Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Pilgern auf Schwäbisch
Das Interesse am Jakobsweg nimmt zu – Für den Anfang bieten sich regionale Strecken an
Noch 2270 Kilometer zu Fuß oder mit dem Fahrrad bis zum eigentlichen Ziel. Pius Löcher versucht, an dem kleinen Schild zu rütteln, das eine Jakobsmuschel auf blauem Grund zeigt und das den Weg zur Grabstätte des heiligen Jakobus in Santiago de Compostela in Südspanien weist, neben Rom und Jerusalem drittes Hauptziel der christlichen Pilgerfahrt. Das Schild hängt fest an dem mächtigen Baum am Beginn des Kirchberger Pilgerwegs im Schwarzwald, der 67-jährige passionierte Pilgerguide kann sich darauf verlassen, dass auch weiterhin Pilgerinnen und Pilger den richtigen Weg finden werden. Doch nicht alle streben auf dem schönen Zubringerweg durch den Schwarzwald den weltberühmten Jakobsweg durch Frankreich und Spanien an. Manche wollen einfach nur an drei Tagen das Gefühl des Pilgerns erleben. Was liegt da näher, als dies auf Pilgerwegen zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb zu tun, ganz in der historischen Tradition der alten Pilger, und dabei eine Reise zu sich selbst zu unternehmen, wie es in einem Prospekt heißt?
Die Tour startet auf dem Kinzigtäler Jakobusweg in Ihlingen bei Horb nach der Besichtigung der Pfarrkirche St. Jakobus mit Jakobsfigur, einem Pilger-Wandgemälde von Künstlerpfarrer Sieger Köder und einer Säulenkrippe, die dieser gemeinsam mit Frauen aus Ihlingen gestaltet hat und die moderne Wanderer mit Rucksack zeigt. Weiter geht es auf dem Kirchberger Pilgerweg mit Löcher und seiner
Frau Beate vorbei an blühenden Wiesen und durch wunderschöne
Wälder zum Kloster Kirchberg, der ersten Pilgerstation. „Pilgern ist mehr als nur vor sich hinzutrotten“, erklärt Löcher. „Wir sind unserem Schöpfer auf der Spur, erleben Spirituelles. Das ist für uns sehr bereichernd.“Auch in alten Zeiten waren es oftmals religiöse Gründe, die die Menschen dazu brachten, sich auf die weite und bisweilen gefährliche Reise nach Santiago
Sommerzeit
Bei allen sehr begehrt: der Pilgerstempel.
de Compostela zu machen. Andere Gründe, warum sich Menschen noch heute auf den Weg machen, sind laut Jakobsweg-Kenner Peter Müller beispielsweise die Sehnsucht nach Einfachheit, nach Ruhe, Natur und Kultur, oder die Begegnung mit anderen.
Am Abend des ersten Tages, nach rund zehn Kilometern Wegstrecke, gibt es einen herrlichen Blick auf den Hohenzollern und kurz vor der Ankunft eine Dusche von oben mit Hagel.
Am nächsten Tag gibt es den Reisesegen, es geht auf dem Kinzigtäler Jakobusweg ab Loßburg weiter. „Du musst laufen, einfach laufen. Irgendwann kommst du in den Flow rein“, sagt Christian aus Stuttgart. Über Alpirsbach – im dortigen Kreuzgang des Klosters kann man sich einen Schlussstein mit Jakobusdarstellung und überhaupt die beeindruckende Klosterkirche anschauen, die wohl aus dem Jahr 1128 stammt – geht es nach Schiltach. Auf den schönen Wegen gibt Christian Jäckels, Leiter der Tourist-Info Stadt Schiltach, Geschichten von früher preis: Er berichtet, wie unter Lebensgefahr bis zu 60 Meter lange dicke Tannen über die Kinzig geflößt wurden. Er zeigt, wo Kobaltblau gewonnen wurde, eine Farbe, die so typisch für die Delfter Keramik ist. Unterwegs gibt es natürlich Stationen, an denen man sich den Pilgerstempel abholen kann.
Mehr als 200 000 Menschen kommen jährlich zur Grabstätte des heiligen Jakobus in Spanien. Wie viele Menschen sich jedes Jahr auf Zubringerwege machen oder Teilstrecken des großen Jakobuswegs absolvieren, ist nicht bekannt. Sicher ist: Das Interesse nimmt zu. Monika Krämer, Tourismusbeauftrage des Landratsamts Freudenstadt, war selbst schon einige Male auf den Zubringerwegen, aber auch auf dem Jakobusweg allein unterwegs. Hat die Schönheit der Natur, die Freiheit genossen – auch die, mit fremden Menschen, die sie wahrscheinlich nie wiedersehen wird, in einem geschützten Rahmen offen zu reden. „Diese Wege haben ein Faszinosum, das andere Wege nicht haben“, ist sie sich sicher. „Die spirituelle Suche nach Klärung mit sich selbst berührt emotional.“
Letzte Station auf dem Schwarzwaldrand-Pilgerweg ab Schiltach ist Heiligenbronn mit Besichtigung des Franziskanerinnenklosters mit Klosterkirche. Für Löchers ist klar, dass sie nach diesen drei Tagen pilgern werden, so lange es geht. Auch wenn ein paar der Teilnehmer keine begeisterten Pilger werden, fanden sie die Tour schön, inspirierend. Pilgern hat etwas, kann einen durchaus in seinen Bann ziehen, lautet das ganz persönliche Fazit. Die ganz große Tour muss es aber zumindest noch schwäbische.de/freizeitnewsletter
Auch Grenzen werden unterwegs überschritten.
nicht sein – dagegen sprechen Zeitgründe. Hat einen die Pilgerlust gepackt, bieten sich vorerst zahlreiche Jakobuswege zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb an. Vielleicht geht es dann eines Tages auf große Pilgerschaft in Richtung Santiago de Compostela. Auf einem Pilgerstein ist zu lesen: „Unser ganzes Leben sind wir unterwegs.“Eine Botschaft für alle – auch für Nichtpilger.
Strecken im „Pilgerland BadenWürttemberg“können individuell zusammengestellt werden. Weitere Informationen zum Pilgern gibt es unter Pilgerland-BW.de, unter Jakobusweg.com, bei der Jakobusgesellschaft Würzburg und Aachen sowie bei den Landratsämtern in Rottweil, SchwarzwaldBaar-Kreis, Tuttlingen und Zollernalbkreis.
Die beschriebene Tour wurde von der Tourismus-Marketing GmbH Baden-Württemberg unterstützt.