gibt, scheint es tatsächlich nicht gänzlich ausgeschlossen, dass dem Ehinger, was seine Kinder betrifft, in irgendeiner Form Unrecht angetan wird. Doch Mästle macht auch klar: Verhandelt wird im vorliegenden Fall die Richter-Beleidigung, nichts anderes.
Groganz geht es jedoch gefühlt ums „große Ganze“. Erst unlängst war er zu sehen in einer Reportage des SWR, in der er vehement wirbt für das Wechselmodell. Auch die beiden anderen Väter, die ihm am Donnerstag vom Publikumsbereich aus als Zuschauer Beistand leisten (ebenfalls Betroffene), würden das Wechselmodell gerne selbst praktizieren mit ihren Kindern.
Die beiden geben an, ähnlich Groganz’: Die Gerichte spielten nicht mit. Sie seien Opfer einer Justiz, die im Zweifel eher der Mutter zugetan ist als dem Vater. Von Willkür ist die Rede, gegen die sie als Väter verdammt seien, anzukämpfen. Bei seinem Plädoyer vergießt der Ehinger Tränen.
Im Detail erläutert Tobias Mästle bei seiner Urteilsbegründung, warum Groganz mit seiner Berufung keinen Erfolg hat und sich nicht mit dem Verweis auf die Meinungsfreiheit herauswinden könne. Als problematisch beurteilt Mästle die plakative Behauptung Groganz’ in der Überschrift des Artikels, in dem es um die vermeintliche psychische Störung des Familienrichters geht. Zudem liege der Schwerpunkt in den Beiträgen nicht auf der Sache – nämlich, dass Groganz mit den Urteilen des Familiengerichts nicht einverstanden war und ist.
Diese zu kritisieren, hob Mästle hervor, sei Groganz’ Recht, er dürfe dies auch „scharf und überspitzt“tun. Wenn sich zwei Drittel der Beiträge jedoch mit der Psyche eines Familienrichters befassten, gerate der nötige „Sachbezug“der Kritik in den Hintergrund.
Zufrieden ist Groganz am Ende nicht. Zwar muss er statt 80 Tagessätzen à 40 Euro „nur“noch 70 Tagessätze berappen. Er pocht jedoch weiter auf Freispruch und kündigt an, nun Revision einzulegen. Hat er damit beim Oberlandesgericht keinen Erfolg, will er sich ans Bundesverfassungsgericht wenden. Und danach, so kündigt er an: an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Der Ehinger, so scheint es, ist sich seiner Sache ziemlich sicher. Zwar wurde er nun schon zwei mal verurteilt wegen Beleidigung des Familienrichters. Er denke jedoch nicht daran, die entsprechenden Beiträge von seiner Homepage zu entfernen.