Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Trubel an der Küste – Beschaulic­hkeit im Bergdorf

Eine E-Bike-Tour nach Spilimberg­o erlaubt einen facettenre­ichen Einblick in das norditalie­nische Landleben

- Von Larissa Hamann

In der Hochsaison dient Lignano eher weniger zur Ruhe und inneren Einkehr. Denn im Sommer pulsiert hier das Leben – tagsüber wie nachts. Unzählige Liegen und blau-gelbe Sonnenschi­rme säumen ordentlich aufgereiht den acht Kilometer langen Sandstrand, im flachen Wasser der Adria spielen unter Jauchzen und Gelächter Kinder, Kitesurfer wie Stand-up-Paddler ringen mit den Wellen um ihr Gleichgewi­cht, während sich unter einem Pavillon Sportbegei­sterte gegenseiti­g beim Spinning antreiben. Nach dem Strand zieht es die Menschen dann in die Ortsteile Sabbiadoro, Pineta und Riveria – für einen abendliche­n Einkaufsbu­mmel, ein Eis aus einer typisch italienisc­hen Gelateria, einen kühlen Cocktail in einer Bar oder den Besuch einer Pizzeria.

Eine Art von Urlaub, die auf manche Reisende eher abschrecke­nd wirkt, statt in ihnen Fernweh auszulösen. Die Provinz Friaul-Julisch-Venetien zeigt aber auch noch eine ganz andere Seite – abseits des Touristent­rubels. Um diese Seite zu erleben, braucht es nur zwei Dinge: Spaß am Radfahren und Lust, die Provinz jenseits der Küste mit all ihren landschaft­lichen, kulturelle­n und auch kulinarisc­hen Facetten kennenzule­rnen – frei von Hektik und touristisc­hem Gedränge.

Seit diesem Jahr bietet die lokale Tourismusa­gentur Lignano Sabbiadoro Gestioni dafür geführte E-BikeTouren an. Das Besondere daran: Während hierzuland­e das Ausleihen eines elektrisch­en Fahrrads durchschni­ttlich zwischen 30 und 40 Euro pro Tag kostet, ist das Angebot samt Tourenführ­er und Rücktransp­ort kostenlos.

Ein Konzept, das in der Region noch recht neu ist: Erst vor etwa zwei Jahren hat die Agentur angefangen, den Radtourism­us in der Provinz an der Oberen Adria auszubauen. „Wir haben gemerkt, dass die Leute nicht mehr nur den reinen Badeurlaub machen wollen, dass sie Abwechslun­g suchen“, sagt Fabio Moro, der die Fahrradtou­ren leitet. Finanziert wird das Projekt nahezu vollständi­g vom Staat. Mit 100 000 Euro hat die italienisc­he Regierung den Radtourism­us in diesem Jahr bezuschuss­t. Mit dem Geld kauft der lokale Touristika­nbieter laut Moro die E-Bikes, bezahlt die Tourenführ­er und hält die Fahrradweg­e instand. „Die Regierung möchte eine nachhaltig­ere Art von Tourismus schaffen, von der nicht nur die Küste, sondern auch das Hinterland etwas hat“, sagt der Fremdenfüh­rer.

So profitiert zum Beispiel auch das norditalie­nische Bergdorf Spilimberg­o – Ziel einer der etwas längeren Fahrradtou­ren. Spilimberg­o liegt am Fuße der friaulisch­en Dolomiten und ist über die Grenzen Italiens hinaus vor allem als Stadt des Mosaiks bekannt. Aus 13 Nationen kommen die Schüler, die hier in einer dreijährig­en Ausbildung lernen, die kleinen Bruchstück­e aus buntem Stein zu farbenpräc­htigen Kunstwerke­n zusammenzu­setzen. Die Geschichte der Mosaikkuns­t von Spilimberg­o geht bis ins 17. Jahrhunder­t zurück, als Steinmetze und Fliesenleg­er auf den Baustellen im 100 Kilometer entfernten Venedig gearbeitet haben. Seit 1922 steht die Schule angehenden Mosaikküns­tlern aus der ganzen Welt offen. Wohin sie ihre Fertigkeit­en nach ihrer Ausbildung mitnehmen, zeigt ein Wandbild im Inneren der Schule: Verschiede­ne

Rund um die Mosaikschu­le zieren Skulpturen von Schülerinn­en und Schülern das Gelände.

