Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Trubel an der Küste – Beschaulichkeit im Bergdorf
Eine E-Bike-Tour nach Spilimbergo erlaubt einen facettenreichen Einblick in das norditalienische Landleben
In der Hochsaison dient Lignano eher weniger zur Ruhe und inneren Einkehr. Denn im Sommer pulsiert hier das Leben – tagsüber wie nachts. Unzählige Liegen und blau-gelbe Sonnenschirme säumen ordentlich aufgereiht den acht Kilometer langen Sandstrand, im flachen Wasser der Adria spielen unter Jauchzen und Gelächter Kinder, Kitesurfer wie Stand-up-Paddler ringen mit den Wellen um ihr Gleichgewicht, während sich unter einem Pavillon Sportbegeisterte gegenseitig beim Spinning antreiben. Nach dem Strand zieht es die Menschen dann in die Ortsteile Sabbiadoro, Pineta und Riveria – für einen abendlichen Einkaufsbummel, ein Eis aus einer typisch italienischen Gelateria, einen kühlen Cocktail in einer Bar oder den Besuch einer Pizzeria.
Eine Art von Urlaub, die auf manche Reisende eher abschreckend wirkt, statt in ihnen Fernweh auszulösen. Die Provinz Friaul-Julisch-Venetien zeigt aber auch noch eine ganz andere Seite – abseits des Touristentrubels. Um diese Seite zu erleben, braucht es nur zwei Dinge: Spaß am Radfahren und Lust, die Provinz jenseits der Küste mit all ihren landschaftlichen, kulturellen und auch kulinarischen Facetten kennenzulernen – frei von Hektik und touristischem Gedränge.
Seit diesem Jahr bietet die lokale Tourismusagentur Lignano Sabbiadoro Gestioni dafür geführte E-BikeTouren an. Das Besondere daran: Während hierzulande das Ausleihen eines elektrischen Fahrrads durchschnittlich zwischen 30 und 40 Euro pro Tag kostet, ist das Angebot samt Tourenführer und Rücktransport kostenlos.
Ein Konzept, das in der Region noch recht neu ist: Erst vor etwa zwei Jahren hat die Agentur angefangen, den Radtourismus in der Provinz an der Oberen Adria auszubauen. „Wir haben gemerkt, dass die Leute nicht mehr nur den reinen Badeurlaub machen wollen, dass sie Abwechslung suchen“, sagt Fabio Moro, der die Fahrradtouren leitet. Finanziert wird das Projekt nahezu vollständig vom Staat. Mit 100 000 Euro hat die italienische Regierung den Radtourismus in diesem Jahr bezuschusst. Mit dem Geld kauft der lokale Touristikanbieter laut Moro die E-Bikes, bezahlt die Tourenführer und hält die Fahrradwege instand. „Die Regierung möchte eine nachhaltigere Art von Tourismus schaffen, von der nicht nur die Küste, sondern auch das Hinterland etwas hat“, sagt der Fremdenführer.
So profitiert zum Beispiel auch das norditalienische Bergdorf Spilimbergo – Ziel einer der etwas längeren Fahrradtouren. Spilimbergo liegt am Fuße der friaulischen Dolomiten und ist über die Grenzen Italiens hinaus vor allem als Stadt des Mosaiks bekannt. Aus 13 Nationen kommen die Schüler, die hier in einer dreijährigen Ausbildung lernen, die kleinen Bruchstücke aus buntem Stein zu farbenprächtigen Kunstwerken zusammenzusetzen. Die Geschichte der Mosaikkunst von Spilimbergo geht bis ins 17. Jahrhundert zurück, als Steinmetze und Fliesenleger auf den Baustellen im 100 Kilometer entfernten Venedig gearbeitet haben. Seit 1922 steht die Schule angehenden Mosaikkünstlern aus der ganzen Welt offen. Wohin sie ihre Fertigkeiten nach ihrer Ausbildung mitnehmen, zeigt ein Wandbild im Inneren der Schule: Verschiedene
Rund um die Mosaikschule zieren Skulpturen von Schülerinnen und Schülern das Gelände.
Länder mit ihren jeweiligen Wahrzeichen sind hier in Grautönen abgebildet – auch das Brandenburger Tor ist darauf zu sehen. Beim Schlendern durch die Gänge der Schule zeigt sich das breite Spektrum der künstlerischen Möglichkeiten, die von römisch anmutenden Wandbildern über sakrale Motive bis zur Porträtkunst reicht. Einen ersten Eindruck von Arbeiten der Lehrlinge erhalten Besucher aber bereits bei einem Spaziergang durch den öffentlich zugänglichen Garten des Instituts, in dem zahlreiche Skulpturen ausgestellt sind.
Spilimbergo ist aber nicht nur wegen seiner Mosaike einen Besuch wert. Die engen Straßen des mittelalterlichen Ortskerns sind gesäumt von kleinen Tavernen, Palazzi und mit Fresken bemalten Wohnhäusern, die bis heute gut erhalten sind. Das Herz der Kleinstadt ist das Schloss der Spengenberger, das wegen seiner aufwendig gestalteten Fassade auch den Beinamen „Palazzo dipinto“– bemalter Palast – trägt. Von dem Kärntner Adelsgeschlecht Spengenberg leitet sich im Übrigen auch der Name der Stadt ab.
Die Fahrradtour zu der oberitalienischen Kleinstadt startet jeden Freitag um acht Uhr in Latisana und folgt dann zunächst auf dem Damm dem Tagliamento, einem der letzten Wildflüsse der Alpen. Gut ausgebaute Fahrradstraßen und flache Schotterwege führen ab da weiter an Feldern sowie Wein- und Kiwiplantagen vorbei, durch Pinienwälder und malerische Ortschaften bis nach Spilimbergo. Auch wenn die 75 Kilometer lange Tour etwa sechs Stunden dauert und durchaus eine gewisse Grundsportlichkeit erfordert – Pausen kommen bei diesem Ausflug nicht zu kurz. Entlang der Strecke gibt es in regelmäßigen Abständen immer wieder gute Möglichkeiten zum Einkehren, um sich mit einem kühlen Getränk zu erfrischen oder einen kurzen Espressostopp einzulegen.
In Spilimbergo angekommen, ist die Osteria Al Bachero eine gute Adresse, um sich nach der Radtour mit friaulischer Hausmannskost zu stärken. Seit fast 50 Jahren führt die Familie Zavagno das kleine Lokal. Selbst gemachte Gnocchi mit Ricotta oder Fleischsoße, Salzkäse von heimischen Kühen, die für die Provinz typischen „Frico“– gebratene Käsefladen – oder Polenta mit Salsicce stehen hier auf der Speisekarte.
Für einen Spaziergang durch die Stadt bieten im Anschluss ehrenamtliche Bürgerinnen und Bürger Führungen an. Wer lieber auf eigene Faust die Gegend erkunden möchte, kann sich in der Touristeninformation an der Piazza Duomo für fünf Euro einen Audioguide ausleihen. Vom ruhigen Spilimbergo zurück ins belebte Lignano geht es am späten Nachmittag dann zurück mit dem Bus, den Transport der Räder organisiert der Tourismusanbieter Lignano Sabbiadoro Gestioni.
Für die Teilnahme an einer geführten Fahrradtour ist eine Anmeldung bei der Lignano Sabbiadoro Gestioni bis um 17 Uhr am Vorabend unter der Telefonnummer 0039/348/8734734 oder direkt am Infobüro an der Terrazza a Mare, Lungomare Trieste 5, erforderlich. Auf der Webseite des Tourismusanbieters (www.lignanosabbiadoro.it) finden sich außerdem noch weitere Radtouren zu anderen Zielen in der Provinz.
Die Recherche wurde unterstützt vom Touristikamt Lignano Sabbiadoro.