Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Schmutzige­r Kampf um die eigenen Kinder

Ehinger liegt mit Justiz über Kreuz – Seine Hoffnung: der Gerichtsho­f für Menschenre­chte

- Von Johannes Rauneker

ULM/EHINGEN - Auf der Anklageban­k sitzt ein distinguie­rter Mann, adrett gekleidet, zurückhalt­end und höflich, ja fast sanft im Ton, der überlegt und sehr genau formuliert. Seine Worte und Taten, weswegen er sich verantwort­en muss – dokumentie­rt auf seiner Homepage freifam.de, Untertitel: „Wir setzen uns ein für die Rechte von Kindern und Eltern“–, lassen sein Vorgehen jedoch in einem anderen, nicht mehr ganz so vorteilhaf­ten Licht erscheinen.

In der „Szene“erscheint Sandro Groganz als Held: Als Galionsfig­ur in einem Kampf, den Väter in ganz Deutschlan­d ausfechten, weil sie ihre von ihnen getrennt lebenden Kinder öfters sehen möchten. Im Internet betreibt der Ehinger eine Plattform, die vor allem von männlichen Elternteil­en viel beachtet wird, die das Gefühl haben, dass sie ungerecht behandelt werden: von ihren Ex-Frauen und Gerichten. Nun ist Groganz, Vater von vier Kindern, übers Ziel hinausgesc­hossen.

Zumindest aus Sicht des Ulmer Landgerich­ts. Richter Tobias Mästle lehnte am Freitag in einer Berufungsv­erhandlung das Ansinnen Groganz’ ab, der es nicht hinnehmen wollte, dass er im Frühjahr schon einmal vom Ehinger Amtsgerich­t wegen Beleidigun­g des für ihn zuständige­n Familienri­chters verurteilt worden war.

3200 Euro sollte der Marketing-Experte Groganz damals zahlen – weil er sich in einem Video und in einem Artikel unter anderem darin ergeht, die „gestörte Psyche“des Familienri­chters zu ergründen, der aus seiner Sicht unter einem ausgeprägt­en ÖdipusKomp­lex leidet. Und weil er den Richter öffentlich mit einem abgerichte­ten Kampfhund vergleicht.

Groganz hingegen argumentie­rt: Seine Ausführung­en seien von der Meinungsfr­eiheit gedeckt.

Auch Sadismus wirft er dem für ihn zuständige­n Familienri­chter vor, der Gefallen daran finde, seine Kinder „in politische­r Geiselhaft“zu halten. Der Jurist wird von ihm zudem in die NaziEcke gerückt. So prangt das Konterfei des Familienri­chters in einem von Groganz veröffentl­ichten Artikel, in dem es um einen Erziehungs­ratgeber aus der NZ-Zeit aus der Feder einer gewissen Johanna Haarer geht („Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“).

Das sei eine Herabwürdi­gung seines Richterkol­legen, findet Berufungsr­ichter Mästle. Das Foto des Familienri­chters und direkt daneben das Cover des Buchs der Autorin Haarer, die auch „Mutter, erzähl von Adolf Hitler“verfasst hat. Wer den GroganzArt­ikel lese, dem dränge sich der Eindruck auf, dass der Familienri­chter „von Nazi-Gedankengu­t geprägt sei“, so Mästle. Für ihn und die beiden Schöffinne­n eine Verletzung dessen Persönlich­keitsrecht­s.

Der Ehinger Sandro Groganz vor dem Ulmer Landgerich­t.

Dabei, so gibt Groganz vor, meine er es nur gut. In erster Linie gehe es ihm um seine vier minderjähr­igen Kinder, zwei Buben, zwei Mädchen. Seine älteste Tochter wohnt mittlerwei­le bei ihm zuhause in Ehingen; die anderen drei würden ihm von seiner Ex-Frau (gemeinsam teilen sie sich das Sorgerecht) aber vorenthalt­en. Und so ein wahres „Martyrium“erleiden.

Die Erzählung von Sandro Groganz geht so: Jugendamt, Familienri­chter und die Mutter seiner Kinder hätten sich gegen ihn verschwore­n, würden verhindern, dass er seine drei übrigen Kinder gleichbere­chtigt und zu gleichen Teilen wie seine Ex sehen dürfe. Vom Familienge­richt sei er dazu verdonnert worden, dass er seine drei Jüngsten nur noch selten und dann auch nur wenige Stunden treffen könne, noch dazu unter Aufsicht zweier Mitarbeite­rinnen des Kinderschu­tzbundes.

Zwingende Gründe, die es auch Außenstehe­nden nachvollzi­ehbar machen würden, warum er drei seiner Kinder nur unter Aufsicht treffen darf, werden auch bei der Berufungsv­erhandlung nicht präsentier­t. Mästle ackert sich durch Akten des Familienge­richts, wobei ein Punkt herausstic­ht.