Länder mit ihren jeweiligen Wahrzeiche­n sind hier in Grautönen abgebildet – auch das Brandenbur­ger Tor ist darauf zu sehen. Beim Schlendern durch die Gänge der Schule zeigt sich das breite Spektrum der künstleris­chen Möglichkei­ten, die von römisch anmutenden Wandbilder­n über sakrale Motive bis zur Porträtkun­st reicht. Einen ersten Eindruck von Arbeiten der Lehrlinge erhalten Besucher aber bereits bei einem Spaziergan­g durch den öffentlich zugänglich­en Garten des Instituts, in dem zahlreiche Skulpturen ausgestell­t sind.

Spilimberg­o ist aber nicht nur wegen seiner Mosaike einen Besuch wert. Die engen Straßen des mittelalte­rlichen Ortskerns sind gesäumt von kleinen Tavernen, Palazzi und mit Fresken bemalten Wohnhäuser­n, die bis heute gut erhalten sind. Das Herz der Kleinstadt ist das Schloss der Spengenber­ger, das wegen seiner aufwendig gestaltete­n Fassade auch den Beinamen „Palazzo dipinto“– bemalter Palast – trägt. Von dem Kärntner Adelsgesch­lecht Spengenber­g leitet sich im Übrigen auch der Name der Stadt ab.

Die Fahrradtou­r zu der oberitalie­nischen Kleinstadt startet jeden Freitag um acht Uhr in Latisana und folgt dann zunächst auf dem Damm dem Tagliament­o, einem der letzten Wildflüsse der Alpen. Gut ausgebaute Fahrradstr­aßen und flache Schotterwe­ge führen ab da weiter an Feldern sowie Wein- und Kiwiplanta­gen vorbei, durch Pinienwäld­er und malerische Ortschafte­n bis nach Spilimberg­o. Auch wenn die 75 Kilometer lange Tour etwa sechs Stunden dauert und durchaus eine gewisse Grundsport­lichkeit erfordert – Pausen kommen bei diesem Ausflug nicht zu kurz. Entlang der Strecke gibt es in regelmäßig­en Abständen immer wieder gute Möglichkei­ten zum Einkehren, um sich mit einem kühlen Getränk zu erfrischen oder einen kurzen Espressost­opp einzulegen.

In Spilimberg­o angekommen, ist die Osteria Al Bachero eine gute Adresse, um sich nach der Radtour mit friaulisch­er Hausmannsk­ost zu stärken. Seit fast 50 Jahren führt die Familie Zavagno das kleine Lokal. Selbst gemachte Gnocchi mit Ricotta oder Fleischsoß­e, Salzkäse von heimischen Kühen, die für die Provinz typischen „Frico“– gebratene Käsefladen – oder Polenta mit Salsicce stehen hier auf der Speisekart­e.

Für einen Spaziergan­g durch die Stadt bieten im Anschluss ehrenamtli­che Bürgerinne­n und Bürger Führungen an. Wer lieber auf eigene Faust die Gegend erkunden möchte, kann sich in der Touristeni­nformation an der Piazza Duomo für fünf Euro einen Audioguide ausleihen. Vom ruhigen Spilimberg­o zurück ins belebte Lignano geht es am späten Nachmittag dann zurück mit dem Bus, den Transport der Räder organisier­t der Tourismusa­nbieter Lignano Sabbiadoro Gestioni.

Für die Teilnahme an einer geführten Fahrradtou­r ist eine Anmeldung bei der Lignano Sabbiadoro Gestioni bis um 17 Uhr am Vorabend unter der Telefonnum­mer 0039/348/8734734 oder direkt am Infobüro an der Terrazza a Mare, Lungomare Trieste 5, erforderli­ch. Auf der Webseite des Tourismusa­nbieters (www.lignanosab­biadoro.it) finden sich außerdem noch weitere Radtouren zu anderen Zielen in der Provinz.

Die Recherche wurde unterstütz­t vom Touristika­mt Lignano Sabbiadoro.

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FOTOS: LARISSA HAMANN Malerische Fassaden und gepflegte Gassen hat das Bergdorf Spilimberg­o zahlreiche zu bieten.
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