Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Begehrtes Nass
Der Swimmingpool zieht in viele Gärten ein – Über Badevergnügen in krisenhaften Zeiten
Anruf bei Annette Mückenheim, Chefin von „Fredls Pool-Oase“in Leutkirch. Ein Sehnsuchtsort angesichts der andauernden Hochtemperaturen, der Trockenheit, des Büroalltags in einem weiteren Hitzesommer. Wie ist es denn so, wenn man am Quell des Begehrens der sommergeplagten Deutschen sitzt? „Die Menschen rennen uns seit ein paar Jahren den Laden ein, die Auftragsbücher sind voll.“Das Unternehmen mit fünf Mitarbeitern verbaut meistens an einem Stück gefertigte Komplett-Poolsets aus Polypropylen. „Wichtig ist vielen Kunden heutzutage der WellnessCharakter: Eine Sprudelbank oder Massagedüsen dürfen nicht fehlen.“Um im standardmäßig sechs bis acht Meter langen und 3,2 Meter breiten Becken zu schwimmen, würden darüber hinaus viele auf eine Gegenstromanlage setzen.
Mehr als 1,4 Millionen Schwimmbecken und Aufstellpools tiefer als 1,20 Meter gab es 2020 in Deutschland. Das meldet der Bundesverband Schwimmbäder und Wellness. Beim oben angeführten Standardmaß kommen schnell über 40 000 Liter Wasser pro Becken zusammen. Ein Swimmingpool im Garten ist heute nicht nur Statussymbol – für viele gehört er mittlerweile zum Eigenheim dazu. Mögen die anderen sich wie Sardinen in der Dose in den Schwimmbädern und Badeseen aneinanderdrängen. „My pool is my castle.“Das lassen sich die Deutschen
auch was kosten: Bei einem Komplettset inklusive Montage muss man laut Expertin Mückenheimer mit 50 000 Euro rechnen.
Dafür lässt sich dann entspannt auf der Luftmatratze über das türkise Nass gleiten. Doch ist das Schwimmbecken als selig machender Ort der Erholung keinesfalls eine Erfindung der Neuzeit. Bis heute berühmt für ihre Badekultur sind die alten Römer. Auch wenn sie das Schwimmbecken nicht erfunden haben. Über ganz Europa, Nordafrika und den Nahen Osten verstreut findet man Überbleibsel der römischen Thermenanlagen. Anders als heute dienten die Schwimmbecken aber vor allem der Hygiene, weniger der Erholung oder sportlichen Betätigung. Zu Ausschweifungen soll es auch gekommen sein – über das römische Badeleben haben Dichter wie Martial gerne geschrieben. Mit der Hygiene war es öfters allerdings nicht weit her: Die alten Römer badeten oft in den Ausdünstungen ihrer Mitbürger. Das Wasser in den meisten Thermen wurde nur unregelmäßig getauscht, kam oft aus ohnehin nicht allzu sauberen Flüssen.
Erneut populär wurde das Schwimmbecken im 19. Jahrhundert – als öffentliche Badehäuser zu wirklichen Schwimmbädern wurden. 1896 schließlich wurde das Schwimmen olympische Disziplin. Und zur Jahrhundertwende entstanden allerorten große Badehäuser. Bis es der Swimmingpool aus den meist öffentlichen Badeanstalten in die privaten Gärten schaffte, dauerte es allerdings noch viele Jahrzehnte – zumindest außerhalb der Oberschicht.
In der Malerei, im Kino und Fernsehen war er da längst angekommen. Weltberühmt: Romy Schneider, die sich lasziv auf champagnerfarbenen Fliesen am Rande eines Schwimmbeckens rekelt. Das war 1969 im Film „Swimmingpool“. Ein Superstar der Malerei erhob den Pool sogar zum Mittelpunkt seines Sujets: David Hockney wurde bereits in den 60erJahren mit seinen Pool-Bildern berühmt. Sein „Porträt eines Künstlers – Pool mit zwei Figuren“aus den frühen 70er-Jahren wurde 2018 für rund 90 Millionen Dollar versteigert. Zu diesem Zeitpunkt das teuerste Werk eines noch lebenden Künstlers.
In jenem Jahr war in Deutschland bereits das Pool-Fieber ausgebrochen. Mückenheim von „Fredl’s Pool-Oase“erzählt, dass Kunden sich seit Jahren den Hotelpool aus dem Urlaub als Vorbild für den nassen Traum zu Hause nehmen würden. Rechteckig, in Blauschattierungen, mit Treppe zum Einstieg und Überlaufbecken für die Aufbereitung des Wassers. „Wir empfehlen heute, das Wasser bei Pools mit Abdeckung auch im Winter bis 15 oder 20 Zentimeter unter der Poolkante im Becken zu lassen. Es wird ständig per Salzelektrolyse gereinigt, das ist die nachhaltigste und günstigste Art der Wasseraufbereitung.“
Flächenverbrauch, Wasserverbrauch. Reizwörter in diesen Zeiten. In Italien herrscht die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten, in Urlaubsregionen wurde bereits der Notstand ausgerufen, der Wasserverbrauch ist eingeschränkt. Selbst im eigentlich regenreichen Oberschwaben ist die Wasserentnahme mancherorts begrenzt, der Bodensee trocknet einem historischen Tiefstand entgegen. Ist ein privater Swimmingpool mitten in der akuter werdenden Klimakrise nicht ein egoistischer Anachronismus?
Jemand, der beruflich sogar oft mit Swimmingpools zu tun hat, sieht das so. Tjards Wendebourg ist Redaktionsleiter des Magazins „DEGA GalaBau“, einer Fachzeitschrift für Garten- und Landschaftsbauer. Wendebourg schrieb im Juni diesen Kommentar: „Wenn wir hier einen anhaltenden Trend zu Pools beschreiben, so ist das ja kaum etwas anderes als die Ignoranz auf Kundenseite gegenüber der Tatsache, dass Wasser auch bei uns nicht mehr länger ein Produkt ist, das man bedenkenlos privat zum Vergnügen vergeuden sollte.“Und weiter: Einmal mehr zeige der Pool, dass die meisten Menschen es entweder nicht verstanden hätten oder es ihnen egal sei, dass das Ändern der Lebensgewohnheiten nicht nur die anderen betreffe, sondern auch sie selbst.
Harte Worte für so ein sinnliches Freizeitvergnügen wie dem Swimmingpool im eigenen Zuhause. Und wie so oft im Leben herrschen zwischen dem Sollen und dem Sein beträchtliche Unterschiede. Bei den Kunden von „Fredl’s Pool-Oase“jedenfalls spielen Fragen der Lebensführung kaum eine Rolle. Dann schon eher der Preis.