Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kaum Spielraum für Mehrausgaben
Folgen von Pandemie und Ukraine-Krieg bereiten Sorgen im Südwest-Haushalt – Bayaz setzt auf Risikovorsorge
STUTTGART (dpa) - Bei den Haushaltsberatungen drohen trotz der guten Steuerschätzung zahlreiche Projekte der grün-schwarzen Koalition auf der Strecke zu bleiben. Grund dafür ist der enge finanzielle Korridor für den Doppeletat 2023/2024, den Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) definiert hat. Zwar sieht sein Entwurf für die Eckpunkte des Haushalts einen Spielraum von insgesamt 850 Millionen Euro für zusätzliche Ausgaben vor, doch gehen davon noch Hilfen für die Kommunen und Kosten für ukrainische Flüchtlinge ab, wie am Sonntag aus der Koalition in Stuttgart zu erfahren war. Allein die Forderungen der Kommunen summieren sich demnach auf über eine Milliarde Euro. Die Spitzen von Grünen und CDU treffen sich am Montagabend, um über die Eckpunkte für den Haushalt zu beraten.
Die Steuerschätzung war erfreulich ausgefallen: Für die kommenden beiden Jahre sollen etwa drei Milliarden Euro mehr an Steuern in die Landeskassen fließen. Doch Bayaz warnt davor, dass der Ukraine-Krieg und die Pandemie im Herbst auf die Konjunktur durchschlagen könnten. Sein Entwurf sieht einen Risikopuffer von 640 Millionen Euro vor, falls die Steuereinnahmen einbrechen sollten. Weil die hohe Inflation auch das Land trifft, will der Minister etwa eine Milliarde Euro dafür zurücklegen. Bayaz muss zudem das strukturelle Defizit aus der mittelfristigen Finanzplanung in Höhe von 5,4 Milliarden Euro decken, das die CoronaPandemie
gerissen hat. Auch hierfür werden ein Teil der prognostizierten Mehreinnahmen und der Überschuss aus diesem Jahr gebraucht.
Um überhaupt Spielraum für politische Projekte zu haben, sollen die Ministerien im Gegenzug im Etat 600 Millionen Euro sparen. Zwar will das Finanzministerium hier 40 Prozent, also etwa 240 Millionen Euro, selbst beisteuern, dennoch bleiben noch 360 Millionen Euro, die die anderen Ressorts aus ihren Haushalten bringen müssen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte schon erklärt, es gebe nur geringe Spielräume für Mehrausgaben. Er machte die Vorgabe, es müsse mehr Geld in den Klimaschutz und in Bildung fließen. Es heißt in der Koalition, das Land wolle vor allem in die Sanierung landeseigener Gebäude investieren, um sein Ziel einer klimaneutralen Landesverwaltung bis 2030 noch erreichen zu können.
Im September hatte Kretschmann noch angekündigt, im Doppeletat nach Sparmaßnahmen suchen zu wollen. Eine solche „Aufgabenkritik“, bei der auch Förderprogramme auf den Prüfstand gestellt werden, müsse die Koalition zum Schwerpunkt machen. Doch davon ist bisher nichts zu hören. Dem Vernehmen nach will es Bayaz den Ressorts selbst überlassen, wo sie ihren Beitrag für die Sparauflage herholen. Bei der CDU gibt es dazu kritische Stimmen und den Verweis auf die Redensart: „Wer einen Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen.“FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hält Bayaz' Vorgehen für „Jammern auf hohem Niveau“. Er findet: „Hier stimmt nur jemand das Klagelied an, der Sparen für eine Majestätsbeleidigung hält.“Es sieht nicht so aus, als würden die Spitzen der Koalition an diesem Montagabend noch viel an Bayaz' Entwurf ändern. Um den Spielraum zu erhöhen, sehen Haushälter im Prinzip drei Möglichkeiten. Erstens: GrünSchwarz könnte den Risikopuffer in der Hoffnung auf eine stabile Konjunktur verringern. Zweitens: Die Sparauflage für die Ressorts könnte erhöht werden. Drittens: Städte und Gemeinden müssten erneut vertröstet werden.