Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Marode Leitungen kosten Trinkwasse­r

Versorgerv­erband kritisiert Städte und Kommunen – Niedrige Pegel mit Folgen für Bauern

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Anhaltende Hitze, zu wenig Regen: Die Landesanst­alt für Umwelt (LUBW) spricht bei vier von fünf Gewässern im Land von Niedrigwas­ser – das betreffe kleine Bäche genauso wie Neckar, Rhein und Donau. Von Januar bis Juli seien nur 70 Prozent der üblichen Niederschl­äge gefallen. Flüsse trocknen aus, der Grundwasse­rpegel sinkt. In vielen Landkreise­n darf kein Wasser mehr aus Flüssen und Seen entnommen werden. Die gute Nachricht bei alledem: Die Trinkwasse­rversorgun­g ist nicht gefährdet. Mancherort­s müssen sich die Bürger aber auch beim Leitungswa­sser einschränk­en.

Der für das Wochenende vorhergesa­gte Regen wird wohl kaum helfen. Laut LUBW könne er die Lage „allenfalls kurzfristi­g, vorübergeh­end und lokal abmildern“. Der Bodensee, das wichtigste Trinkwasse­rreservoir im Land, hat aktuell einen Pegel wie in normalen Jahren erst Mitte Oktober. Der Wasserstan­d liegt 90 Zentimeter unter dem üblichen Niveau zu dieser Jahreszeit.

Besorgen müsse das niemanden, sagt Sarah Kreidler von der Bodensee-Wasservers­orgung (BWV), die vier Millionen Menschen mit Trinkwasse­r versorgt. „Der Bodensee liefert quasi Wasser im Überfluss“, der niedrige Pegel habe keine Auswirkung­en auf die Wasserlief­erung. Vor allem aus dem Alpenrhein fließe täglich etwa hundertmal mehr Wasser in den See, als der Zweckverba­nd in 60 Metern Tiefe vor Sipplingen entnimmt. „Auf den Pegel des Bodensees hat die Entnahme von Trinkwasse­r keinen messbaren Einfluss. Denn die Sonne trinkt weitaus mehr“, sagt Kreidler – grob doppelt so viel. Klimamodel­le prognostiz­ierten zwar, dass sich Niederschl­äge zeitlich verschiebe­n werden. Aber: „Nach den heutigen Erkenntnis­sen werden wir auch in Zukunft genügend Wasser im Bodensee haben“, so Kreidler. Das betont auch ein Sprecher von Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne). „Die Trinkwasse­rversorgun­g ist im Land nach wie vor sicher“, sagt er.

Die Versorgung ist allerdings punktuell eingeschrä­nkt. Manche Kommunen kämpfen mit niedrigen Grundwasse­rpegeln und ausgetrock­neten Quellen – wie etwa im südlichen Alb-Donau-Kreis. Die Bürger dort sind dazu angehalten, mit Leitungswa­sser sparsam umzugehen. Pools sollten nicht befüllt, der Garten nicht bewässert werden. In Hilzingen im Kreis Konstanz bringen Lkw, die für den Transport von Milch bestimmt sind, Trinkwasse­r in den

Ortsteil Schlatt, weil die Quellen vor Ort zu wenig Wasser führen.

„Die Faktenlage zeigt, dass der Klimawande­l am Laufen ist und sich zum Teil schon deutlich ausprägt“, sagt Bernhard Röhrle von der Landeswass­erversorgu­ng (LW), die drei Millionen Menschen mit Trinkwasse­r versorgt. „Es wird weniger Grundwasse­r gebildet, weil die Temperatur so hoch ist, dass ein großer Teil der Niederschl­äge gleich verdunstet statt zu versickern.“Die Grundwasse­rstände liegen laut Röhrle aktuell ein Meter unter dem langjährig­en Mittel – aber auch noch ein Meter über dem bislang gemessenen Minimum. „Das ist noch nicht dramatisch, die Wasservers­orgung ist sicher“, sagt er.

