Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Eine Umsiedlung ist im Einzelfall möglich“

Reptilien-Experte Markus Baur gibt Tipps zum Umgang mit Ringelnatt­ern

- Von Andreas Spengler

SCHEMMERHO­FEN/MÜNCHEN Markus Baur ist Vorsitzend­er des Vereins „Auffangsta­tion für Reptilien“in München und Fachtierar­zt für Reptilien. Im Interview erklärt er, wie gefährlich Ringelnatt­ern wirklich sind, wie man bei einem Biss reagieren sollte und wie mit Tieren im Garten umgegangen werden kann.

Wie gefährlich sind Ringelnatt­ern tatsächlic­h?

Markus Baur: Für Menschen sind sie vollkommen harmlos und ungefährli­ch. Auf der Speisekart­e der Tiere stehen höchstens zum Beispiel Frösche, Regenwürme­r oder Kaulquappe­n. Außerdem hat keine Schlange Interesse an einem Kontakt mit Menschen. Selbst die giftigsten Kobras nicht.

Tatsächlic­h können Ringelnatt­ern aber schon zubeißen. Wann tun sie dies?

Die Schlangen haben zwei beliebte Abwehrstra­tegien. Die erste: Sie drehen sich auf den Rücken, lassen die Zunge raushängen und stellen sich tot. Das tun sie manchmal auch, wenn Menschen sich nähern. Die zweite Strategie: Sie sondern ein stinkendes Sekret ab. Das riecht etwa so wie verfaulter Knoblauch. Das Sekret bleibt auch auf der Haut haften und lässt sich nur schwer abwaschen. In ganz seltenen Fällen kann es auch zu einem Biss kommen, aber nur wenn das Tier unmittelba­r Todesangst hat und keinen Fluchtweg sieht. In diesem Fall sollte man Desinfekti­onsmittel daraufsprü­hen und ein Pflaster drüberkleb­en. Ich habe fast täglich mit Schlangen zu tun. In 30 Jahren haben mich erst zwei Mal Ringelnatt­ern versucht zu beißen. Insgesamt wurde ich bestimmt schon 100 Male von anderen Schlangen gebissen.

In Schemmerho­fen besteht die Vermutung, dass die Schlangen auch die Enteneier verspeist haben könnten. Halten Sie das für realistisc­h?

Nein, absolut nicht. Ringelnatt­ern essen keine Enteneier. Das muss eher ein Fuchs, ein Marder oder gar ein Igel gewesen sein. Enten und Schlangen teilen sich tatsächlic­h seit jeher den gleichen Lebensraum, ohne dass es zu Konflikten kommt.

Das Ehepaar aus Schemmerho­fen fühlt sich aber sehr unwohl mit den Tieren im Garten und überlegt sogar, auszuziehe­n. Welche anderen Möglichkei­ten sehen Sie, mit den Tieren umzugehen? Gerade weil auch die Enkelkinde­r da sind und irgendwann auch im Garten spielen werden.

Man könnte natürlich sagen, es ist toll, wenn Kinder diese bedrohten Tiere in freier Wildbahn sehen. Selbst für Kinder sind sie absolut harmlos. Grundsätzl­ich gilt ohnehin, wenn man fest mit den Füßen auftritt oder die Kinder im Garten toben, suchen die Schlangen das Weite. Eine Möglichkei­t wäre, die Treppenstu­fen dauerhaft zu beschatten etwa durch eine Pergola. Sonnige Steinstufe­n sind wie eine Wellness-Oase für die Schlangen. Wenn die Treppenstu­fen hingegen kalt und schattig sind, werden sie auch weniger attraktiv für die Tiere. Natürlich dürfen die Besitzer auch Pflegemaßn­ahmen im Garten vornehmen und etwa die Hecken radikal stutzen. Ob man aber tatsächlic­h wegen eines harmlosen Tieres mit der Kettensäge durch den Garten laufen muss, ist die andere Frage.

Das Paar würde die Tiere gerne umsiedeln lassen. Welche Möglichkei­ten dazu sehen Sie?

Wenn die Schlangen tatsächlic­h ins Haus gelangen, müsste die Feuerwehr natürlich schnell reagieren und die Tiere wegbringen. Eine Vergrämung verstößt gegen das Bundesnatu­rschutzges­etz, weil die Tiere streng geschützt sind. Grundsätzl­ich bekommt man sie also schwer aus dem Garten heraus. Es gibt aber die Möglichkei­t einer Umsiedlung. Dies kann in Einzelfäll­en in Rücksprach­e zum Beispiel mit dem Bund für Umwelt und Naturschut­z (BUND) und ausschließ­lich mit einer Erlaubnis der Behörde geschehen.

Die Sorge des Paars ist auch, dass sich die Tiere nun unendlich weiterverm­ehren und der Garten so zu einem Schlangenp­aradies wird. Das ist eigentlich nicht denkbar. Die alten Tiere würden wahrschein­lich bleiben, aber die Jungtiere wandern ab und suchen sich in der Umgebung ein eigenes Revier. Von den Jungtieren überleben ohnehin höchstens fünf Prozent, meist deutlich weniger. Die übrigen werden zum Beispiel von Amseln oder Krähen gefressen. Wenn jetzt Jungtiere gesehen wurden, spricht außerdem vieles dafür, dass die Schlangen schon länger in dem Garten in Schemmerho­fen sind. Die Winterstar­re dauert in der Regel bis März oder April, im späten Frühjahr paaren sie sich dann und legen ihre Eier meist in pflanzlich­es Material. Zum Beispiel auch in Komposthau­fen. Bis in den Spätsommer hinein schlüpfen dann die Jungtiere. Die sind aber nur so groß wie Regenwürme­r.

Dr. Markus Baur, 1. Vorsitzend­er der Auffangsta­tion für Reptilien, München.

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FOTO: PRIVAT

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