Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Damit die Musik nicht verstummt
Wie Künstler und Veranstalter mit den wieder verschärften Bedingungen umgehen
BIBERACH - 2G-Plus-Regel und nur noch maximal 50 Prozent Hallenauslastung: Für Kulturveranstalter und Künstler gelten seit dieser Woche wieder Einschränkungen, die die Branche bereits überwunden glaubte. In Biberach war der Auftritt der Celtic-Folk-Band Cara am Donnerstagabend die erste Veranstaltung, die unter diesen Bedingungen stattfand. Wie empfinden Musiker und Veranstalter die aktuelle Situation?
Einige Konzertbesucher, die bereits Karten für das Cara-Konzert gekauft hatten, sind nicht gekommen, weil die 2G-Plus-Regel erst am Tag davor in Kraft trat, andere kommen gerade vom Testzentrum und müssen noch auf das Ergebnis warten, ehe sie in den Saal dürfen, wo das Konzert bereits begonnen hat. Der Großteil der gut 100 Besucherinnen und Besucher hat sich aber auf den kurzfristigen Hinweis des Kulturamts hin noch rechtzeitig testen lassen und nimmt die Einlasskontrollen gelassen. „Jetzt habe ich das Ticket schon so lange und habe mich so auf das Konzert gefreut, da lasse ich mich durch den notwendigen Test nicht abhalten“, meint eine Besucherin. Und ein anderer sagt: „Ich finde 2G-Plus gar nicht so schlecht. Da fühle ich mich im Saal sicherer.“
Wer im Konzert war, hat sein Kommen sicher nicht bereut. Denn Cara, allen voran Geigerin und Sängerin
TRAUERANZEIGEN
Gudrun Walther als Kopf der Band, versprühen mit ihren irisch-schottischen Klängen eine unbändige Lebensfreude, mal fröhlich, mal melancholisch. „Positive Gedankenkraft“wollen sie dem Publikum mit ihrer Musik vermitteln, sagt Gudrun Walther in der Anmoderation zu einem der Songs. Dabei sind es für sie und ihre drei Mitmusiker gerade alles andere als einfache Zeiten.
„Wir betrachten gerade jeden Tag, an dem ein geplantes Konzert stattfinden kann, als einen Bonus“, sagt Gudrun Walther, die die Band Cara 2003 gründete und über ihr eigenes Konzertbüro auch die ganzen Buchungen verwaltet. Nach fast zwei Jahren des Auf und Ab in einem psychischen Ausnahmezustand fühle sie sich jetzt eigentlich ausgebrannt und urlaubsreif, „aber jetzt geht der ganze Kram ja wieder los“, meint die Musikerin aus der Nähe von Kirchheim/ Teck mit Blick auf die Einschränkungen. Jeden Tag verfolge sie die Nachrichten und schaue mit Bangen ins EMail-Postfach, ob möglicherweise ein weiterer Veranstalter ein geplantes Konzert abgesagt hat.
Gudrun Walther erkannte bereits zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020, welche Folgen die Absagewelle für sie und viele ihrer Künstlerkolleginnen und -kollegen haben würde. „Es war ja völlig unklar, ob und wie der Staat uns hilft.“Zusammen mit weiteren Künstlern und Konzertagenturen rief sie die Aktion „Ticket behalten“ins Leben. Besucher, die Konzerttickets bereits im Vorverkauf erworben hatten, sollten diese bei einer Absage nicht zurückgeben, sondern das bereits bezahlte Eintrittsgeld durch das Behalten ihres Tickets an die Künstler spenden. Das sei eine Hilfe gewesen, gerade für Künstler aus der Folk-Music-Szene, die in der Regel nicht zu den Bestverdienern der Branche zählten.
Rührig blieb die Musikerin auch diesen Sommer. Mit Gitarrist Jürgen Treyz stellte sie das Projekt „Tunes from Home“auf die Beine gestellt. 25 mal zwischen Januar und Juli luden sie Profi- und Laienmusiker online zum gemeinsamen Musizieren via Zoom ein – teilweise waren es bis zu 150 aus der ganzen Welt. Wer mitmachen wollte, spendete etwas. „Das Projekt hat uns während des ersten Halbjahrs 2021 ernährt, neben den Überbrückungshilfen“, sagt Gudrun Walther.