Denn in der Regel steht die Wasservers­orgung auf zwei Standbeine­n. Kommunen nutzen eigene Quellen und sind zudem an die Wasservers­orgung von Nachbargem­einden, der LW oder der BWV angeschlos­sen. Wer ein solches zweites Standbein erst noch aufbauen muss, bekommt dafür Fördergeld vom Land.

Damit die Wasservers­orgung sicher bleibt, brauche es Investitio­nen, sagt Röhrle und nimmt hier die Kommunen in die Pflicht. Viele kümmerten sich zu wenig um ihr Leitungsne­tz. Die Folge: kostbares Trinkwasse­r versickert. Verluste seien zwar nie ganz auszuschli­eßen. „Eine Quote von acht Prozent geht. Manche Gemeinden haben aber Wasserverl­uste von 20, 30 Prozent“, kritisiert er.

Sollte zwischen Oktober und Ostern künftig immer weniger Grundwasse­r gebildet werden, werde es schwierig – gerade für Gemeinden mit weniger tiefen Quellen. Noch könne sein Zweckverba­nd Kommunen in Not mit mehr Wasser versorgen als ihnen vertraglic­h zustehe. Sollte Wasser knapp werden, würde der Verband seine Liefermeng­en für alle prozentual reduzieren. Damit das nicht passiert, schaue sich die LW aktuell nach neuen Quellen um – so zum Beispiel in Heidenheim und in Blaubeuren. Dank Investitio­nen in eine Filteranla­ge soll auch mehr Wasser aus der Donau kommen.

Angespannt­er ist die Lage der Flüsse und Seen – mit Auswirkung­en etwa auf die Landwirtsc­haft. „Aufgrund der lang anhaltende­n Trockenhei­t und der Hitzewelle führen die Gewässer im Land häufig nur noch wenig Wasser und sind sogar komplett trocken gefallen“, erklärt Alexis von Komorowski, Hauptgesch­äftsführer des Landkreist­ags. Niedrigwas­ser und sinkende Grundwasse­rstände als Folge des Klimawande­ls würden immer mehr zum Problem. Viele Landratsäm­ter hätten daher die Wasserentn­ahme eingeschrä­nkt.

Eine Übersicht haben weder der Landkreist­ag noch das Umweltmini­sterium. Unter anderem haben die Landratsäm­ter in den Kreisen Ravensburg, Biberach, Tuttlingen, Ostalb und Bodensee die Wasserentn­ahme massiv eingeschrä­nkt oder verboten. Der Alb-Donau-Kreis beschränkt sich in einem Schreiben vom Donnerstag noch auf einen Appell, kein Wasser zu entnehmen. Sollte sich die Situation weiter zuspitzen, trotz angekündig­ten Regens, könnte aus dem Appell bald ein Verbot werden, so das Landratsam­t.

Das kann gerade Landwirte vor große Probleme stellen, wie Ariane Amstutz vom Landesbaue­rnverband erklärt. So ist die Wasserentn­ahme aus dem Bodensee zwar nicht verboten im größten Anbaugebie­t für Obst im Land. Wohl aber aus anderen Seen und Flüssen. Dabei bauten viele Landwirte ihre Sonderkult­uren gerade in den Tälern von Flüssen wie der Argen an, um Flusswasse­r zu nutzen. „Es wird manche Landwirte vor Probleme stellen, dass sie kein Wasser entnehmen können“, sagt sie.

Gemüsebaue­rn nutzten indes vorwiegend Wasser aus eigenen Brunnen oder aus dem Leitungsne­tz wie die Krautbauer­n auf den Fildern bei Stuttgart. Für sie schnellten nun die Kosten in die Höhe. „Und uns brennt regelrecht das Grünland weg“, sagt Amstutz. Die Bauern fragten sich bereits, wie sie ihre Tiere füttern sollen.

 ?? FOTO: OLIVER BERG/DPA ?? Die Trinkwasse­rversorgun­g im Süden ist trotz anhaltende­r Trockenhei­t nicht in Gefahr.
FOTO: OLIVER BERG/DPA Die Trinkwasse­rversorgun­g im Süden ist trotz anhaltende­r Trockenhei­t nicht in Gefahr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany