Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Unsicherheiten bremsen großen Aufschwung
Metall- und Elektroindustrie im Kreis kämpft mit Folgen von Pandemie und Ukrainekrieg
BIBERACH/ULM - Im Jahr 2021 hatte die regionale Metall- und Elektroindustrie (M+E) eine Umsatzsteigerung von 17,5 Prozent auf 13,375 Milliarden Euro zu verzeichnen, die Exportquote lag bei 55,4 Prozent. Die Firmen haben trotz Unsicherheiten bedingt durch Corona, Transformation und brüchigen Lieferketten erneut kräftig investiert, und zwar 484 Millionen Euro. Das zeigt sich in der aktuellen regionalen Konjunkturumfrage des Arbeitgeberverbands Südwestmetall. Die Betriebe der Branche im Landkreis Biberach seien durch die Krise aber etwas stärker betroffen, der Aufschwung falle aktuell etwas schwächer aus, so der Ulmer Südwestmetall-Geschäftsführer Götz Maier im Pressegespräch.
„Wir befinden uns aktuell in einer ganz ungewöhnlichen Situation“, erläutert Maier. „Die Auftragslage ist bei den meisten Unternehmen gut, auch im Kreis Biberach, gleichzeitig herrscht eine extreme Unsicherheit.“Diese habe mit Lieferengpässen, Energiekosten, Fachkräftemangel und technologischem Wandel zu tun. „Alles passiert gerade gleichzeitig und alles wirkt sich extrem aus“, so der Südwestmetall-Geschäftsführer.
Von 49 Südwestmetall-Mitgliedsbetrieben im Landkreis Biberach haben sich 29 an der Konjunkturumfrage beteiligt. Der Stichtag dafür war der 1. April. In den Einschätzungen der Firmen ist der Ukrainekrieg also bereits eingeflossen. „Wobei das Geschehen sehr dynamisch ist und sich manche Einschätzung vielleicht schon verändert hat“, sagt Maier.
Die Firmen der M+E-Branche im Kreis Biberach seien 2021 stärker von der Corona-Krise betroffen gewesen als die Betriebe in der gesamten Südwestmetall-Bezirksgruppe Ulm. Welche Gründe dafür genau verantwortlich seien, habe man bislang noch nicht ergründen können, sagt Maier. Während bezirksweit 17,5 Prozent Umsatzsteigerung zu verzeichnen waren, sei bei den Firmen im Landkreis Biberach lediglich ein Umsatzwachstum von 4,4 Prozent erreicht worden.
Auch das Thema Kurzarbeit ist im Kreis ein größeres als im Rest des Bezirks. Waren dort 2021 knapp 50 Prozent der Betriebe in Kurzarbeit, gab es diese im Kreis Biberach in 66 Prozent der Südwestmetall-Mitgliedsfirmen. Aktuell liegt der Wert bezirksweit bei 21,5 Prozent, im Kreis Biberach gibt es hingegen noch in 34 Prozent der Firmen Kurzarbeit.
Trotz der schwierigen Phase durch die Pandemie und aktuell durch den Krieg planen die Firmen, Personal aufzubauen: Um 1,7 Prozent sollen die Belegschaften im Schnitt im gesamten Südwestmetall-Bezirk Ulm wachsen. Mit 0,6 Prozent geplantem Personalwachstum hinken die Firmen im Kreis Biberach auch hier etwas hinterher.
Die Stimmung ist laut Maier aber auch im Landkreis wieder optimistischer: „89 Prozent der Firmen sagen uns, dass es ihnen besser geht als im Vorjahr. 93 Prozent planen sogar größere Steigerungen bei der Umsatzentwicklung.“Außerdem seien Investitionen von rund 289 Millionen Euro geplant. „Hier geht es um die Zukunftsthemen Transformation, Dekarbonisierung und Digitalisierung. Die hohe Investitionssumme ist für uns ein klares Zeichen, dass der Landkreis Biberach als Zukunftsregion angesehen wird.“
Ein weiteres Indiz dafür sieht Maier auch darin, dass 93 Prozent der Firmen aus dem Kreis, die bei der Umfrage mitgemacht haben, Personal aufbauen wollen. Konkret sollen rund 660 Arbeitsplätze neu entstehen, 543 Stellen in der M+E-Branche sind laut Südwestmetall im Kreis Biberach noch offen, „darunter 150 Ingenieursund 265 Facharbeiterstellen“, so Maier.
Auch 43 Auszubildende werden für das kommende Ausbildungsjahr in den Firmen noch gesucht. „Im nächsten Jahr wollen die meisten die Zahl der Ausbildungsplätze beibehalten, 25 Prozent der Firmen im Kreis planen, noch mehr Azubis einzustellen als bisher. Niemand will reduzieren“, sagt der SüdwestmetallGeschäftsführer.
An die Politik und an die Tarifpartner gilt, auch angesichts der anstehenden Tarifverhandlungen im Herbst, Maiers Appell nach möglichst wenig neuen Einschränkungen und möglichst viel Flexibilität für die Unternehmen. „Die Bürokratiekosten dürfen nicht weiter zunehmen, die Entgeltkosten müssen im Rahmen bleiben.“Die kommende Tarifrunde werde schwierig, die Inflation drücke die Unternehmen genauso stark wie die Beschäftigten.
Auch mit Blick auf einen drohenden Gaslieferstopp mahnt der Südwestmetall-Geschäftsführer zu einem gut abgewogenen Vorgehen. „Ich frage mich schon, ob es sinnvoll ist, Unternehmen als Erste vom Netz zu nehmen. Da sind eine Menge Arbeitsplätze in Gefahr.“Niemand wolle verständlicherweise in der kalten Wohnung sitzen, „aber es will auch niemand seinen Arbeitsplatz verlieren“, so Maier. Je energieintensiver und abhängiger vom Gas ein Unternehmen sei, desto deutlicher vernehme er diese Haltung.
Trotz allem sieht Maier gerade für die Unternehmen der Region die Chance, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. „Der Vorteil unserer Mittelständler ist die Fähigkeit, extrem agil auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagieren zu können.“