Dass die finanzielle Unterstützung aber von Bundesland zu Bundesland anders gewesen sei, habe sie als total ungerecht empfunden. „In BadenWürttemberg war es sehr gut geregelt, in anderen Bereichen jedoch blieb es ein undurchschaubarer Dschungel.“Das Fehlen einer Gewerkschaft, die die Kultur vertritt, sei ihr während der Pandemie schmerzlich bewusst geworden. Sie habe deshalb an der Gründung des Interessenverbands „Pro Musik“mitgewirkt, in dem sich freie Musikschaffende zusammengeschlossen haben, um diesen eine Lobby zu bieten. Dass es auch in der neuen Regierung kein Bundeskulturministerium gebe, finde sie bedauerlich. „Das hätte ich mir gewünscht als Lehre aus der Pandemie.“
Bislang sei die Branche einigermaßen gut durch die Corona-Zeit gekommen. „Ja, es gab einige Kollegen, die Hartz IV waren, aber es musste keiner Hunger leiden“, sagt Gudrun Walther. Auch dass sie und ihre Bandkollegen derzeit vor halbleeren Sälen spielten, empfinde sie nicht als schlimm. „Es war viel schlimmer, Streamingkonzerte in komplett leeren Sälen zu spielen. Wir freuen uns jetzt wieder über jeden Einzelnen, der kommt.“
Sorge hat die Musikerin eher davor, welche Spuren die aktuelle Corona-Welle in der Kulturszene hinterlässt. Professionelle Veranstalter hätten eine gewisse finanzielle Absicherung, viele ehrenamtliche Kulturveranstalter hätten dies nicht. „Ich merke, dass da einigen inzwischen der Atem ausgeht. Die haben einfach keine Lust mehr. Wenn ich als ehrenamtlicher Veranstalter einen Saal nur noch zu 25 Prozent füllen darf, ist das quasi ein Lockdown. Da sagen die ab.“
Sorgen, die auch Julian Gröschl kennt. Er ist beim Kulturamt der Stadt Biberach für die Veranstaltungsplanung und -organisation in den städtischen Hallen zuständig. „Auf das ständige Absagen und Verschieben von Veranstaltungen hat keiner mehr Lust. Das macht soviel Arbeit auf allen Seiten“, sagt er. Die Stimmung im Publikum bei den Veranstaltungen in den vergangenen Wochen sei immer gut gewesen. „Mit Besucherzahlen zwischen 30 und 400 waren wir aber vielfach unter Normalniveau“, sagt Gröschl. Derzeit plane er noch ganz normal weiter. „Im Januar sind wir eigentlich pickepackevoll. Aber wenn die Infektionszahlen steigen, dann wird der Veranstaltungs- und Kulturbereich ganz schnell wieder am stärksten betroffen sein.“Auch wenn die Verschärfungen ihre Berechtigung hätten, blicke er als Veranstalter mit einer gewissen Sorge darauf. „Wir sind auf diese ständigen, kurzfristigen Verschiebungen eigentlich gar nicht eingerichtet, weil wir eher langfristig planen“, sagt Gröschl. Im Kopf sei er eigentlich schon bei der Veranstaltungsplanung nach den Heimattagen 2023.
Erschwerend kamen in den vergangenen Tagen auch die Stornowelle verschiedener Tagungen und Weihnachtsfeiern hinzu, die in der Stadthalle geplant waren. „Das sind alles Einnahmen, die uns für das Kulturprogramm fehlen“, sagt Gröschl. In Zeiten zunehmender Videokonferenzen sei auch nicht sicher, ob das gesamte Tagungsgeschäft nach Corona wieder in Präsenz zurückkomme.
„Livemusik ist was ganz Tolles. Bitte bleibt eurer Stadthalle und euren Kleinkunstbühnen treu“, appelliert Gudrun Walther am Ende des Cara-Konzerts an das Biberacher Publikum. Für sie und ihre Band geht das Konzertjahr an diesem Samstag mit einem Auftritt in der Nähe von Hannover zu Ende. „Und dann hoffen wir alle auf ein besseres 2022.“