Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Eine Umsiedlung ist im Einzelfall möglich“
Reptilien-Experte Markus Baur gibt Tipps zum Umgang mit Ringelnattern
SCHEMMERHOFEN/MÜNCHEN Markus Baur ist Vorsitzender des Vereins „Auffangstation für Reptilien“in München und Fachtierarzt für Reptilien. Im Interview erklärt er, wie gefährlich Ringelnattern wirklich sind, wie man bei einem Biss reagieren sollte und wie mit Tieren im Garten umgegangen werden kann.
Wie gefährlich sind Ringelnattern tatsächlich?
Markus Baur: Für Menschen sind sie vollkommen harmlos und ungefährlich. Auf der Speisekarte der Tiere stehen höchstens zum Beispiel Frösche, Regenwürmer oder Kaulquappen. Außerdem hat keine Schlange Interesse an einem Kontakt mit Menschen. Selbst die giftigsten Kobras nicht.
Tatsächlich können Ringelnattern aber schon zubeißen. Wann tun sie dies?
Die Schlangen haben zwei beliebte Abwehrstrategien. Die erste: Sie drehen sich auf den Rücken, lassen die Zunge raushängen und stellen sich tot. Das tun sie manchmal auch, wenn Menschen sich nähern. Die zweite Strategie: Sie sondern ein stinkendes Sekret ab. Das riecht etwa so wie verfaulter Knoblauch. Das Sekret bleibt auch auf der Haut haften und lässt sich nur schwer abwaschen. In ganz seltenen Fällen kann es auch zu einem Biss kommen, aber nur wenn das Tier unmittelbar Todesangst hat und keinen Fluchtweg sieht. In diesem Fall sollte man Desinfektionsmittel daraufsprühen und ein Pflaster drüberkleben. Ich habe fast täglich mit Schlangen zu tun. In 30 Jahren haben mich erst zwei Mal Ringelnattern versucht zu beißen. Insgesamt wurde ich bestimmt schon 100 Male von anderen Schlangen gebissen.
In Schemmerhofen besteht die Vermutung, dass die Schlangen auch die Enteneier verspeist haben könnten. Halten Sie das für realistisch?
Nein, absolut nicht. Ringelnattern essen keine Enteneier. Das muss eher ein Fuchs, ein Marder oder gar ein Igel gewesen sein. Enten und Schlangen teilen sich tatsächlich seit jeher den gleichen Lebensraum, ohne dass es zu Konflikten kommt.
Das Ehepaar aus Schemmerhofen fühlt sich aber sehr unwohl mit den Tieren im Garten und überlegt sogar, auszuziehen. Welche anderen Möglichkeiten sehen Sie, mit den Tieren umzugehen? Gerade weil auch die Enkelkinder da sind und irgendwann auch im Garten spielen werden.
Man könnte natürlich sagen, es ist toll, wenn Kinder diese bedrohten Tiere in freier Wildbahn sehen. Selbst für Kinder sind sie absolut harmlos. Grundsätzlich gilt ohnehin, wenn man fest mit den Füßen auftritt oder die Kinder im Garten toben, suchen die Schlangen das Weite. Eine Möglichkeit wäre, die Treppenstufen dauerhaft zu beschatten etwa durch eine Pergola. Sonnige Steinstufen sind wie eine Wellness-Oase für die Schlangen. Wenn die Treppenstufen hingegen kalt und schattig sind, werden sie auch weniger attraktiv für die Tiere. Natürlich dürfen die Besitzer auch Pflegemaßnahmen im Garten vornehmen und etwa die Hecken radikal stutzen. Ob man aber tatsächlich wegen eines harmlosen Tieres mit der Kettensäge durch den Garten laufen muss, ist die andere Frage.
Das Paar würde die Tiere gerne umsiedeln lassen. Welche Möglichkeiten dazu sehen Sie?
Wenn die Schlangen tatsächlich ins Haus gelangen, müsste die Feuerwehr natürlich schnell reagieren und die Tiere wegbringen. Eine Vergrämung verstößt gegen das Bundesnaturschutzgesetz, weil die Tiere streng geschützt sind. Grundsätzlich bekommt man sie also schwer aus dem Garten heraus. Es gibt aber die Möglichkeit einer Umsiedlung. Dies kann in Einzelfällen in Rücksprache zum Beispiel mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und ausschließlich mit einer Erlaubnis der Behörde geschehen.
Die Sorge des Paars ist auch, dass sich die Tiere nun unendlich weitervermehren und der Garten so zu einem Schlangenparadies wird. Das ist eigentlich nicht denkbar. Die alten Tiere würden wahrscheinlich bleiben, aber die Jungtiere wandern ab und suchen sich in der Umgebung ein eigenes Revier. Von den Jungtieren überleben ohnehin höchstens fünf Prozent, meist deutlich weniger. Die übrigen werden zum Beispiel von Amseln oder Krähen gefressen. Wenn jetzt Jungtiere gesehen wurden, spricht außerdem vieles dafür, dass die Schlangen schon länger in dem Garten in Schemmerhofen sind. Die Winterstarre dauert in der Regel bis März oder April, im späten Frühjahr paaren sie sich dann und legen ihre Eier meist in pflanzliches Material. Zum Beispiel auch in Komposthaufen. Bis in den Spätsommer hinein schlüpfen dann die Jungtiere. Die sind aber nur so groß wie Regenwürmer.
Dr. Markus Baur, 1. Vorsitzender der Auffangstation für Reptilien, München.