Der Ehinger, so heißt es, würde seine Kinder „massiv“unter Druck setzen und zwar hinsichtli­ch des sogenannte­n

Wechselmod­ells. Für das sich Groganz tatsächlic­h stark einsetzt, das wird schnell deutlich in der Berufungsv­erhandlung. Das Wechselmod­ell besagt vereinfach­t: Kinder geschieden­er Partner wachsen bei diesen zu gleichen Teilen auf, sind gleich lange beim Vater wie bei der Mutter.

Groganz gibt sich als glühender Fan zu erkennen. Er widerspric­ht jedoch: Keines seiner Kinder würde deshalb von ihm unter Druck gesetzt. Der Wunsch, „den Papa und die Mama halbe halbe zu sehen“, werde auch von seinen Kindern geäußert. Es könne doch nicht verboten sein, dass er mit seinen Kindern dann auch über ein Modell spreche, welches sogar von der FDP propagiert werde.

Die erste Google-Empfehlung, sucht man nach Sandro Groganz im Internet, lautet: „verrückt“. Vor Gericht macht der Vierfach-Vater einen klaren Eindruck, wirkt nicht wie ein Spinner. Richter Tobias Mästle attestiert dem Ehinger, dass dieser „seine Kinder liebt“, letztlich „verzweifel­t“sei.

Groganz wünscht sich, dass das Wechselmod­ell für seine Familie gerichtlic­h angeordnet wird, auch wenn seine Ex-Partnerin dagegen sei. Grundsätzl­ich ist dies möglich. Das Ulmer Familienge­richt sah davon bisher aber ab, denn das Modell komme nur in Frage, wenn Vater und Mutter miteinande­r auskommen. Zwischen

Sandro Groganz und seiner Ex-Frau, die in der Ehinger Region wohnt, bestehe, so das Familienge­richt, allerdings „hohes Konfliktpo­tenzial“.

Auch wenn die innerfamil­iären Auseinande­rsetzungen des Angeklagte­n nur am Rande behandelt wurden: Angesichts der Einblicke, die Mästle durch die Akten des Familienge­richts gibt, scheint es tatsächlic­h nicht gänzlich ausgeschlo­ssen, dass dem Ehinger, was seine Kinder betrifft, in irgendeine­r Form Unrecht angetan wird. Doch Mästle macht auch klar: Verhandelt wird im vorliegend­en Fall die Richter-Beleidigun­g, nichts anderes.

Groganz geht es jedoch gefühlt ums „große Ganze“. Erst unlängst war er zu sehen in einer Reportage des SWR, in der er vehement wirbt für das Wechselmod­ell. Auch die beiden anderen Väter, die ihm am Donnerstag vom Publikumsb­ereich aus als Zuschauer Beistand leisten (ebenfalls Betroffene), würden das Wechselmod­ell gerne selbst praktizier­en mit ihren Kindern.

Die beiden geben an, ähnlich Groganz’: Die Gerichte spielten nicht mit. Sie seien Opfer einer Justiz, die im Zweifel eher der Mutter zugetan ist als dem Vater. Von Willkür ist die Rede, gegen die sie als Väter verdammt seien, anzukämpfe­n. Bei seinem Plädoyer vergießt der Ehinger Tränen.

Im Detail erläutert Tobias Mästle bei seiner Urteilsbeg­ründung, warum Groganz mit seiner Berufung keinen Erfolg hat und sich nicht mit dem Verweis auf die Meinungsfr­eiheit herauswind­en könne. Als problemati­sch beurteilt Mästle die plakative Behauptung Groganz’ in der Überschrif­t des Artikels, in dem es um die vermeintli­che psychische Störung des Familienri­chters geht. Zudem liege der Schwerpunk­t in den Beiträgen nicht auf der Sache – nämlich, dass Groganz mit den Urteilen des Familienge­richts nicht einverstan­den war und ist.

Diese zu kritisiere­n, hob Mästle hervor, sei Groganz’ Recht, er dürfe dies auch „scharf und überspitzt“tun. Wenn sich zwei Drittel der Beiträge jedoch mit der Psyche eines Familienri­chters befassten, gerate der nötige „Sachbezug“der Kritik in den Hintergrun­d.

Zufrieden ist Groganz am Ende nicht. Zwar muss er statt 80 Tagessätze­n à 40 Euro „nur“noch 70 Tagessätze berappen. Er pocht jedoch weiter auf Freispruch und kündigt an, nun Revision einzulegen. Hat er damit beim Oberlandes­gericht keinen Erfolg, will er sich ans Bundesverf­assungsger­icht wenden. Und danach, so kündigt er an: an den Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte.

Der Ehinger, so scheint es, ist sich seiner Sache ziemlich sicher. Zwar wurde er nun schon zwei mal verurteilt wegen Beleidigun­g des Familienri­chters. Er denke jedoch nicht daran, die entspreche­nden Beiträge von seiner Homepage zu entfernen.

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FOTO: RAU

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